Diskussion um ausländische Fußballer hält an Das Problem ist europäisch: Auch Keegan und Zoff warnen
München (sid). Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld weiß es genauso wie Unterhachings Präsident Engelbert Kupka, und Ex-Bundestrainer Berti Vogts hat es schon immer gewusst: In der Bundesliga spielen zu viele Ausländer, deshalb haben Talente keine Chance, und die Fußball-Nationalmannschaft rumpelt vor sich hin.
Nachdem Energie Cottbus am ersten Bundesliga-Spieltag mit neun Gastarbeitern auflief, hat diese Diskussion einen neuen Höhepunkt erreicht. Doch nicht nur in Deutschland wird gestritten - obwohl "Inländer-Quoten" im zusammenwachsenden Europa und angesichts einer machtvollen EU-Kommission kaum realistisch und auch keine Patentlösung sind.
Englands Teammanager Kevin Keegan (Foto) , früher selbst "Legionär" beim Hamburger SV, äußerte in der vergangenen Woche ebenso seine Besorgnis wie Italiens Fußball-Idol Dino Zoff. In Spanien wurde auf Druck der Spielergewerkschaft mit Josep Guardiola vom FC Barcelona an der Spitze die Zahl der zulässigen Nicht-EU-Ausländer auf nur noch drei pro Team beschränkt. Aus den weniger leistungsstarken Ligen wie in Frankreich oder Portugal, die aufgrund ihrer mangelnden Finanzkraft nur wenige Stars anlocken können, hört man hingegen keine Klagen.
In der Bundesliga dürfen pro Team derzeit drei Nicht-Europäer in der Mannschaft stehen. Dabei gelten die Spieler aus Uefa-Mitglieds-Verbänden praktisch als Deutsche, es gibt für sie also keine Beschränkung. Doch das soll sich, ginge es nach vielen Experten, nun ändern. "Sechs plus fünf" lautet die Zauberformel. "Ich hoffe, dass es bei der Uefa bald eine Transferbestimmung gibt, dass mindestens sechs Deutsche spielen müssen. Das wäre optimal, damit man deutsche Spieler fördert, sonst geht es auf Kosten der Nationalmannschaft", erklärt Hitzfeld und findet damit viel Beifall.
Aber ist das umsetzbar? "Natürlich nicht", sagte jüngst Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), früher Mittelstürmer beim TuS Talle in der sechsthöchsten Spielklasse, in einem Interview mit Sport-Bild - und machte sich damit die Position der EU-Kommission zu eigen: "Die Europäischen Verträge garantieren die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, und dazu gehören trotz ihrer hohen Gehälter auch Fußballprofis."
Soll heißen: Im Europa ohne Grenzen kann jeder seinen Arbeitsplatz frei wählen, eine Diskrimierung hinsichtlich der Nationalität gibt es nicht mehr. Umgekehrt bedeutet das aber auch: Bekommt ein deutscher Jungprofi keinen Stammplatz in der Bundesliga, kann er zunächst in Belgien, Dänemark oder Österreich Matchpraxis sammeln, um dann in einer stärkere Liga zu wechseln. So ist zum Beispiel Carsten Jancker den Umweg über Österreich gegangen, und auch Oliver Bierhoff spielte zunächst in der zweiten italienischen Liga.
Falls keine einheitliche europäische Regelung hinsichtlich einer Quotierung zustande kommt, raten viele zu einer freiwilligen Beschränkung der Bundesligisten. Doch auch hier sind die Möglichkeiten aufgrund des internationalen Konkurrenzdrucks beschränkt: "Wir spielen Champions League. Dafür brauche ich gute Spieler", sagt Hitzfeld, "und wenn ich in Deutschland nicht die richtigen finde, muss ich im Ausland schauen." Fragt sich dann nur, ob nicht in erster Linie die Grundausbildung - lange bevor ein Spieler ins Bundesliga-Alter kommt - auf den Prüfstand gehört?
Fakt ist jedenfalls: Der Anteil der jungen deutschen Spieler unter 23 Jahren in der höchsten deutschen Spielklasse ist von der Saison 1990/91 bis heute von 20 auf sieben Prozent gesunken. Das Ausländerkontingent stieg laut Kicker dagegen von zwölf auf 43,6 Prozent. Gründe sind dafür sind das "Bosman-Urteil", bei dem die Ablösesummen bei Vertragsende wegfielen, und die Öffnung des Eisernen Vorhangs.
Aber es sind auch immer mehr Deutsche im Ausland tätig: Während 1990 noch wenige Stars wie Rudi Völler, Lothar Matthäus und Jürgen Klinsmann ihr Geld fernab der Heimat verdienten, kicken mittlerweile allein in den höchsten Ligen des europäischen Auslands und den USA über 40 Deutsche. Darunter Spieler wie Andreas Mayer (FC Aberdeen) oder Thomas Epp (AEL Limassol), die wahrlich keine virtuosen Ballkünstler sind und fast nur Fußball-Experten etwas sagen. Hinzu kommen eine Menge Akteure, die bei Zweitligisten unter Vertrag sind. Allerdings hat die Zahl der deutschen Gastarbeiter in der italienischen Serie A rapide abgenommen. Bierhoff (AC Mailand) ist der "letzte Mohikaner".
Die deutschen Fans betrachten derweil den Ausländer-Anteil in der Bundesliga offensichtlich sowieso nur als Nebensache. "Für die Anhänger ist in erster Linie die Leistung ausschlaggebend. Nur bei osteuropäischen Spielern ist eine kleine und auch abnehmende Diskrepanz zwischen Leistung und Beliebtheit festzustellen", sagt der Soziologe Dr. Frank Kalter, der an der Universität Mannheim eine wissenschaftliche Studie zum Thema erarbeitete. Ergebnis: Die Fans identifizieren sich mit ausländischen Stars genauso wie mit deutschen Kickern. Hauptsache, sie gewinnen.