Chelsea-Star ein Held in der Heimat Didier Drogba — bei ihm schweigen die Waffen

München · Wenn Didier Drogba die Stimme hebt, schweigen in der Elfenbeinküste sogar die Waffen im Bürgerkrieg. Der Stürmer ist die "Ein-Mann-Büffelherde" des FC Chelsea, im Champions-League-Finale trägt er wohl letztmals das blaue Trikot.

CL 11/12: Drogbas Genugtuung gegen Barca
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Es war der 8. Oktober 2005, als sich Didier Drogba in den Geschichtsbüchern verewigte. Die Elfenbeinküste hatte sich in Sudan gerade erstmals für eine Fußball-WM qualifiziert, als Drogba, von seinen Teamkollegen umstellt, sich ein Mikrofon schnappte, auf die Knie fiel - und live im TV einen flammenden Appell an sein Land richtete. Die Parteien im Bürgerkrieg mögen doch bitte endlich die Waffen niederlegen, flehte Drogba - und das Wunder geschah.

"Ich hab das damals instinktiv getan", sagt der Angreifer, der am Samstag (20.45 Uhr im Live-Ticker)mit dem FC Chelsea zum Champions-League-Endspiel bei Bayern München antritt. Und der Moment, in dem Drogba den Bürgerkrieg für ein paar Wochen zu unterbrechen half, wird in der Allianz Arena gegenwärtig sein. "Nichts wird je toppen, dass ich helfen durfte, mein Land zu befrieden. Ich bin so stolz, weil wir heute keinen Silberpokal brauchen, um zu feiern", sagt er.

Instinktfußballer Drogba

Instinktiv, wie die Sache damals in Omdurman, geschieht vieles, was der 34-Jährige auf dem Platz tut. Drogba ist der Mann, den sie beim FC Bayern am meisten fürchten. Mit gutem Grund: Die Ein-Mann-Büffelherde ist in die Jahre gekommen und der älteste Feldspieler im Kader, aber auch der gefährlichste. In sieben Champions-League-Spielen in dieser Saison schoss er insgesamt nur acht Mal aufs Tor - doch fünf Mal war der Ball drin.

"Er ist einzigartig, unersetzlich, eine Maschine, ein Bulldozer", sagt Frank Lampard über seinen Teamkollegen: "Er hat nichts von seiner Schnelligkjeit und seinem Instinkt verloren, ist eine Ikone des Klubs. Und als Mensch - ich liebe ihn." Drogbas früherer Trainer Jose Mourinho meinte gar: "Mit ihm kannst du in den Krieg ziehen - und du wirst gewinnen." Die Bayern reden mit ähnlich großem Respekt über den 85-maligen Nationalspieler (54 Tore). Kapitän Philipp Lahm nennt ihn einen "herausragenden Stürmer", Bastian Schweinsteiger "überragend".

Und dennoch: Die Krönung seiner Ausnahme-Karriere ist Drogba bisher verwehrt geblieben - obwohl er mit Chelsea seit seinem Wechsel für 37 Millionen Euro vor acht Jahren aus Marseille stolze elf nationale Titel gewonnen hat. Doch in der Champions League wurde er 2008 nur Zweiter - auch, weil er die Rote Karte sah, an seiner Statt John Terry im finalen Shootout ran musste und verschoss. Mit den "Elefanten" scheiterte er zwei Mal im Endspiel des Afrika Cup, zuletzt im Frühjahr, als er einen Elfmeter verschoss.

Das Finale gegen "diese Deutschen" sei deshalb "etwas Besonderes", gibt er zu. "Ich habe sehr viele Enttäuschungen erlebt, aber auch einige großartige Momente", sagt Drogba, "ich werde versuchen, dieses Finale für meine Kollegen zu einem guten Moment zu machen." Zumal es wohl sein letztes Spiel im blauen Trikot sein wird: Drogba zieht es nach Shanghai, wo sich schon sein ehemaliger Kollege Nicolas Anelka den Karriereabschluss vergolden lässt. "Aber es geht am Samstag nicht um mich", betont er, "sondern einzig und allein um Chelsea."

Ein Nationalheld

Diese Einstellung zeichnet Drogba aus, dafür wird er geliebt - in London wie in der Elfenbeinküste. Drogbas Bedeutung für seine Heimat ist kaum in Worte zu fassen. Es gab Lieder über ihn in den Charts, das Dorf Drogbakro hat sich nach ihm benannt, sein Nachname hat es in die Umgangssprache geschafft. "Drogbacite" ist eine besondere Form der Coolness. "Er ist ein Nationalheld. Von Nord bis Süd, von Ost bis West sind wir, ja ganz Afrika stolz auf ihn" sagt der Premier Guillaume Soro über den "afrikanischen König" (Titel einer TV-Doku).

Dabei hat Drogba seine Heimat bereits mit fünf verlassen. Bei seinem Onkel, der sich als Zweitligaprofi in Frankreich verdingte, sollte er es besser haben als daheim. Fußballer sollte er nicht werden. Als Drogba 15 war, verboten ihm die Eltern, Bankangestellte aus Abidjan, das Kicken gar. Die Schulnoten waren zu schlecht.

Damals war noch nicht abzusehen, dass er dereinst bei Besuchen in der Heimat von Tausenden gefeiert werden würde - nicht nur, weil er ein guter Stürmer ist.

(sid)
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