Glanzloser Pflichtsieg in Wien Bayern im Kampf gegen die Selbstzufriedenheit

Wien (rpo). So richtig zufrieden war niemand beim FC Bayern München nach dem 1:0-Erfolg bei Rapid Wien zu Beginn der Champions-League-Gruppenphase. Eher "erleichtert" wie Trainer Felix Magath oder "glücklich" wie Paolo Guerrero, der Schütze des entscheidenden Tores.

Nur Manager Uli Hoeneß sprach von einem "Traumstart". Dennoch stellten die Verantwortlichen des deutschen Rekordmeisters unisono eine alarmierende Diagnose: Eine Krankheit namens Selbstzufriedenheit habe die erfolgsverwöhnte Mannschaft befallen, die hohen Ziele - vom "Triple" war vor dem Spiel mal wieder die Rede - sieht mancher bereits gefährdet.

Hoeneß, der schon vor der Partie beim österreichischen Meister gemahnt hatte, und Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge machten noch im Stadion mit harten Worten den Anfang. Letzterer wurde beim Bankett im Wiener Hotel Intercontinental zu vorgerückter Stunde sogar noch deutlicher. "Ich möchte ganz bewusst davor warnen, dass wir nun zu selbstzufrieden werden", sagte er an die Adresse der Mannschaft. Diese müsse "mehr Ehrgeiz, mehr Willen und größere Konzentration zeigen", wolle sie nicht bald aufwachen und feststellen, dass der Traum vom fünften Triumph in der "Königsklasse" ausgeträumt ist.

Zuvor hatte Hoeneß die nachlässige Spielweise der Magath-Elf kritisiert. Das Team hätte bisher zwar ausnahmslos alle Saisonspiele gewonnen, "aber noch kein einziges Mal überragend gespielt. Wenn unsere Spieler den Schmarrn von der Übermannschaft selbst glauben, bekommen wir noch große Probleme". Wolle man alle drei Titel gewinnen, müsse das Team "viel, viel besser spielen" als in Wien. Rummenigge, der das Auftreten der Bayern-Stars "ein bisschen zu selbstherrlich" fand, ergänzte: "Meine Nase sagt mir, dass wir aufpassen müssen, sonst fallen wir noch auf die Nase."

Getrübter Blick

Magath präzisierte in einer nächtlichen Plauderei mit Journalisten seine Mängelliste: "Die Erfolge haben dem ein oder anderen Sand in die Augen gestreut. Wir haben wie zuletzt in Nürnberg zu wenig getan." Seiner Truppe habe der Instinkt gefehlt, nach dem 1:0 durch den eingewechselten Guerrero (60.) auf das zweite Tor zu drängen. Die mögliche Strafe blieb nur aus, weil der Wiener Jozef Valachovic einen Foulelfmeter neben das Bayern-Tor setzte (81.), aber so viel Glück werde man nicht immer haben, meinte Magath. Zudem habe man gesehen, dass sich "noch nicht alle Spieler in Topform" befinden.

Das galt auch für Mehmet Scholl, der den am Sprunggelenk verletzten Michael Ballack ersetzte. Zwar hielt der Routinier 90 Minuten lang durch und erntete ein Lob des Trainers - doch die Meinung, Scholl habe "sehr gut gespielt", hatte Magath exklusiv. Man habe gesehen, dass der FC Bayern "Ballack ein, zwei Spiele ersetzen kann, aber nicht auf Dauer", sagte Hoeneß: "Sonst würden wir ihm ja auch nicht so viel Geld bezahlen."

Auch Roy Makaay war nach seiner Verletzungspause noch nicht wieder der Alte. Sturmpartner Claudio Pizarro verspielte weiteren Kredit und muss nicht nur wegen einer Oberschenkelprellung um seinen Einsatz am Wochenende bangen. Ein Sonderlob Magaths verdiente sich so alleine Lucio, dessen Sieges- und Einsatzwillen der Trainer als "abartig" bezeichnete, was durchaus als Kompliment gemeint war.

Ernsthafte Herausforderungen warten

Dafür, dass die Krankheit namens Selbstzufriedenheit schon in Kürze geheilt sein könnte, gibt es nach Meinung der Patienten aber gleichwohl Anzeichen. "Es ist ja nicht so, dass wir uns pausenlos in den Armen liegen und erzählen, wie lieb wir uns haben", sagte Scholl. Magath erwartet außerdem von den kommenden, starken Gegnern wie dem Hamburger SV, Schalke 04 oder Juventus Turin, dass diese sein Team zu Höchstleistungen anstacheln.

Zunächst bekommen es die Bayern am Samstag in ihrer neuen Arena aber mit Hannover 96 zu tun. Magath ist der in Wien gestellten Diagnose zum Trotz optimistisch: "Wir können mit 14 Bundesliga-Siegen in Folge einen neuen Rekord aufstellen. Das hilft uns." Mit Blick auf das beginnende Münchner Oktoberfest fügte er an: "Wir werden uns sicher nicht von Hannover in die Maß spucken lassen, sondern Festbier trinken." Am 17. Mai 2006 in Paris darf es dann gerne auch Champagner sein.

(sid)
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