Wutrede des Stuttgart-Trainers Trainer stehen hinter Labbadia — Kahn kritisiert

Berlin · Bruno Labbadia hat mit seiner Wutrede überraschend viel Zustimmung erfahren. Alle Trainer-Kollegen zeigten Verständnis. Nur Oliver Kahn sprach von einem Fehler.

Die berühmtesten Wutreden im deutschen Fußball
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Foto: Screenshot Youtube

Die Trainer-Gilde zeigte geschlossen Verständnis, Sportpsychologe Jens Kleinert begrüßte den emotionalen Ausbruch — nur Ex-Nationalkeeper Oliver Kahn sprach von einem Fehler: Die Wutrede von Trainer Bruno Labbadia vom Fußball-Bundesligist VfB Stuttgart schlägt im deutschen Fußball weiter hohe Wellen. Von "Hetzjagd", "Freiwild" und "Schmerzensgeld" ist die Rede.

Sämtliche Trainer aus den deutschen Profiligen erklärten sich auf ihrer Tagung in Frankfurt solidarisch mit Labbadia. "Es herrschte die einheitliche Meinung, dass Labbadias Reaktion nachvollziehbar war", sagte Lutz Hangartner, Präsident des Bundes Deutscher Fußball-Lehrer (BDFL), dem SID: "Ich habe keine einzige andere Stimme gehört." Es habe Konsenz darüber heherrscht, "dass es nicht zu akzeptieren ist, wie Trainer in den Medien angegangen werden".

Hangartner beklagte, dass der "Respekt im Umgang mit den Trainern im allgemeinen nachgelassen" habe. Das werde von allen Trainern so gesehen. "Sie fühlen sich manchmal ein bisschen als Freiwild. Man kann natürlich sagen, es gibt eine Menge Schmerzensgeld, aber so einfach ist es nicht", meinte der BDFL-Präsident.

Trainer Reiner Maurer von Zweitligist 1860 München hatte zuvor bei Sky von einer "Hetzjagd" gesprochen, denen man als Coach ausgesetzt sei. Maurer gab den TV-Experten wie Mehmet Scholl und deren kritischen Einschätzungen eine Teil-Schuld an der Entwicklung. Maurer: "Das ärgert einen natürlich schon als Trainer, denn man muss ja auch schauen, dass die Stimmung gut bleibt und auf den Umgang mit den Medien achten."

Kein Verständnis für Labbadias Auftritt zeigte indes der frühere Fußball-Nationaltorwart Oliver Kahn. Für den ehemaligen "Titan" ist es wichtig, dass ein Trainer die Ruhe behält und diese auf die Mannschaft überträgt. "Deshalb hat sich Labbadia mit der Wutrede keinen Gefallen getan. Auch nach der berühmten 'Ich habe fertig'-Rede von Trapattoni tauchte ganz zwangsläufig die Frage auf, ob ein Trainer, der sich selbst nicht im Griff hat, seine Mannschaft im Griff haben kann", schrieb Kahn.

Verständnis für den "emotionalen Ausbruch" des VfB-Coaches äußerte hingegen Stuttgarts Klub-Präsident Gerd Mäuser. Er könne das "absolut nachvollziehen" und sei "inhaltlich und in der Sache" völlig bei Labbadia, sagte Mäuser: "Allein die Wortwahl 'am Arsch geleckt', die hätte ich mir anders gewünscht."

Bei Sportpsychologe Jens Kleinert von der Sporthochschule in Köln stieß der emotionale Ausbruch auf Zustimmung. "Man kann nicht immer alles runterschlucken", sagte der Wissenschaftler dem SID. Trainer seien heutzutage in der Bundesliga einem immer größeren Druck ausgesetzt. "Es geht um immer größere Summen und um immer schnelllebigere Entscheidungen", sagte Kleinert.

Richtig sei, dass Trainer bei zu großer Belastung den Rat von Fachleuten annehmen sollten. "Leider wenden sich die Trainer unter großer Anspannung zu selten an Sportpsychologen und Berater", kritisierte Kleinert, der auch eine Begründung dafür hat: "Oft herrscht die Meinung vor: Ich war Fußball-Profi, ich kenne mich mit dem Druck in dem Geschäft aus. Doch das ist nicht selten ein Irrglaube und kann dazu führen, dass die Anspannung unaushaltbar groß wird."

Stuttgarts Trainer Labbadia war am Sonntag nach Pfiffen einiger Fans wegen der Auswechslung von Youngster Raphael Holzhauser im Spiel gegen Bayer Leverkusen (2:2) der Kragen geplatzt. "Die Trainer sind nicht die Mülleimer von allen", hatte Labbadia unter anderem gewettert und eine neue Diskussion über die Rolle seiner Zunft angestoßen.

(sid)
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