Hoeneß und Tönnies diskutieren in Bonn „Das Geld ist ein Schwungrad in unserem Geschäft“

Bonn · Bayern-Präsident Uli Hoeneß, Schalkes Aufsichtsratsvorsitzender Clemens Tönnies und Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck haben auf einer Podiumsdiskussion in Bonn die gesellschaftliche Rolle des Fußballs beleuchtet. Dabei ging es auch ums Geld.

Uli Hoeneß und Clemens Tönnies bei Podiumsdiskussion in Bonn - Bilder
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Hoeneß und Tönnies diskutieren in Bonn

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Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Eine Vitrine im Bonner Haus der Geschichte erinnert an die Olympischen Spiele von München 1972. Uli Hoeneß war als Spieler der deutschen Fußballmannschaft dabei. Er ist also durchaus reif fürs Museum. Ein paar hundert Meter entfernt vom Haus der Geschichte wies Bayern Münchens Präsident am Donnerstag nach, dass er durchaus auch in der Gegenwart lebt, und dass ihm die soziale Bedeutung des Sports ebenso am Herzen liegt wie sein Klub. Das beteuert er jedenfalls. "Mir war die die soziale Verantwortung in meinem Job immer bewusst", sagte er bei einer Podiumsdiskussion, zu der die Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik (kurz Bapp) ins Universitätsforum geladen hatte.

Zum Klub und zur Meisterschaft sagte er nichts, denn er fühlte sich in erster Linie dem Thema des Abends verpflichtet. Gemeinsam mit dem Schalker Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Tönnies und Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck sollte er die gesellschaftliche Bedeutung des Fußballs beleuchten. "Sozialer Klebstoff? Die Rolle des Fußballs in Deutschland", war die Überschrift des Abends. Und noch bevor Hoeneß sich aufs Podium setzte und den Fragen des RP-Chefredakteurs Michael Bröcker stellte, erklärte er im Foyer des Bonner Universitätsforums: "Natürlich hat der Fußball die Chance, Dinge einzurenken. Vor allem im Bereich der Jugendarbeit und der Migration kann der Fußball verbinden."

Das findet Overbeck auch. "Die Gesellschaft wird vom Fußball wegen der Dynamik des Spiels zusammengehalten", erklärte der Bischof. Wie Hoeneß glaubt er, "dass es nur Sport ist, sobald das Spiel angepfiffen wird". Aber er stellte auch moralische Fragen wie diese: "Bei Ablösesummen von 80 Millionen Euro für einen Spieler sind wir bei Relationen, die nicht mehr zusammenpassen. Es ist ein Geschäftsunternehmen, in dem der Mensch eine Ware ist, wohin führt das noch?"

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Das ist Uli Hoeneß

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Foto: dpa/Matthias Balk

Zumindest nicht zurück. Das antwortete Tönnies. "Der Fußball hat sich total entwickelt, das werden wir nicht mehr zurückdrehen können", urteilte der Schalker Aufsichtsratsvorsitzende. Das Spannungsfeld, in dem sich gerade sein Verein bewegt, ist ihm dabei bewusst. "Wir haben eine große Verantwortung gegenüber unserer Mitgliedergemeinschaft", sagte er, "da sind die ganz Reichen, und es gibt ein breites Feld von sozial Schwachen. Und alle müssen entscheiden, wie weit wir gehen in der Professionalisierung, ohne die wir oben nicht mitspielen können. Das ist ein Spagat, das allen zu vermitteln."

Hoeneß hat es vor ein paar Jahren bei einer Mitgliederversammlung des FC Bayern mal sehr lautstark versucht, als ihm von Fans vorgehalten wurde, der Klub denke zu sehr an die vermeintlich besonders wichtigen Anhänger, die er in den Logen und als Sponsoren umwerbe. "Wir reißen uns doch für euch jeden Tag den Arsch auf, damit ihr für einen vernünftigen Preis ins Stadion kommt", rief Hoeneß. In Bonn erklärte er es weniger blumig, indem er auf die Preisentwicklung im Stadion in den vergangenen 40 Jahren hinwies. So lange ist er nämlich bereits führender Funktionär in München. "Als ich anfing", erklärte Hoeneß, "machten wir zwölf Millionen Euro Umsatz, und die Stehplatzkarte im Olympiastadion kostete acht Mark. Heute machen wir fast 700 Millionen Euro Umsatz, und die Stehplatzkarte kostet acht Euro. Wir haben unsere Entwicklung nicht auf dem Rücken des kleinen Mannes ausgetragen." Tatsache aber sei: Wer Erfolg wolle, der müsse (viel) Geld ausgeben.

Natürlich ist Tönnies davon ebenfalls überzeugt. "Das Geld ist ein Schwungrad in unserem Geschäft", erklärte er, "es kommt rein, und es geht wieder raus." Das hält den professionellen Fußball am Leben. Auch aberwitzige Summen wie die 222 Millionen Euro, die Paris St. Germain für den brasilianischen Nationalspieler Neymar bezahlte, gelangen letzten Endes in den Kreislauf des Profifußballs.

Die Frage aber ist, ob davon auch etwas bei den Amateuren, an der vielzitierten Basis ankommt. "Man muss", sagte Tönnies, "an eine Solidargemeinschaft denken, und vielleicht müssen wir Profiklubs mehr Geld rausrücken." Hoeneß regte an, sich innerhalb des Deutschen Fußball-Bundes, dessen Teil Amateure und Profis sind, an einen Tisch zu setzen, "weil wir aufpassen müssen im Amateurbereich. Mir macht es Sorgen, dass viele kleine Vereine keine A-Jugend mehr stellen können. Und wir müssen etwas fürs Ehrenamt tun". Was genau, konnte er allerdings nicht sagen. Tönnies sieht den DFB in einer Führungsrolle. "Das muss von oben nach unten organisiert werden", stellte er fest. Er denkt eben in Hierarchien. Aber auch in moralischen Kategorien. "Wir müssen sehen, dass wir dieses wertvolle Gut nicht verlieren", sagte er über den Amateurfußball, "das ist eines der wichtigsten Themen."

Hoeneß sah noch eines, das der Gesellschaft einen Ertrag bringen könnte: Olympische Spiele. "Das war für mich das eindrücklichste Erlebnis. Die völkerverbindende Wirkung des Sports ist doch auch in unserer Verantwortung." Und da war er der Vitrine im Haus der Geschichte schon wieder ganz nah.

(pet)
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