Interview mit Cacau "Man muss zur Integration bereit sein"

Duisburg · Ex-Nationalspieler Cacau besucht für den DFB Flüchtlingsprojekte und arbeitet an seiner Karriere als Fußballmanager. Im Interview spricht er über Integration, Zukunftspläne und Vorteile des Fußballer-Ruhestands.

 Cacau bei einem Besuch in der Janusz Korczak Schule in Voerde.

Cacau bei einem Besuch in der Janusz Korczak Schule in Voerde.

Foto: Christoph Reichwein

Claudemir Jerônimo Barreto, genannt Cacau, sitzt in der italienischen Trattoria in Duisburg und lacht. Der 36-Jährige lacht eigentlich immer. Selbst wenn er niest. Und das macht er häufig. "Heuschnupfen", sagt er. Als DFB-Integrationsbeauftragter besucht er Projekte, wie das der Janusz-Korczak-Förderschule in Voerde. Dort gibt es seit fast zwei Jahren die Aktion "Toleranz gewinnt". Dazu zählen eine Fußball-AG wie auch gemeinsame Besuche von Bundesligaspielen. Kinder aus geflüchteten Familien, auch aus benachbarten Schulen, nehmen teil.

Sie sind seit ein paar Monaten Integrationsbeauftragter des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Was sehen Sie als Ihre Hauptaufgaben in dem Amt?

Cacau Ich möchte den Menschen mit meiner Erfahrung helfen, die ich als Einwanderer, Bundesliga-Profi und Nationalspieler in den vergangenen 17 Jahren gesammelt habe. Ich ziehe ganz bestimmt nicht als Besserwisser durch die Lande, sondern versuche, Menschen miteinander zu verbinden.

Wären Sie froh, in einer Welt zu leben, in der man keinen Integrationsbeauftragten bräuchte?

Cacau (überlegt) Gute Frage. Ich hoffe, dass wir irgendwann dahin kommen. Das Ziel muss sein, dass es selbstverständlich ist, mit unterschiedlichen Kulturen zusammenzuleben. Aber die Realität ist auch in Deutschland leider noch zu oft eine andere. Ich versuche, meinen kleinen Teil dazu beizutragen, dass wir alle miteinander und nicht übereinander sprechen.

Hätten Sie sich in Deutschland auch so selbstverständlich zurechtgefunden, wenn Sie nicht Fußballprofi geworden wären?

Cacau Ich mache kein Hehl daraus, dass der Fußball mich in eine privilegierte Situation gebracht hat. Ohne Fußball wäre es viel, viel schwieriger geworden. Wenn man einigermaßen gut spielt, wird man anerkannt und bekommt viele Chancen. Man muss aber auch bereit sein, sich anzupassen, sich an Regeln zu halten und die Sprache zu lernen. Als ich 1999 in Deutschland ankam und anfangs beim Fünftligisten Türk Gücü München spielte, kaufte ich mir sofort ein Deutschbuch und eine Lernkassette und begann zu lernen.

Was sind für Sie die größten Fehler der aktuellen Integrationspolitik?

Cacau Es geht wie in vielen Bereichen des Lebens darum, die richtige Balance zu finden. Ich finde es wichtig, aufeinander zuzugehen. Aber es muss natürlich auch Grenzen geben. Die müssen deutlich gemacht werden. Es gibt Zuwanderer, die zu viel fordern. Das finde ich nicht korrekt. Jedem muss bewusst sein, wie viel Deutschland leistet, damit Menschen sich hier wohlfühlen. Es ist nicht verboten, von den Geflüchteten schon ein bisschen Dankbarkeit und die richtige Einstellung zur Integration erwarten zu dürfen.

Empfinden Sie das nicht so?

Cacau Die überwiegende Mehrheit weiß sehr zu schätzen, was für sie gemacht wird. Einige erwarten aber noch mehr. Wenn ich in den Vereinen an der Basis unterwegs bin, versuche ich viel zuzuhören. Ich versuche aber, etwa geflüchteten Fußballern auch zu vermitteln, was für Pflichten sie haben.

Was gehört dazu?

Cacau Die deutsche Sprache zu lernen. Die Sprache ist das wichtigste Handwerkszeug in einem fremden Land. Wie gesagt, es war für mich so wichtig, ganz schnell Deutsch zu können. Weil ich mitreden wollte, weil ich mich vernünftig wehren wollte, wenn ich angegriffen worden bin. Deutschland ist ein tolles Land, es hat etwas mit Respekt zu tun, sich für die Kultur und die Werte zu interessieren - und sie zu akzeptieren. Das ist ein wichtiger Teil von Integration. Auf der anderen Seite ist es wichtig, gerade neu angekommene Menschen mit Freundlichkeit zu begegnen, vielleicht auch wenn es mit der deutschen Sprache noch etwas holpert. Ich finde, der Fußball an der Basis macht hier einen tollen Job.

Wann sind Sie selbst zum letzten Mal wegen Ihrer Hautfarbe diskriminiert worden?

Cacau Ehrlich gesagt ist mir das persönlich nie passiert. Ich begegne jedem Menschen mit einem Lächeln.

Man hat es mit der Bekanntheit von Cacau vermutlich auch leichter als eine Flüchtlingsfamilie aus Syrien.

Cacau Das ist ganz bestimmt so. Es gibt bestimmt noch viel zu tun - auf beiden Seiten. Es gibt Menschen in diesem Land, die sich Sorgen machen. Und diese Sorgen sollte man ernst nehmen. Es sind nicht alles Rechtsextreme, die ihre Besorgnis äußern. Aber Deutschland ist ein wohlhabendes Land und es gibt eben auch viele Menschen, die unsere Hilfe brauchen. Integration ist keine Selbstverständlichkeit und auch keine einfache Aufgabe.

Welche Verantwortung haben die Vereine in diesem Prozess?

Cacau Man darf Fußballvereine nicht überfordern. Aber man kann ihnen helfen, Rahmenbedingungen zu schaffen, um sie bei der Integration zu unterstützen. Es gibt bereits tausende tolle Projekte, wo ganz kleine und große Klubs sich öffnen und verschiedene Angebote für Flüchtlinge machen. Wichtigster Bestandteil: die Sprache lernen. Im Sport geht das sicher leichter als in anderen Bereichen.

Im vergangenen Sommer haben Sie Ihre Fußballkarriere nach Stationen unter anderem in Nürnberg und Stuttgart beendet. Ist es nicht ein befreiendes Gefühl, endlich so viele Nudeln essen zu können, wie man will?

Cacau (lacht) Es ist herrlich - ich esse rund um die Uhr, was ich will. Dummerweise merke ich jede Sünde auf der Waage. Du trainierst nicht mehr mit der Intensität wie früher und schnell sind ein paar Kilo mehr drauf. Aber es hält sich im Rahmen.

Was war das Erste, dass Sie nach Ihrem letzten Arbeitstag bei der Reserve des VfB Stuttgart gemacht haben?

Cacau Ich habe tief durchgeatmet. Man merkt es oft selbst nicht, aber als Profi lastet ein unfassbarer Druck auf einem. Eigentlich steht man immer unter Anspannung und muss funktionieren. Es bleibt wenig Zeit, um das normale Leben zu genießen. Ich bin dankbar dafür, was ich bisher erleben durfte. Nun beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Jetzt muss ich mich noch einmal neu erfinden. Fußball fehlt schon. Damit muss ich mich abfinden.

Sie planen den Einstieg ins Fußball-Management. Wann sehen wir Sie beim Bayern München?

Cacau (lacht) Ganz genau, ich steige gleich ganz oben ein. Ich gucke mir derzeit vieles an, versuche zu lernen und mich so breit es geht aufzustellen. In den kommenden Monaten werde ich bei ein paar europäischen Top-Vereinen im Management hospitieren. Dazu studiere ich Sportmanagement. Spannende Zeit.

Ihr Landsmann Giovanne Elber ist nach Brasilien zurückgekehrt und dort Rinderzüchter geworden. Wäre das auch etwas für Sie?

Cacau Ich mache mir über viele Dinge Gedanken. Giovanne hat mir oft von seiner neuen Aufgabe vorgeschwärmt. Es hörte sich alles sehr interessant an. Wer weiß, was noch alles passiert. Aktuell setze ich andere Prioritäten. Wir haben drei Kinder, die im Schwabenland zur Schule gehen. Deshalb planen wir, in Deutschland zu bleiben.

(RP)
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