Kolumne: Gegenpressing Warum das Leben jetzt wieder einen Sinn hat

Düsseldorf · Seit Freitag rollt der Fußball wieder. Und man fragt sich, wie man mehr als einen Monat ohne Bundesliga einigermaßen unbeschadet überstanden hat.

Seit Freitag hat das Leben wieder einen Sinn. Der Samstag besteht nicht mehr aus Meditationsübungen vor dem Fernsehapparat, auf dessen Bildschirm Wintersportler auf weißen Bändern durch grüne Landschaften gleiten. Wo Schlittensportler in furchtbar ungünstig geschnittenen Kunststoffpellen durch Eiskanäle brettern und vor 40 engen Familienangehörigen Brunftschreie des Glücks in den Himmel stoßen, wenn sie zwei Tausendstel Sekunden schneller waren als andere in ungünstig geschnittene Kunststoffpellen gepresste Athleten. Wo Menschen mit Gewehren auf dem Rücken aus unerfindlichen Gründen durch neblige Landschaften skaten und unterwegs immer wieder mal ein Schützenfest veranstalten, bei dem allerdings nicht einmal ein Vogel fällt.

Seit Freitag ist das alles nicht mehr wichtig. Denn es wird wieder Fußball gespielt in der Bundesliga. Endlich wieder kann die ganze Woche vom spielentscheidenden Steilpass geschwärmt, über vollkommen unfähige Schiedsrichter gezetert, jedes absurde Geheimnis über abknickende Sechser, hängende Elfer, Rauten, Neuneinhalber und aussterbende Zehner ausgetauscht werden.

Endlich können die Chancen der eigenen Mannschaft am konkreten Fallbeispiel hochgerechnet werden. Endlich sind Spielzüge wieder wichtiger als das zum fünfzehnten Mal von bedeutenden Menschen dementierte Wechselgerücht um Luuk de Jong.

Wieder mal stellt man sich verwundert die Frage, wie man diesen Monat überhaupt hat überleben können, in dem Manager sagen, dass sie den Vertrag mit ihrem Trainer am liebsten verlängern würden. In dem Trainer sagen, dass sie das auch am liebsten tun würden, aber keinen Grund dafür sehen, weil der Kontrakt ja erst in zwei Jahren endet. In denen Spieler sagen, dass sie immer ein Gladbacher, Münchner, Hannoveraner, Kölner, Hamburger oder Stuttgarter waren, dass sie Rauten oder andere geometrische Formen im Herzen haben. In dem die selben Spieler aber dann mit Tränen in den Augen ihren Wechsel nach Hamburg, Köln, Madrid oder Mailand (Hauptsache Italien) verkünden.

In dem alle sagen: Die Bayern werden Meister, und Braunschweig steigt ab. Und in dem am Ende die Verzweiflung groß genug ist, dass auf dem Bildschirm des Fernsehers statt beruhigender Bilder einer Winterlandschaft aus Schneeband und fruchtbarer Alm plötzlich ältliche Herren mit bemerkenswerter Körperfülle zu erkennen sind, die in der Halle Fußball-Leibesübungen von fragwürdigem ästhetischen Wert betreiben.

Auch das ist vorbei - zum Glück. Das Leben hat jetzt wieder einen Sinn.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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