Seit zehn Jahren in Uefa-Hand Wie sich die Youth League zur Talente-Fabrik entwickelt hat

Analyse | Nyon · In der Youth League treffen die größten Talente Europas aufeinander. Anfangs wurde sie kritisch gesehen, längst ist sie für die A-Jugendlichen der letzte Schritt vor dem Profitum.

Hannes Wolf und Marco Rose gewannen 2019 mit RB Salzburg die Youth League.

Hannes Wolf und Marco Rose gewannen 2019 mit RB Salzburg die Youth League.

Foto: Ja/Imago

Es gibt kaum eine Sportart, die in den vergangenen zehn Jahren so einen Entwicklungsschub genommen hat wie der Fußball. Ob es den Fans nun gefällt oder nicht. Gut abzulesen ist das auch im Jugendbereich, in dem die Talente inzwischen immer besser ausgebildet werden, immer früher den Sprung zu den Profis schaffen. Im europäischen Bereich wird dies insbesondere in der Youth League sichtbar, die seit der Saison 2013/2014 unter dem Dach der Europäischen Fußball-Union (Uefa) ausgetragen wird. Die Champions League der A-Jugendlichen wurde in den ersten Jahren noch von vielen Beteiligten abgelehnt – inzwischen erfreut sie sich größter Beliebtheit. „Wir haben dem Wettbewerb am Anfang nicht positiv gegenübergestanden“, gibt Lars Ricken, Jugendkoordinator bei Borussia Dortmund, zu. Ähnlich ging es auch anderen deutschen Vereinen. Inzwischen hätten sich die Abläufe verbessert „und die Jungs haben einfach Bock darauf, gegen Paris, Manchester City oder den FC Barcelona zu spielen“, so Ricken. Außerdem müssten die Talente dort an ihre Grenzen gehen und Widerstandsfähigkeit zeigen.

„Die Youth League ist ein super Wettbewerb. Es wurde ganz anderer Fußball als in der Liga gespielt. Es war viel physischer, die Gegner hatten ein ganz anderes Fußball-Verständnis. Ich habe andere Fußball-Kulturen kennenlernen dürfen“, sagt Till Schumacher. Der heute 25-Jährige bestritt zwischen 2014 und 2017 insgesamt neun Spiele für den BVB in der Youth League und ist aktuell als Profi bei Austria Klagenfurt aktiv, kämpft mit seiner Mannschaft in der Meisterrunde um die Teilnahme am europäischen Wettbewerb. Die Youth League habe seine Karriere bereichert, sei ein Faktor für seine Entwicklung gewesen. Die Spiele, die Vorbereitung, die Aufstellungen, die Intensität und die Qualität sind auf einem extrem hohen Niveau, oft sind viele Zuschauer dabei. Der Druck ist ein ganz anderer als im Liga-Alltag, die Ausbildungsphilosophien der verschiedenen Klubs und Länder prallen aufeinander, zudem die Reisen. „Die Youth League war für meine Entwicklung sehr wichtig. Ich konnte andere Erfahrungen als in der U19-Bundesliga sammeln“, sagt auch Mert Göckan von der Zwoten von Fortuna Düsseldorf über seine Zeit in der BVB-U19, in der er unter anderem gegen Barca oder Inter Mailand spielte. „Ich finde es gut, dass man in dem Alter die Chance bekommt, auf internationaler Ebene gegen solche Mannschaften zu spielen. Das ist eine ganz andere Herausforderung.“

Einige Klub-Verantwortlichen sahen das nicht immer so. Vor gut zehn Jahren, als die Uefa die bis dahin durchaus erfolgreiche Nex-Gen-Serie für sich vereinnahmte und die Unabhängigkeit der Klubs in diesem Turnier abschaffte, regte sich Kritik. Bis dahin konnten die Vereine die Spieltermine selbst festlegen, es war eine Art Einladungsturnier für die Besten der Besten im europäischen Jugendbereich. Die Uefa hingegen koppelte die Youth League an die Champions League. 32 U19-Mannschaften spielten plötzlich in Gruppen gegen die gleichen Gegner wie die Profis, waren automatisch qualifiziert, eine Menge Regeln wurden aufgestellt. Der Organisationsaufwand ist erheblich, zusätzlich zum Liga-Alltag werden internationale Gegner beobachtet, man ist mehrere Tage auf Reisen. Trotz großer Kritik habe die Uefa damals „klargemacht, dass es sportpolitisch gewünscht ist, dass wir da mitmachen“, sagte Ricken damals. Inzwischen übernehme die Uefa die Reisekosten der Teams, teilte der Verband mit und investiere generell viel in die Entwicklung des Fußballs.

Größter Kritikpunkt aus Deutschland: die Fehlzeiten in der Schule. „Der Aufwand war groß und die Spieler lange aus der Schule raus“, sagt Ricken rückblickend. Für die Spieler war das nicht einfach. „Wir haben damals viel Zeit in der Schule verloren, die Reisen waren eine hohe Belastung. Bei mir kam auch noch die Abwesenheit für die Jugendnationalmannschaften hinzu“, sagt Schumacher.

