Senkrechtstarter Marcell Jansen Das Vorzeige-Fohlen

Seefeld (RP). Dass er es in Mönchengladbach zu einer gewissen Berühmtheit gebracht hat, spürt Marcell Jansen, wenn er beim SV Lürrip, dem Verein, bei dem er einst mit dem Fußballspielen begann, vorbeischaut. Nicht selten muss er viele Autogramme schreiben, bevor er einen Blick auf das sportliche Geschehen werfen kann.

Auch beim Einkaufsbummel geht es kaum einmal ohne Autogramm-Anfragen. "Das gehört nun mal zum Beruf", sagt der 19-Jährige. In der Rückrunde der vergangenen Bundesliga-Saison war er der Senkrechtstarter bei Borussia Mönchengladbach. 18 Spiele machte der 19-Jährige, war oft bester Spieler seiner Mannschaft und schoss als linker Verteidiger sogar ein Tor. Doch Jansen ist für die Borussen mehr als ein begabter Spieler. Er ist eine Identifikationsfigur.

Der Klub hatte durch den Umzug vom Bökelberg in den Borussia-Park einen Teil seiner Identität eingebüßt, hatte durch eine üppige, aber unglückliche Einkaufspolitik (15 neue Spieler, sieben davon im Winter) und eine gewagte Trainerentscheidung (Dick Advocaat für Holger Fach) arge Imageprobleme. Da kam einer wie Jansen gerade recht, der in Mönchengladbach geboren wurde, seit der E-Jugend für Borussia spielt und früher in der Nordkurve stand. Auf den schmalen Schultern des 1,91-Meter-Schlakses stapeln sich die Hoffnungen, er ist für den Verein ein Vorzeige-Spieler, was die viel zitierte Fohlen-Philosophie betrifft.

Sportdirektor Peter Pander nennt ihn "unser Tafelsilber". Dabei hätte sein Einstand nicht miserabler laufen können. Beim 0:6 in Berlin am 4. Dezember 2004 machte Jansen sein erstes Bundesligaspiel. Doch was dann folgte, war ein Bilderbuchaufstieg, der zuletzt bei der U20-Weltmeisterschaft in den Niederlanden weiterging. Im Viertelfinale unterlag der DFB-Nachwuchs zwar Brasilien, "dennoch war die WM ein tolles Erlebnis". Fast wäre Jansen von Bundestrainer Jürgen Klinsmann als Nachrücker für den Confed-Cup angefordert worden, doch dazu kam es nicht.

In Klinsmanns Notizbuch

Im Notizbuch des Schwaben soll Jansens Name weit oben platziert sein. "Natürlich wäre die WM 2006 in Deutschland ein Traum. Aber ich will Schritt für Schritt machen", sagt Jansen. Und der nächste heißt: "Eine gute Saison bei Gladbach spielen." Der Erfolg der vergangenen Monate ließ den Linksfuß nicht die Bodenhaftung verlieren. "Es war immer mein Traum, Profi zu sein. Und natürlich wird der Rummel immer größer, wenn man gut spielt. Aber ich bin noch der gleiche wie vorher", sagt Jansen.

Starallüren sind bei ihm nicht festzustellen. Und wenn, würde Vater Michael, einst selbst ein bekannter Torjäger in der Gladbacher Fußballszene, schnell die Bremse treten. "Er ist mein größter Kritiker. Ich wurde so erzogen, dass ich nicht gleich abhebe", sagt Marcell Jansen. Der Jungspund macht sich keinen großen Duck, das hat er noch nie getan. Aber er hat die Chancen erarbeitet und genutzt, als sie kamen. Egal ob beim DFB-Nachwuchs, wo er erstmals als A-Jugendlicher dabei war, oder bei Borussia.

Denn Dick Advocaat, der ihn später in die Bundesliga brachte, schickte ihn zunächst mal zurück zur Oberliga-Mannschaft. "Ich durfte nur zweimal pro Woche bei den Profis mittrainieren, da habe ich richtig Gas gegeben und dann meine Chance bekommen", erzählt Jansen. Seit Januar hat er einen Vertrag bis 2008, sein Marktwert liegt bei einer Million Euro.

Jansen will im Trainingslager der Gladbacher im österreichischen Seefeld daran arbeiten, seinen Stammplatz zu verteidigen. Doch er weiß, dass die Ansprüche gestiegen sind. Es weiß aber auch, dass bei anhaltend guter Form bald schon die ersten Angebote der Top-Klubs kommen könnten. Doch "einen Kopf" macht er sich deswegen nicht. "Borussia ist mein Verein, und ich werde alles für diesen Verein geben", sagt er.

(Rheinische Post)
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