Hoeneß am ersten Prozesstag unter Druck "Erzählen Sie keinen vom Pferd"

München · Uli Hoeneß ist am ersten Tag seines Prozesses wegen Steuerhinterziehung unter erheblichen Druck geraten. Er gibt unter anderem zu, wesentlich mehr Steuer-Millionen hinterzogen zu haben, als angenommen.

Uli Hoeneß: "27,2 Millionen – wer bietet mehr?" – User-Stimmen
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Foto: dpa, tha kno

Am Vormittag des ersten Verhandlungstages zuckt der Angeklagte einmal heftig zusammen. "Erzählen Sie doch keinen vom Pferd", wird Uli Hoeneß von seinem Anwalt Hanns Feigen angefahren. Der Anwalt widerspricht dem Mandanten — das ist irritierend, vor allem für einen Mann wie Uli Hoeneß. Der Präsident von Bayern München hatte gerade ein bisschen Oberwasser bekommen, nun wird ihm klar: Die Sache läuft anders, als er sich das vorgestellt hatte. Am Ende des ersten Tages wirkt Hoeneß angespannt, der Kopf ist hochrot.

Der Querschläger des Anwalts war nicht die einzige Überraschung im Sitzungssaal 134 im Justizpalast nahe des Stachus in München. Nachdem die Staatsanwaltschaft Hoeneß in der Anklage vorgeworfen hatte, 3,545 Millionen Euro Steuern hinterzogen zu haben, sagte dessen Anwalt, es handele sich insgesamt um "deutlich mehr als 15 Millionen" Euro. Weil noch nicht alle relevanten Unterlagen hätten ausgewertet werden können, sei es möglich, so Feigen auf Nachfrage, dass zu den 3,545 Millionen noch 12, 15 oder 20 hinzukämen.

Unklar ist, ob diese zusätzlichen Millionen in das aktuelle Verfahren einfließen — es wirkte zunächst so, als wolle die Verteidigung deutlich machen: Hoeneß konnte im Januar 2013 zunächst gar keine strafbefreiende Selbstanzeige abgeben, da die dafür erforderlichen Unterlagen nicht in vollem Umfang von seiner Bank in der Schweiz beigebracht worden waren. Ob die am 17. Januar 2013 eingereichte Selbstanzeige wirksam ist und Hoeneß deshalb straffrei ausgeht? Die Staatsanwaltschaft zweifelt.

Zunächst entspannt, dann beunruhigt

Zu Beginn des Prozesses um 9.31 Uhr wirkte Hoeneß noch den Umständen entsprechend entspannt. Er lächelte, als er um 9.25 Uhr den Saal betrat — es erschien gezwungen. Hoeneß verlas dann eine persönliche Einlassung, er kündigte dem "Hohen Gericht" volle Aufklärung an, betonte, dass er sein Fehlverhalten "zutiefst" bedauere und versprach, "alles dafür zu tun, dass dieses für mich bedrückende Kapitel abgeschlossen werden kann". Hoeneß wirkte anschließend erleichtert - und zuversichtlich, einen guten, einen reuigen Eindruck hinterlassen zu haben.

Fast schien es, als bekomme Hoeneß nach dieser Geste der Demut wieder ein wenig Oberwasser. Dann jedoch wurde er vom Vorsitzenden Richter Rupert Heindl in die Mangel genommen - und er erweckte den Eindruck, zunehmend unsicher zu sein. Obwohl Hoeneß beinahe jede Antwort mit dem Satz begann: "Ich muss Ihnen ehrlich sagen", wurde er energisch von seinem Anwalt ermahnt, "keinen vom Pferd" zu erzählen. Hoeneß hatte behauptet, es habe für ihn "keine Rolle gespielt", vor der Abgabe der Selbstanzeige von Recherchen des Magazins Stern bezüglich seines Kontos erfahren zu haben.

Zeuge will nicht aussagen

"Eine ganz große Rolle hat das gespielt", stellte Feigen richtig. Dies unterstrich auch die Verlesung eines Vernehmungsprotokolls von einem damaligen Finanzbeamten in Altersteilzeit, der Hoeneß bei der Erstellung der Selbstanzeige beraten hatte. Der Mann weigerte sich, vor Gericht auszusagen, alle Beteiligten einigten sich jedoch darauf, dafür das Vernehmungsprotokoll verlesen zu lassen. "Absolut dringlich" sei Hoeneß wegen des Magazin-Artikels die Erstellung der Selbstanzeige erschienen, hatte der nunmehr pensionierte Beamte damals erklärt.

Die Frage nach dem Zeitpunkt der Selbstanzeige in Zusammenhang mit den Recherchen ist nicht unwichtig: Das Gericht könnte die Selbstanzeige im ungünstigen Fall für Hoeneß deswegen für unwirksam erklären. Die Anwälte des Angeklagten wiederum verwiesen auf interne Vermerke der Finanzbehörden, in denen zu erkennen gegeben wurde: Ohne die Selbstanzeige von Uli Hoeneß wäre dessen Fall aller Voraussicht nach gar nicht aufgeflogen.

Hoeneß wirkte bei seiner ersten Befragung durch Richter Heindl nicht immer aufrichtig. "Ich bin froh, dass jetzt alles transparent auf dem Tisch liegt", hatte er in seiner persönlichen Erklärung versichert. Auf mehrfache und präzise Nachfragen von Heindl vor allem zu seinen Devisen- und Spekulationsgeschäften hinterließ er aber den Eindruck, als versuche er sich herauszureden, kenne die Wahrheit nicht oder wolle nicht ganz mit ihr heraus. Zudem präsentierte sich Hoeneß als ein blauäugiger und gutgläubiger, bisweilen ahnungsloser Börsen-Zocker - eine Rolle, die ihm nicht jeder abzunehmen schien.

(sid)
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