Bundesliga-Original "Ente" Lippens - Besuch bei einer Fußball-Legende

Bottrop · Sauwohl fühlt er sich, wenn er daheim in seinem Lokal mit ein paar Gästen zusammensitzt und in Erinnerungen aus seiner Fußballer-Karriere schwelgen kann. Da gibt es viel zu erzählen, denn Willi Lippens, wegen seines Watschelgangs nur "Ente" genannt, war eines der letzten Originale der Bundesliga.

 Willi "Ente" Lippens.

Willi "Ente" Lippens.

Foto: Evers

Er bestritt zwischen 1965 und 1981 für Rot-Weiss Essen und Borussia Dortmund 242 Spiele in der höchsten Liga, erzielte dabei 92 Tore. Vor 35 Jahren machte er bei Rot-Weiß Oberhausen sein letztes Spiel, in der dritten Liga.

Berühmt wurde "Ente" Lippens vor allem durch die Umstände seines Platzverweises während eines Regionalligaspiels bei Westfalia Herne. Gelbe und Rote Karten gab es damals noch nicht. Als der Schiedsrichter ihm zurief "Herr Lippens, ich verwarne Ihnen", anwortete der Linksaußen schlagfertig: "Herr Schiedsrichter, ich danke Sie." Abgang.

Diese Episode hängt ihm noch heute an und wird ihn wohl bis ins Grab begleiten, zumal er die Erinnerung mit Bedacht wach hält. Lippens erwarb 1978 einen Gutshof mit mehreren Nebengebäuden in Bottrop, direkt an der Stadtgrenze zu Essen und nur wenige Kilometer von seiner einstigen Wirkungsstätte, dem Georg-Melches-Stadion, entfernt. Er baute das Anwesen aus zu einem Restaurant mit Gesellschaftsräumen, zehn Apartments und einem Biergarten. Auch sein Wohnhaus steht auf dem Gelände, das er "Landhaus mitten im Pott" nennt. Auf der Leuchtreklame prangt der beziehungsreiche Name: Ich danke Sie.

Natürlich wird er darauf immer wieder angesprochen. "Viele Jahre später", sagt er, "wollte ich den Schiedsrichter mal zum Bier einladen und mich bei ihm entschuldigen. Aber dann erfuhr ich, dass er bereits gestorben war." Sehr präsent ist auch noch die Erinnerung an ein Gastspiel der Münchner Bayern in Essen. Lippens machte dem Bayern-Torwart Sepp Maier den Vorschlag, dieser solle den Ball beim Abschlag ihm zuspielen, und er würde das Spielgerät dann postwendend zu ihm zurückrollen. Aber der Maier-Sepp ließ sich darauf dann doch nicht ein, weil er dem Braten nicht traute. "Schade", bedauert "Ente" noch heute, "das wäre ein Mordsspaß gewesen, und ich hätte natürlich Wort gehalten."

Als er noch in seiner Klever Heimat kickte, wo der aus Holland stammende Vater eine Gärtnerei betrieb, gab es ein Punktspiel in der Nachbarstadt Kalkar. Lippens umdribbelte mehrere gegnerische Abwehrspieler, die ihm nicht folgen konnten. Da nahm er sich die Zeit, den Ball vor dem Tor zu stoppen und diesen dann im Handstand per Kopf über die Linie zu bugsieren. "Ich wollte so gern mal ein Kopfballtor erzielen", kommentiert der einstige Fußball-Clown. Der Schiedsrichter hieß damals Jürgen W. Möllemann. Der spätere FDP-Vorsitzende pfiff zu jener Zeit Jugendspiele. Er habe kurz überlegt, ob er den Treffer nicht anerkennen und Lippens wegen unsportlichen Verhaltens verwarnen sollte, sagte er. Aber dann habe er den vor Begeisterung johlenden Zuschauern den Spaß nicht verderben wollen.

Lippens hatte eine unnachahmliche Ballführung, die allenfalls noch dem Münchner Torjäger Gerd Müller zu eigen war. Wenn er das Spielgerät erst unter Kontrolle hatte, streckte er den Allerwertesten soweit heraus, dass kein Gegenspieler, der hinter ihm stand, es ihm abnehmen konnte. So brachte er die Verteidiger zur Verzweiflung. "Mein Lieblingsverteidiger", sagt er, "war Berti Vogts. Wenn der wusste, dass er in einer Woche gegen mich spielen musste, hatte er schon Tage vorher die Hosen voll."

Er war und ist ein bodenständiger Mensch. Unterschriftsreife Verträge mit Borussia Mönchengladbach und Ajax Amsterdam hat er in letzter Minute sausen lassen. Sein Verständnis von Fußball fasst das Unikum der Liga mit diesem Satz zusammen: "Ich habe nie eine Torchance überhastet vergeben, lieber habe ich sie vertändelt."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort