Historisches Spiel in der Champions League Schalke 04 — einfach unglaublich

Düsseldorf (RPO). Wie soll man das Phänomen Schalke 04 nur erklären? In der Bundesliga lediglich Mittelmaß, der Einzug ins Pokalfinale, dazu die spektakuläre Entmachtung von Trainer-Manager-Vorstand Felix Magath, die Rückkehr von Trainer Ralf Rangnick und jetzt der historische Sieg in San Siro – Schalke ist nicht erklärbar.

Düsseldorf (RPO). Wie soll man das Phänomen Schalke 04 nur erklären? In der Bundesliga lediglich Mittelmaß, der Einzug ins Pokalfinale, dazu die spektakuläre Entmachtung von Trainer-Manager-Vorstand Felix Magath, die Rückkehr von Trainer Ralf Rangnick und jetzt der historische Sieg in San Siro — Schalke ist nicht erklärbar.

Menschen, die nicht in den Genuss kamen, das Spektakel im ehrwürdigen Mailänder Stadion oder vor dem TV-Gerät zu verfolgen, müssen sich beim Anblick des nackten Ergebnisses verwundert die Augen reiben. Da steht es: Inter Mailand — FC Schalke 04 2:5 (2:2). Schalke hat fünf Tore erzielt? In Italien? Beim amtierenden Champions-League-Sieger? Im Viertelfinal-Hinspiel der Königsklasse? Schalke? Was? Das kann doch nicht stimmen!

Bei der näheren Betrachtung der Fakten wird alles noch viel surrealer. Inter hat nach wenigen Sekunden das 1:0 erzielt? Verrückt! Inter hat 2:1 geführt? Wie kann Schalke das denn noch drehen? Edu erzielt zwei Tore? Der Edu, der in dieser Saison in allen drei Wettbewerben erst zwei Mal getroffen hat? Die Gelb-Rote Karte von Inters Cristian Chivu ist ein erster Erklärungsansatz, oder doch nicht? In der 62. Minute stand es schließlich schon 4:2 für Schalke. Das reine Abfragen der Statistik kann dieses unglaubliche Ergebnis schon gar nicht erklären.

Ein legendäres Spiel

Es war ein Abend, an dem für Schalke alles passte. Obwohl es nach wenigen Sekunden ganz und gar nicht danach aussah. Nach Manuel Neuers spektakulärer Kopfabwehr traf Dejan Stankovic mit einem Volleyschuss nahe der Mittellinie aus 51 Metern. Ein Sonntagsschuss am Dienstagabend — der perfekte Auftakt für die wahnwitzige Dramaturgie eines Spiels, von dem die Fußball-Fans aus Deutschland, ganz gleich welcher Gesinnung, wohl noch Jahre reden werden. Ein Spiel, das künftig in einem Atemzug mit Spielen wie dem 7:3 von Bayer Uerdingen über Dynamo Dresden 1986, dem 6:6 zwischen Schalke und dem FC Bayern 1984 oder dem später wegen eines vermeintlichen Büchsenwurfes annullierten 7:1 von Borussia Mönchengladbach über Inter Mailand 1971 genannt wird.

Schalke profitierte von der Arroganz der Italiener, die die Königsblauen wohl unterschätzten. Die frühe Inter-Führung unterstützte diese Haltung. Beide Mannschaften agierten in der Folgezeit defensiv leicht naiv und legten ihr Augenmerk auf die Offensive. Der Gegner wurde auf beiden Seiten erst 35 Meter vor dem Tor attackiert, was durchaus ungewöhnlich auf diesem Niveau ist.

Joel Matip traf nach einer Ecke aus dem Getümmel heraus zum Ausgleich, doch das schien Inter nicht zu stören. Trainer Leonardo, im Gegensatz zu seinem Vorgänger Jose Mourinho ein bedingungsloser Verfechter attraktiven Offensivfußballs, sah sich in seiner Taktik bestätigt als Diego Milito, der im Finale 2010 gegen den FC Bayern beide Treffer zum 2:0 erzielte, Inter erneut in Führung brachte.

Doch neben der taktischen Schwäche des Gegners, offenbarten die Schalker den Beobachtern in San Siro eine Qualität, die man dieser Mannschaft nicht unbedingt zugetraut hätte. Die Königsblauen steckten erneut den Rückstand weg und zogen ihr System unbeeindruckt durch. Der Ausgleich zum 2:2 noch vor der Halbzeit durch Edu war verdient und einer der Grundsteine für den historischen Erfolg.

Neuers Glanztat gegen Eto'o

Ein weiterer Eckpfeiler war Manuel Neuer. Kurz nach der Pause hatte Samuel Eto'o die dritte Inter-Führung auf dem Fuß, fand aber bei seinem Schuss aus kurzer Distanz seinen Meister im deutschen Nationaltorhüter, der den unhaltbar scheinenden Ball über die Latte lenkte (47.).

Statt erneut in Rückstand zu geraten, ging Schalke plötzlich in Führung. Wie eigentlich immer, wenn Schalke ein Tor aus dem Nichts erzielt, war Raul der Torschütze. Der 72. Europapokaltreffer des Weltklasse-Torjägers, der erst aus Madrid nach Gelsenkirchen wechseln musste, um nach einer Durststrecke von sechs Jahren wieder ins Viertelfinale der Champions League einzuziehen, brachte Schalke auf die Siegerstraße.

Kurz nach Rauls 3:2 jubelte wieder der deutsche Vizemeister: Andrea Ranocchia hatte Edu zunächst daran gehindert, seinen zweiten Treffer zu erzielen, grätschte aber den Ball selbst über die Torlinie. Chivus Platzverweis brachte die Entscheidung, Schalke verpasste es in der Folgezeit sogar noch höher zu gewinnen. Jose Jurado und Jefferson Farfan trafen nur den Pfosten, ehe Edu mit dem 5:2 den Schlusspunkt setzte.

Besser als die Bayern

Während Schalke die Rückstände nichts auszumachen schienen, zeigte sich Inter nach dem Rückstand geschockt. Die Italiener verwandelten sich in die Mannschaft, die vor drei Wochen auch schon eine Halbzeit lang von den Bayern vorgeführt wurde. Sie taumelten hilflos über den Rasen und wurden zum Spielball eines schnell kombinierenden Gegners. Was die Schalker von den Bayern unterschied, war die Tatsache, dass die Münchner in dieser Phase nur zwei Treffer erzielten und die Partie im Gegensatz zu S04 nicht für sich entschieden.

Der Sieg von San Siro ist also doch erklärbar, Schalkes Saison bleibt indes unergründlich. Das nächste Bundesligaspiel könnte schon wieder zum Rätsel werden. Am Samstag (15.30 Uhr/Live-Ticker) kommt der abstiegsbedrohte VfL Wolfsburg in die Arena. Mit Ex-Trainer Magath, der mit den Niedersachsen noch sieglos ist...

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