FC Bayern in der Champions League Leid oder nicht Leid…

München · Mein Mann ist Bayern-Fan. Und das heißt: Es gibt ihn überhaupt nicht. Beim Spiel heute Abend könnte das aber anders aussehen.

 Bochum-Fan Jasmin Buck (28) ist mit einem Bayern-Fan verheiratet — und steht dazu.

Bochum-Fan Jasmin Buck (28) ist mit einem Bayern-Fan verheiratet — und steht dazu.

Foto: Stefan Finger

Sieg oder Niederlage — das ist wichtig, aber nicht entscheidend. Das lernt man mit der Zeit, wenn man Fan des VfL Bochum ist. Die Fahrstuhl-Mannschaft aus dem Revier, die schon lange nicht mehr als "unabsteigbar" gilt. Der 3. Liga konnte die Mannschaft aber auch in dieser Saison entkommen.

Im Rewirpowerstadion an der Castroper Straße ("anne Castroper", wie der Bochumer sagt) zählt das Gemeinschaftsgefühl, das Drumherum, das Mittendrin-Sein. Deshalb liebe ich ihn: Diesen Moment, wenn ich meinen blau-weißen Schal in die Luft hebe und in der Ostkurve Herbert Grönemeyers "Bochum" mitsinge. Ein echter Fußballfan flucht, zittert, bibbert, weint, schreit, leidet. Er kennt das Eigentliche, die Essenz des Fan-Seins: Verzweiflung. Und er steht in der Niederlage, in der Niederlagenserie, im Abstiegskampf und im Abstieg treu zu seiner Mannschaft. Über Siege jubeln, das kann jeder Tourist. Womit wir bei einem Problem wären, dass mich nun schon seit sieben Jahren begleitet.

Denn mein Mann ist Fan des FC Bayern. Und das heißt: Es gibt ihn überhaupt nicht. Denn besonders kluge und witzige Zeitgenossen haben herausgefunden: Der FC Bayern hat überhaupt keine Fans. Die zeichneten sich nämlich, so sagen Forscher, ausnahmslos dadurch aus, dass sie mit ihrem Verein leiden. Bayern-Anhänger hingegen hätten angesichts der Erfolgsgeschichte ihres Klubs ja keine Ahnung, was das überhaupt bedeute, wollten nur den Erfolg abgreifen, ohne Emotionen zu investieren. Und dann gibt es da ja noch den "Bayern-Dusel". Der besagt, dass der Rekordmeister der deutschen Fußball-Bundesliga in knappen Spielen häufig besonderes Glück hat. Der Begriff entstand in den für den Verein besonders erfolgreichen 70er Jahren. Der Publizist Frank Hertel schreibt in dem Buch "111 Gründe, den FC Bayern zu hassen": "Die Bayern spielen in einer anderen Liga. Sie sind drei Klassen besser als alle anderen Bundesligavereine. Das ist schädlich für den deutschen Fußball. Es ist schädlich, weil es die Bayern-Spiele vorhersehbar macht. Alles andere als ein Sieg der Bayern wäre schon etwas ganz Besonderes. So ist der Fußball nicht gedacht. Das Spiel soll spannend sein."

Der gemeine Bayern-Fan wird an dieser Stelle erklären, dass er die Apokalypse schon mehrmals erlebt habe: 1999, Barcelona, 1:2 im Endspiel der Champions League gegen Manchester United. Das Spiel war ja eigentlich schon gewonnen. 2012 dann das "Finale dahoam", auch bekannt unter dem "Trauma dahoam". Niederlage im Finale gegen den FC Chelsea, ihr Fußball-Held Bastian Schweinsteiger schießt an den Pfosten. Und im vergangenen Jahr das Champions-League-Halbfinalspiel gegen Real Madrid. Der Titelverteidiger scheitert — trotz (oder wegen?) Pep Guardiola.

Vergangenen Mittwoch schließlich die Partie gegen Barcelona. Vom "Bayern-Dusel" keine Spur. All denjenigen, die meinem Mann und den restlichen rund 252 000 Mitgliedern in den fast 3600 Bayern-Fanklubs die Daseinsberechtigung absprechen, sei gesagt: Nach 90 Minuten gegen Messi und Co. habe ich nun zweifelsfrei Gewissheit: Mein Mann existiert tatsächlich. Er hat geflucht, gezittert, gebibbert, geschrien und gelitten. Nur weinen war nicht drin.

Vielleicht kommt das nach dem Rückspiel in München noch. Dann werde ich mein Bochum-Trikot überstreifen (mit dem Freundschaftsverein-Aufnäher drauf, den mir mein Mann mal zum Geburtstag geschenkt hat) und meiner Fan-Solidarität freien Lauf lassen. Denn ich habe ein Herz für Bayern-Fans. Vor allem dann, wenn sie feststellen, dass sich das Hochgefühl des Sieges bei ständiger Präsenz abnutzt.

P.S.: Und auch wenn einem niemand auf den Rücken klopft, wenn man das Trikot des VfL Bochum trägt: Unser Kind bekommt später trotzdem ein blau-weißes Exemplar geschenkt. Schließlich schult es den Charakter, wenn Siege keine Selbstverständlichkeit sind. Bildunterzeile für das Foto: Jasmin Buck (28) ist mit einem Bayern-Fan verheiratet — und steht dazu. Das Foto entstand auf der Hochzeit des Paares im vergangenen Jahr.

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