Champions-League-Finale Tuchel und Guardiola im großen Duell der Taktikgenies

Porto · Das englische Champions-League-Finale zwischen dem FC Chelsea und Manchester City im mit Zuschauern besetzten Estadio do Dragao in Porto ist ein Duell der Taktikgenies mit starkem deutschen Anstrich.

 Manchesters Trainer Pep Guardiola (r) und Chelseas Trainer Thomas Tuchel begrüßen sich vor dem einem Ligaspiel.

Manchesters Trainer Pep Guardiola (r) und Chelseas Trainer Thomas Tuchel begrüßen sich vor dem einem Ligaspiel.

Foto: dpa/Shaun Botterill

In der Höhle des Drachen ziehen zwei befreundete Taktikgenies in ihren härtesten Kampf. Sechs Jahre nach ihrem legendären Salzstreuer-Abend in einer edlen Münchner Weinbar gehen Thomas Tuchel und Pep Guardiola mit taktischen Fallen, Tricks und Winkelzügen aufeinander los - für die ultimative Krönung eines englischen Siegers: Im Champions-League-Finale zwischen Tuchels FC Chelsea und dem favorisierten Giganten Manchester City.

"Wir fühlen den Hunger, wir sind nicht zu zufrieden hier zu sein", sagte Tuchel am Freitag in Porto: "Das wollen wir morgen nach dem Spiel sein. Wir wollen den letzten Schritt machen und den Pokal gewinnen." Für den Teamerfolg stellt er gar das Privatduell mit Guardiola zurück: "Es ist viel mehr als das", so der 47-Jährige: "Ich würde nie sagen, es ist 'Ich gegen ihn'. Das wird kein Tennismatch morgen."

Guardiola, der das silberne Pokal-Ungetüm bereits zweimal mit dem FC Barcelona gewonnen hat, sagt über Tuchel: "Ich respektiere ihn. Aber wir wissen, dass wir beide gewinnen wollen." Im Estadio do Dragao kann es am Samstag (21.00 Uhr/Sky und DAZN) vor immerhin 16.500 Zuschauern nur einen Sieger geben.

Dafür ist Guardiola bereit, zum Äußersten zu gehen. "Ich bin ziemlich sicher, dass wir leiden müssen, um das Finale zu gewinnen", sagte der Katalane mit entspannter Miene. Mit dem Druck kommt er gut klar. "Ich quäle mich nicht zu sehr. Ich habe nie erwartet, ein Champions-League-Finale zu spielen, als ich meine Karriere begonnen habe."

Wer auch immer im "The Full English" triumphiert, dem bereits dritten in der Champions-League-Geschichte: Es wird ein Spiel mit deutschen Gewinnern und Verlierern. Ilkay Gündogan ist das unverzichtbare Mittelfeld-Metronom der Citizens - Chelsea schickt sogar drei deutsche Nationalspieler ins Rennen, sie sich sehr bald bei der EM wiedersehen werden: Kai Havertz, Antonio Rüdiger und Timo Werner.

"Jedes Kind schaut sich dieses Finale an", betonte Werner, der zuletzt mit Ladehemmung kämpfte, bei Sport1. "Nach dem WM- und EM-Endspiel ist es das größte Finale, das es auf der Welt gibt." Wer es gewinne, besonders mit einer Mannschaft, die noch recht "grün hinter den Ohren" sei, habe in seiner Karriere "auf Vereinsebene das Größte" erreicht.

Und, nicht ganz uneigennützig, fügte Werner bei Dazn hinzu: "Es ist besser, wenn wir zu dritt als Champions-League-Sieger zur Nationalmannschaft kommen als nur einer." Das wird Ilkay Gündogan allerdings einigermaßen anders sehen.

Die Hoffnung des FC Chelsea ruht auf Tuchel, der im vergangenen Jahr mit Paris St. Germain das Finale gegen Bayern München verlor. "Niemand wird die Geschichte hören wollen, dass ich vergangene Saison schon hier war", sagte der deutsche Trainer. Aber: er gehe "schlauer und erfahrener" in sein zweites Königsklassenfinale.

Der Respekt der Gegenseite ist groß, nicht nur beim früheren Bayern-Trainer Guardiola. "Im Winter wären wir sicherlich noch klarer Favorit gewesen, aber Chelsea hat unter Tuchel zur europäischen Spitze aufgeschlossen", sagte Gündogan der Sport Bild.

Mit Borussia Dortmund, wo er später auch noch unter Tuchel spielte, hat auch Ilkay Gündogan (30) schon ein Champions-League-Endspiel verloren - 2013, ebenfalls gegen den FC Bayern. "Ganz ehrlich, dieses Finale verfolgt mich noch immer. Ich möchte diese Trophäe so sehr", betonte er. Für ihn bleibt zu hoffen, dass er auch spielen kann. Gündogan beendete das Abschlusstraining am Freitag nach einem Zusammenprall mit Oberschenkelschmerzen.

Die Londoner Blues wiederum haben sich ihr Selbstvertrauen redlich erarbeitet. Nachdem Tuchel im Januar den glücklosen Frank Lampard ersetzt hatte, kletterte der Verein in der Premier League von Platz zehn noch im letzten Moment auf den Champions-League-Rang vier. Allerdings verlor Chelsea das FA-Cup-Finale gegen Leicester City (0:1).

Dass sein Gegenüber nun Guardiola heißt, wird Tuchel zusätzlich anspornen, auch wenn er den Fokus nicht auf die Trainer legen will. Der Katalane ist sein fußballerischer Seelenverwandter. In aller Munde ist dieser Tage wieder der Abend im Jahr 2015, an dem beide in einem Münchner Restaurant mit Salz- und Pfefferstreuern manisch alte Partien des FC Barcelona nachstellten.

"Das sind gute Erinnerungen", sagte Guardiola: "Seitdem sind wir älter geworden. Wir haben ein gutes Verhältnis zueinander." Der unbedingte Wille zum Sieg eint beide Coaches - wie ihre Liebe zum taktischen Winkelzug. Am Samstag geht es ums Ganze.

(stja/SID)
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