Heute fliegen immerhin Lehrer mit, machen mit den Spielern während der Tage im Ausland etwas für die Schule. „Natürlich kompensieren die paar Stunden aber keine ganzen Schultage“, sagt der gebürtige Essener. Zudem sei es ihm schwergefallen, nach den Profi-Erfahrungen auf diesen Reisen wieder in den Alltag zu finden. „Das war, als würde man für drei Tage ein Profi-Leben führen. Es ging nur um das Spiel“, erinnert sich Schumacher. Die Uefa verweist auf Anfrage darauf, dass „Bildung entscheidend und eine der Säulen des Wettbewerbs“, sei. Deshalb biete die Uefa Bildungsveranstaltungen und einen Zugang zu einem Weiterbildungsmodul an.

Zehn Jahre später ist die Kritik deshalb nahezu verflogen. Die Youth League hat sich etabliert – und wurde folgerichtig ausgeweitet. Neben den 32 Teams, die sich über die Senioren-Mannschaften qualifizieren, sind auch 32 nationale Meister dabei, die in zwei Runden mit Hin- und Rückspielen aufeinandertreffen. Danach folgt ein K.-o.-System, indem alle verbliebenen Mannschaften aufeinandertreffen. Die besten vier Teams spielen in einem Endturnier den Youth-League-Sieger aus.

In diesem Jahr findet es im Stadion Genf statt, weil das Zuschauer-Interesse inzwischen groß ist. „Die Uefa Youth League ist für den Verband und die Klubs wichtig“, teilte die Uefa unserer Redaktion mit. „Das Ziel ist es, den Abstand zwischen Jugend- und Profi-Fußball zu verringern.“ Es ist also der letzte Schritt zum Spitzenfußball. „Diese Spiele sind Sahnehäubchen für die Jungs“, sagte etwa Frankfurts Jugendchef Alexander Richter am Anfang dieser Saison. „Die Besten sollen noch besser werden.“

Und das werden sie offensichtlich. Laut Uefa nahmen fast 1000 Youth-League-Spieler später an einem Uefa-Klubwettbewerb teil. Die aus der Bundesliga bekannten Amadou Haidara, Xaver Schlager, Hannes Wolf und Mergim Berisha gewannen 2017 den Titel mit RB Salzburg und starteten richtig durch. Auch internationale Stars boten schon auf dieser Bühne große Leistungen wie etwa Marcus Rashford (Manchester United), Joao Felix, Mason Mount, Andreas Christensen (FC Chelsea) oder Ruben Dias (Manchester City) und Matthijs de Ligt. Aktuelle Talente heißen Ethan Mbappé (Paris Saint-Germain, Bruder von Kylian), Hugo Felix (Benfica Lissabon, Bruder von Joao) oder Julian Rijkhoff (Borussia Dortmund). Auch auf der Trainerbank fanden sich große Namen wieder. Marco Rose etwa – oder Steven Gerrard, Santiago Solari und Patrick Vieira.

Der Vorteil der Youth League liegt für die Teilnehmer auf der Hand: „Die Qualität ist höher als bei anderen Gegnern in der Bundesliga“, sagt Mike Tullberg, der U19-Trainer von Borussia Dortmund. „Wir haben neun internationale Spiele gegenüber anderen Bundesligisten mehr gemacht. Das ist toll für die Entwicklung der Jungs. Das ist ganz anders, als in der Liga zu spielen.“ Speziell für deutsche Klubs: Im Jugendbereich wird immer noch im Corona-Modus gespielt, Borussia Dortmund etwa kürte sich in nur 15 Partien zum Westdeutschen Meister. „Das ist einfach viel zu wenig“, schimpft Ricken. „Die Youth League hat daher einen hohen Stellenwert. Wir haben in der Youth League 19 Spiele auf Topniveau gemacht, in denen wir sehen können, wie sich die Jungs weiterentwickeln und auf welchem Stand sie international sind.“

Und da fällt auf: Deutsche Klubs sind zwar dabei, aber nur selten mittendrin. Zumindest wenn es um Silberware geht. Einer deutschen Mannschaft gelang bisher nie der Sprung ins Finale – spätestens im Halbfinale war Schluss, der BVB scheiterte die vergangenen beiden Jahre jeweils im Viertelfinale. Auch der 1. FC Köln, die TSG Hoffenheim, der FC Bayern München oder der FC Schalke 04 schafften es nicht zum Titel. „International sind wir nicht wettbewerbsfähig“, sagte Tullberg daher kürzlich über deutsche Nachwuchs-Mannschaften und forderte eine Reform der Jugend-Bundesliga. Die besten Teams sollten gegeneinander spielen – wie bei den Profis. Eine nationale Youth League sozusagen.

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