In ein paar Wochen wird die Hackordnung unter Deutschlands Torhütern neu verteilt. Nach der U21-EM im nächsten Monat wird es sehr wahrscheinlich einen Umbruch geben. Hinter Neuer, so wird erwartet, wird dann ter Stegen als neuer Kronprinz in der Nationalmannschaft ausgerufen. Heute (20.45 Uhr/Live-Ticker) im Halbfinale der Champions League zwischen dem FC Barcelona und dem FC Bayern München stehen sich ter Stegen und Neuer gegenüber. Die Fotografen werden nach diesem Motiv lechzen, bei dem sich die beiden möglichst nah kommen, sich im Optimalfall auch noch sportlich fair umarmen, damit später dokumentiert werden kann, wie das war, als sich Vorgänger und Nachfolger auf dem Platz begegneten.

Für ter Stegen, aber auch andere aus dieser hoch gelobten Generation, wie den Leverkusener Bernd Leno und den Kölner Timo Horn, gibt es nur ein Problem: Es ist völlig offen, ob sie jemals die Chance bekommen werden, sich als ein neuer Neuer zu beweisen. "Das Problem für die Jungen ist ja: Wir suchen zurzeit gar keine Nummer eins", sagte Köpke der "SZ". Sollte es dumm laufen für diese Generation, werden irgendwann Jüngere nachrücken.

Es hat Zeiten beim DFB gegeben, da wäre diese Besetzung nur schwer vorstellbar gewesen. Ein Torwart (ter Stegen), der nicht die klare Nummer eins in seinem Verein ist, wäre als Aspirant schlicht nicht in Frage gekommen. Man hätte ihm vorgehalten, nicht über die nötige Wettkampfpraxis zu verfügen. Nun spielt allerdings ter Stegen bei einem der größten Klubs der Welt und kann als Arbeitsnachweis immerhin auf Einsätze in der Champions League und dem spanischen Pokal (Copa del Rey) verweisen. "Ich spiele nicht in irgendeinem Kirmes-Pokal oder in der zweiten Mannschaft", sagte er im Interview mit "11 Freunde".

Im Ligaalltag setzen die Katalanen auf den chilenischen WM-Torwart Claudio Bravo (31), ter Stegen ist für die feierlichen Momente auf der großen Bühne da. "Marc ist mit der Situation sicher nicht komplett glücklich", sage Köpke. "Aber er nimmt sie sehr professionell an." Ter Stegen hat ein für spanische Verhältnisse nicht untypisches Szenario erlebt. Kurz nach seinem Wechsel von Borussia Mönchengladbach waren der Trainer (Gerardo Martino) und der Manager (Andoni Zubizarreta) weg. Sie hatten sich für ihn eingesetzt, Luis Enrique, der neue starke Mann, hatte sich für einen erfahrenen Torwart entschieden.

Die große Stärke von ter Stegen ist die Besinnung auf seine Stärken. Er hat sich von der Situation nicht verunsichern lassen, sondern die Herausforderung angenommen: "Für mich ist es wichtig, einen gewissen Druck zu spüren. Auch der Mannschaft kann es helfen, wenn es zwei Torhüter gibt, die richtig Gas geben." Gleichwohl macht er keinen Hehl daraus, dass er nicht auf ewige Zeiten nur der Feiertagstorwart sein möchte. "Die Situation ist unbefriedigend. Am liebsten würde ich alle Spiele bestreiten", sagt er.

Ein prominenter Mitspieler von ter Stegen ist sich sicher, dass er sich durchsetzen wird. "Er ist ein toller Torwart und hat mich gleich am ersten Tag sehr angenehm überrascht", sagt Lionel Messi (27). "Ich kannte ihn überhaupt nicht, aber seine Eigenschaften könnten ihn zum besten Torwart der Welt machen."