Zwischen Krawall und Kümmern Die zwei Seiten der Ultras

Düsseldorf · Ultras dominieren die Fankurven im deutschen Fußball. Doch Ultras sind längst nicht immer gleich Ultras. Die Bandbreite ihrer Aktivitäten reicht von gewalttätigen Auseinandersetzungen bis hin zu sozialem Engagement und Aktionen gegen rechts.

 Ultras von Werder Bremen zeigen im Stadion ein Banner „Ultras gegen Rassismus“.

Ultras von Werder Bremen zeigen im Stadion ein Banner „Ultras gegen Rassismus“.

Foto: dpa/Rachel Boßmeyer

Das Phänomen der Ultras ist in Deutschland seit mittlerweile mehr als 30 Jahren bekannt. Nach italienischem Vorbild gründeten sich schon in den 80er Jahren erste Gruppen. Bis heute sind die Ultras an vielen Standorten zu dominanten Vereinigungen geworden, die in den Fankurven den Ton angeben, deren Verhaltensfokus, Strukturen und Zusammensetzung aber stark variieren – und das häufig innerhalb eines Standorts. Ultras sind daher längst nicht immer gleich Ultras.

Da wäre beispielsweise das Thema Gewalt: Fanforscher Jonas Gabler beschreibt in seinem Buch „Die Ultras“ die Einstellung der Gruppen Gewalt gegenüber als „ambivalent“. An vielen Standorten haben sich die Ultras in verschiedene Gruppen gesplitet, auch aufgrund unterschiedlicher Einstellungen diesbezüglich. Im Laufe der Jahre sind zahlreiche Vorfälle dokumentiert, in denen verfeindete Ultraszenen außerhalb des Stadions einander auflauerten und es zu gewaltätigen Aufeinandertreffen kam. Zuletzt attackierten Kölner Ultras ihre Derby-Rivalen aus Mönchengladbach am Borussia-Park und Schalker ihre Rivalen in Dortmund.

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Foto: Dirk Päffgen/Dirk Päffgen (dirk)

Gleichzeitig haben Ultragruppen in Bremen, Gelsenkirchen, München und vielen anderen Standorten dafür gesorgt, dass rechtsextreme Hooligans dort keinen Platz mehr in den Kurven haben. Für ihr antirassistisches Engagement wurde die „Schickeria“, die größte Ultragruppe des FC Bayern, 2014 vom DFB mit dem Julius-Hirsch-Preis ausgezeichnet. Heute droht der Verein wegen der Vorfälle in Hoffenheim genau dieser Gruppe mit dem Ausschluss.

Auffällig an der Entwicklung der Ultras ist, was auch die Polizei in ihrem jüngsten Jahresbericht feststellte: ein „zunehmenden Organisationsgrad“, der sich vielseitig äußert. Da sind zum einen die Choreographien, die anfänglich aus einzelnen Fahnen oder Papptafeln bestanden, und heute auch mal über 100.000 Euro kosten können. Die Komplexität dieser Aktionen belegt, das Ultras längst nicht nur hohle Schläger sind, sondern, wieso die Subkultur noch immer vor allem junge Fußballfans, häufig mit akademischen Bildungsstand, anzieht. So engagieren sich viele Gruppen für soziale Einrichtungen in den Städten, organisieren Weihnachtsmärkte, sammeln Kleider für Bedürftige oder veranstalten sogar Aktionen zur Stammzellenspende.

Ebenso gut organisiert sind aber zum anderen auch die verbotenen und immer wieder kritisierten Inszenierungen mit Pyrotechnik. Hier sorgt die Mischung aus krimineller Energie und Organisationstalent zunehmend dafür, dass die Ermittlungsbehörden nur selten die Ausführer ermitteln können. Immer häufiger versuchen sie deshalb, Umstehende und Helfer zur Verantwortung zu ziehen. Diese letztlich juristisch ausgetragenen Konflikte haben dafür gesorgt, dass die Szene mittlerweile auch an dieser Stelle professionelle Strukturen in Form von Netzwerken aus Fananwälten aufgebaut hat.

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Foto: Falk Janning

Durch die zunehmende Vernetzung – selbst unter eigentlich verfeindeten Gruppen – entstanden in den vergangenen Jahren immer wieder Proteste und Initiativen. Ultras stehen für konservative Werte im Fußball. Den Videobeweis lehnen sie genauso ab wie Investoren oder zunehmende Eventisierung des Stadionbesuchs. Sie prangern hohe Ticketpreise und Korruption an, genauso wie das Verbot von Pyrotechnik oder den Ausbau von Sicherheitstechniken in den Stadien.

(cbo)
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