RB Leipzig in der Champions League Der Fußball verliert an Ansehen

Leipzig/Salzburg · Der Profifußball büßt an Vertrauen ein, weil die Öffentlichkeit zunehmend den Eindruck gewinnen muss, dass die Großen und Reichen geltende Regeln ungestraft umdribbeln können. Gibt es auch für Red Bull eine Ausnahme?

 RB Leipzig qualifizierte sich als Aufsteiger für die Champions League.

RB Leipzig qualifizierte sich als Aufsteiger für die Champions League.

Foto: dpa, skh jai nic

Der Untergang der Fußballkultur soll aus der Dose kommen. In Leipzig wächst mit großen Schritten das umstrittenste Projekt im deutschen Profifußball heran. Vermutlich sogar europaweit. Der Verein hat sich gerade als Zweiter der Bundesliga sportlich für die Champions League qualifiziert. Wohlgemerkt als Aufsteiger. In Österreich läuft es sogar noch etwas besser - dort muss sich der Getränkekonzern Red Bull nicht hinter dem Namenskonstrukt Rasenballsport verstecken, sondern kann sein Engagement offen zur Schau stellen. Red Bull Salzburg ist sogar Meister geworden. Offiziell mischt der Konzern allerdings nicht im Tagesgeschäft der beiden Klubs mit. Das würde nämlich den Statuten der Uefa widersprechen.

Dort ist im Regelwerk von der "Integrität des Wettbewerbs" die Rede. Es geht darum, dass nicht zwei oder mehr Vereine, die vom selben Geldgeber mit jeweils mehr als 30 Prozent am Etat unterstützt werden, in der Champions oder Europa League antreten dürfen. In Leipzig liegt der Red-Bull-Anteil deutlich über 30 Prozent. In Salzburg ist Red Bull offiziell seit 2015 nur noch Sponsor. Der Anteil sei unter 30 Prozent gesunken, man rede ins operative Geschäft nicht hinein, heißt es. Doch man muss sich nur die Vita leitender Angestellter ansehen, um Verbindungen herzustellen. Darunter sind langjährige Weggefährten von Firmenboss Dietrich Mateschitz.

Sollte die Uefa Red Bull eine maßgebliche Einflussnahme auf beide Klubs und eine fortwährende Verflechtung nachweisen können, würde automatisch der in seiner Liga schlechter platzierte Klub für den internationalen Wettbewerb gesperrt - das wäre Leipzig. Es sei denn, Salzburg würde auf sein Startrecht verzichten. Das wiederum hätte weitreichende Konsequenzen für den Klub. Denn laut den Statuten des österreichischen Verbands würde das mit dem Ausschluss aus dem Spielbetrieb in der Folge-Saison einhergehen. Doch auch für dieses Szenario soll es im Brause-Haus schon einen Plan B geben. Im Internet kursiert das Gerücht, Red Bull verfüge über einen zweiten Verein in der zweiten österreichischen Liga, den man einfach in Red Bull umbenennen würde.

"Die Uefa will im Sinne aller Fußballfans den Wettbewerb schützen. Dies ist ein richtiges und wichtiges Anliegen. Die gesamte Situation um die RB-Vereine ist sicherlich im Fußball einzigartig und stellt damit gleichzeitig den Fall dar, an denen sich die wettbewerbsschützenden Regeln der Uefa messen lassen müssen", sagt der Düsseldorfer Sportrechtler Paul Lambertz. "Dass jede Regel erst in der Wirklichkeit auf den Prüfstand kommt, gilt für alle Arten von Gesetzen und Ordnungen, also auch für das Verbandsrecht. Sollte tatsächlich seitens der RB-Vereine eine solche Rochade geplant sein, liegt doch die Vermutung sehr nahe, dass diese beiden Vereine in wettbewerbswidriger Art und Weise verbunden sind. Denn warum sollte man sonst so etwas machen?"

Wie beschädigt der Fußball längst ist, zeigt alleine die Tatsache, dass man ihm derartige Mauscheleien zutraut. "Die Uefa hat ohnehin den Ruf, Regeln aufzustellen, an die sie sich am Ende selbst nicht hält. Ein Beispiel dafür ist auch das Financial Fairplay. Auch hier kam in den letzten Jahren immer wieder der Eindruck auf, dass diese Regeln nur beachtet wurden, wenn es opportun war", sagt der Politikwissenschaftler und Historiker Nils Havemann. "Dies hatte zur Folge, dass vor allem kleinere Klubs von Sanktionen betroffen waren, während große Klubs wie Paris St. Germain das Regelwerk weitgehend unterlaufen konnten. Wie sehr die Uefa mit dieser fragwürdigen Haltung langfristig dem europäischen Fußball schaden könnte, lässt sich auch mit Blick auf die gegenwärtige Vertrauenskrise der EU erahnen, die nicht zuletzt darauf zurückzuführen ist, dass ihre Institutionen - ähnlich der Uefa - in den letzten Jahren selbst entworfene Regeln und Verträge immer wieder gebrochen haben, wenn es im Interesse großer Staaten oder Unternehmen zu sein schien."

Ausnahmen bestätigen die Regel

Der Deutsche Fußball-Bund hatte zwar auch Leipzig im Visier, bei der Erteilung der Lizenz wurden mögliche Bedenken aber schnell zur Seite geschoben. Strittige Punkte waren unter anderem die Besetzung der Führungsgremien mit Red-Bull-Mitarbeitern und zu hohe Eintrittsbarrieren für Vereinsmitglieder. Dazu kommt die Ähnlichkeit des Vereinslogos mit dem Logo des österreichischen Getränkeherstellers. Das Wappen hatte der Sächsische Fußballverband vor Jahren bereits bewilligt. Strukturen und Satzung des Klubs hatte der DFB für sein Hoheitsgebiet - von der Dritten Liga abwärts - so genehmigt.

Im Kern verstößt das Konstrukt RB gegen die 50+1-Regel, nach der stets der Ursprungsverein Mehrheitsgesellschafter eines Bundesligisten sein muss. Doch auch hier bestätigen Ausnahmen die Regel: Leverkusen und Wolfsburg durften Sonderwege gehen, weil Bayer und VW als 100-prozentige Eigentümer ihre Vereine zum Zeitpunkt der Genehmigung seit mehr als 20 Jahren förderten. 2015 durfte Dietmar Hopp mit derselben Begründung in Hoffenheim die Mehrheit in der Spielbetriebs-GmbH übernehmen. Und Präsident Martin Kind strebt so im September die Mehrheit bei Hannover 96 an.

De facto ist RB auf der rechtlich sicheren Seite, da die 50+1-Regel nur für Kapitalgesellschaften gilt, der Leipziger Klub aber ein eingetragener Verein ist - allerdings einer, dessen einziger Zweck es ist, einen Bundesligisten als Werbeträger für die Red-Bull-Produkte aufzubauen.

(RP)
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