„Absolut irrsinnig“ Politik gegen Champions-League-Finale in Russland - Uefa unter Druck

Update | Frankfurt · Nach der Eskalation im Ukraine-Konflikt hält sich die Uefa eine Verlegung des diesjährigen Champions-League-Finales aus dem russischen St. Petersburg an einen anderen Ort offen. Der Druck steigt. Forderungen nach einer Verlegung werden laut.

 Blick in die Gazprom-Arena in St. Petersburg.

Blick in die Gazprom-Arena in St. Petersburg.

Foto: dpa/Jan Woitas

Champions-League-Finale in Russland? "Keine Chance!" Gazprom als millionenschwerer Sponsor der Heim-EM 2024? Heikel. Angesichts der Entwicklungen in der Ostukraine fordert die Politik auch im Profisport Sanktionen, die "Russland vor allem wehtun".

Der britische Premierminister Boris Johnson drängte am Dienstag mit energischen Worten auf eine Verlegung. "Keine Chance", Fußballturniere dürften nicht in einem Russland stattfinden, "das in souveräne Staaten einmarschiert". Es sei "in dieser kritischen Zeit absolut lebenswichtig, dass Präsident Putin versteht, dass das, was er tut, eine Katastrophe für Russland sein wird".

Der russische Präsident hatte am Montag die Unabhängigkeit der Separatisten-Gebiete Donezk und Luhansk in der Ostukraine anerkannt. Zudem kündigte er die Entsendung russischer Soldaten in die Gebiete an. Die USA und die EU wollen schon am Dienstag eine Entscheidung über erste Sanktionen gegen Russland treffen.

Der Sport tut sich (noch) schwer. "Die Uefa beobachtet die Situation ständig und genau", teilte die Europäische Fußball-Union (Uefa) am Dienstagvormittag auf Anfrage mit und schloss zunächst eine Verlegung zum derzeitigen Zeitpunkt aus. Am Nachmittag dann hieß es: "Wenn notwendig, wird eine Entscheidung zu gegebener Zeit getroffen."

Das Königsklassen-Endspiel am 28. Mai in St. Petersburg war da längst zum Politikum geworden. Das Thema birgt eine Menge Zündstoff - und könnte beispielgebend für den künftigen Umgang des Sports mit Russland werden. Der Konflikt besitzt höchste Priorität in der Zentrale in Nyon - der Druck auf die Uefa steigt. Und nicht nur auf die.

Auch der Deutsche Fußball-Bund ist in Alarmbereitschaft versetzt. Denn der russische Staatskonzern Gazprom zählt zu den Großsponsoren der Uefa, die auch die nächste Europameisterschaft hierzulande präsentieren werden. "Es ist eine sehr heikle Situation, die sich stündlich ändern kann und die wir natürlich alle im Blick haben", sagte DFB-Interimspräsident Rainer Koch der Sportschau.

Ob er hinsichtlich des Sponsorings auf die Uefa einwirken werde? "Aktuell geht es um die Sicherung des Weltfriedens und damit um weitaus Wichtigeres als Fußball. Etwaige Folgen für den Fußball wird die Uefa gegebenenfalls kommunizieren", so Koch, der auch im Uefa-Exekutivkomitee, dem mächtigsten Gremium im europäischen Fußball, sitzt. Abwarten ist das Gebot der Stunde.

Russlands Einfluss auf die Welt des Profisports ist riesig. Die Nähe zu den Spitzenverbänden ist extrem, die wirtschaftliche Abhängigkeit enorm - genau deshalb wurde am Dienstag der Ruf nach harten Konsequenzen laut.

"Damit Sanktionen gegen Russland wirksam sind, müssen sie Russland vor allem wehtun", sagte Philipp Hartewig, sportpolitischer Sprecher der FDP, dem SID. Am Beispiel Fußball sehe er "auch klar" die Uefa um ihren Präsidenten Aleksander Ceferin "in Verantwortung".

Auch Sabine Poschmann, sportpolitische Sprecherin der SPD, hält ein Champions-League-Finale für "undenkbar. Die UEFA ist aufgefordert, das Finale in ein anderes Land zu verlegen". Wenn Russland Völkerrecht "vorsätzlich bricht", ergänzte Hartewig, "muss Russland auch mit den Konsequenzen leben."

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Philip Krämer findet die Austragung von Veranstaltungen in Russland nach den neuesten Entwicklungen "absolut irrsinnig". Es sei "dann doch sehr perfide", bei einem Champions-League-Finale "mit Vertretern des russischen Regimes eine sportliche Feier" zu veranstalten, während es in ukrainischen Gebieten einen Krieg gebe, "der von diesem russischen Regime angezettelt worden ist", sagte der stellvertretende Vorsitzende im Sportausschuss des Bundestages dem SID.

Auch im Ausland sind die Diskussionen in vollem Gange. In Großbritannien etwa sprach der konservative Abgeordnete Tom Tugendhat mit Blick auf das Königsklassen-Finale von einer "beschämenden Entscheidung. Die Uefa sollte einer gewalttätigen Diktatur keinen Schutz bieten", schrieb er bei Twitter.

Dass kurzfristige Verschiebungen durchaus möglich sind, zeigt der Blick zurück. Im vergangenen Jahr war das Endspiel von Istanbul nach Porto verlegt worden, 2020 organisierte die Uefa aufgrund der Corona-Pandemie ein Finalturnier in Lissabon. Am Dienstag standen bei der Uefa bereits erneute Gespräche über das weitere Vorgehen an.

Seit Jahren pflegt nicht nur die Uefa eine lukrative Partnerschaft mit Gazprom. Der Energiegigant gehört in vielen Sportarten längst zu den Top-Sponsoren - im Fußball etwa für die Champions League, die EM im vergangenen Jahr oder die Nations League. Dazu sitzt in Alexander Djukow der Vorstandschef der Tochtergesellschaft Gazprom Neft im Uefa-Exekutivkomitee.

Auch das umstrittene Gazprom-Sponsoring bei Schalke 04 rückt angesichts der Entwicklungen in der Ostukraine plötzlich wieder in den Fokus. Der Zweitligist überprüft die Partnerschaft mit seinem langjährigen Hauptsponsor. Man werde "die weitere Entwicklung beobachten, bewerten und nachdrücklich zum Frieden appellieren zum Schutz der von der Krise betroffenen Menschen", teilte der Verein am Dienstag mit.

Mit der Eskalation in der Ostukraine hat der russische Präsident Wladimir Putin zum wiederholten Mal rund um Olympische Spiele militärische Maßnahmen ergriffen. Bereits während der Sommerspiele von Peking 2008 hatte er mit Waffengewalt in den Georgien-Konflikt (2008) eingegriffen. Sechseinhalb Jahre später annektierte er begleitet von einem großen internationalen Aufschrei die Krim (2014).

(kron/SID)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort