Nach Macheten-Mord In London kommt noch keine Final-Stimmung auf

London · Die ersten deutschen Fans treffen vor dem "German Endspiel" in London ein. Die Anhänger kommen allerdings in eine Stadt, die nach dem brutalen Mord an einem Soldaten auf offener Straße unter Schock steht.

Mann mit Machete in London auf der Straße getötet
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Mann mit Machete in London auf der Straße getötet

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Eigentlich wollten die TV-Sender Bilder von der Ankunft erwartungsfroher deutscher Fußballfans zeigen, doch kurz vor dem "German Endspiel" in der Champions League ist den Londonern nicht nach Party zumute. Die Anhänger von Bayern München und Borussia Dortmund kommen in eine Stadt, die nach dem brutalen Macheten-Mord an einem Soldaten auf offener Straße im Stadtteil Woolwich unter Schock steht. Kurz vor dem Finale am Samstag im Wembley-Stadion (20.45 Uhr/Live-Ticker) macht sich Angst vor dem Terror an der Themse breit.

Premierminister David Cameron hat seinen Besuch in Paris abgebrochen, um in der britischen Hauptstadt das nationale Sicherheitskabinett "Cobra" einzuberufen. Cameron ("Dieser Vorfall ist schockierend") und andere Experten vermuten einen islamistischen Terrorakt, da die beiden Angreifer während ihrer Tat "Allahu Akbar" ("Gott ist groß!") ausgerufen haben sollen. Die Attentäter, die von Polizisten angeschossen wurden, werden streng bewacht in einem Krankenhaus versorgt.

Da die britischen TV- und Radiostationen nahezu rund um die Uhr über den mutmaßlichen Terrorakt berichten und auch die Zeitungen voll davon sind, ist das erste rein deutsche Finale in der Königsklasse komplett in den Hintergrund getreten. Viel mehr als ein oder zwei Artikel in den Sportteilen ist den Blattmachern das Duell der Deutschen in der Heimstätte des englischen Fußballs nicht wert.

So darf DFL-Boss Christian Seifert im Guardian das Erfolgsrezept der "vor Kraft strotzenden Bundesliga" erklären. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt die Times, die der Ansicht ist, dass sich der "ganzheitliche Ansatz der Bundesliga nun auszahlt". Auch der Daily Telegraph hat die deutsche Eliteklasse als Vorbild ausgemacht und berichtet darüber, dass sich die Verantwortlichen in England an der Nachwuchsarbeit der Bundesligisten orientieren wollen.

"We are so like Fritz"

Die Sun ist zwar irgendwie sauer, dass "uns die Deutschen ihre fußballerische Überlegenheit nach dem 1:4 bei der WM 2010 schon wieder unter die Nase reiben", gleichzeitig ist sich die größte Boulevardzeitung aber auch sicher: "We are so like Fritz" ("Wir sind dem Fritz so ähnlich"). Dabei scheut die Sun nicht davor zurück, Gemeinsamkeiten mit den Deutschen aufzulisten - bis hin zur deutschen Herkunft des Königshauses.

Ganz ohne Nazi-Thematik kommt die englische Presse, die sich auch mit der Qualität der "Bratwürste" am Finaltag beschäftgt, aber natürlich nicht aus. In der Daily Mail wird dem geneigten Leser nahegebracht, wie die Bayern den "Nazis trotzten, von der Bundesliga zurückgewiesen wurden und dennoch zur Münchner Maschine geworden sind".

Wenn die deutschen Fans, die zuletzt das Drei- bis Vierfache des normalen Preises für ihre Anreise bezahlen mussten, genug von der Zeitungslektüre haben, können sie sich auf das Wesentliche konzentrieren - ihre Party in London. Allerdings müssen sich Bayern und Westfalen auf einige Einschränkungen gefasst machen. So wird die Polizei "wilde Camper" in Parks oder an den Straßen nicht dulden.
Auch das aus der Heimat gewohnte Public Viewing wird es nicht geben.

Wer keine Eintrittskarte ergattert hat, kann das Finale in Pubs wie der Bundesliga-Kultkneipe "Zeitgeist" in Südlondon verfolgen. Allerdings werden in zahlreichen Kneipen nur die Anhänger einer Mannschaft zugelassen, um Ärger zu vermeiden. Die Europäische Fußball-Union (Uefa) hat zudem ein Fanfest im Olympia-Park organisiert.

Was die Sicherheit angeht, gibt sich die Polizeibehörde Scotland Yard völlig unaufgeregt. Es gebe keine besonderen Vorkehrungen, erklärte Scotland Yard. Schließlich sei die Behörde an das Fanaufkommen gewohnt, da die Spiele im Wembley-Stadion eigentlich immer ausverkauft seien.

Was das Wetter angeht, müssen sich die deutschen Fans übrigens im Vergleich zur Heimat nicht umstellen: Regen, Wind und nur knapp zweistellige Temperaturen erinnern derzeit doch schwer an Deutschland.

(sid/seeg)
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