Große Enttäuschung bei deutschem Anbieter GoalControl: "Komisch, dass die Fifa uns vertraut"

Köln · Der Chef der deutschen Firma GoalControl hat mit Unverständnis auf die Entscheidung für das Hawk-Eye-System als Torlinientechnik in der Bundesliga reagiert.

Reaktionen zur Einführung der Torlinientechnik
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Foto: dpa, km pt hak

"Wir sind schockiert und bitter enttäuscht", sagte Dirk Broichhausen, Geschäftsführer der Firma GoalControl in Würselen, dem "Express". DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig habe ihm "die Begründung sachlich mitgeteilt. Verstehen können wir sie trotzdem nicht", betonte der 47-Jährige.

Am Donnerstag hatten die Vertreter der 18 Erstligisten die Einführung der Torlinientechnik beschlossen und sich dabei überraschend für das Hawk-Eye-System entschieden.

"Komisch, dass die Fifa uns vertraut, unser System bei der WM eingesetzt wurde, aber dass ausgerechnet im Land des Weltmeisters ein englisches System eingesetzt wird", kritisierte Broichhausen. "Wir haben für die Einführung gekämpft, quasi die Drecksarbeit gemacht. Andere ernten nun." Man werde sich nun um den Zuschlag bei der Frauen-WM 2015 in Kanada und um die EM 2016 in Frankreich bewerben.

Torlinientechnik: Die Systeme im Vergleich
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Foto: dpa, Daniel Karmann

Rettig, Geschäftsführer Spielbetrieb bei der Deutschen Fußball Liga (DFL), hatte beim Hawk-Eye-System, das in der Premier League zum Einsatz kommt, von Kosten von weniger als 8000 Euro pro Spiel gesprochen. Damit müssen die Vereine in einer Saison rund 135.000 Euro für die Technik bezahlen. "Wir haben einen exzellenten Preis erzielen können", sagte Rettig. Für das System GoalControl wurden zuletzt Kosten zwischen 250.000 und 500.000 Euro pro Saison genannt.

Auch wenn die 2. Bundesliga noch nicht mit im Boot sitzt, soll die Technik künftig auch in den Relegationsspielen die Torlinie überwachen. "Bei einem besonderen Charakter eines Spiels sollte sie zum Einsatz kommen", erklärte Rettig. "Wir werden die mobilen Möglichkeiten mit dem Anbieter besprechen."

Rettig kündigte zudem Verhandlungen mit dem Deutschen Fußball-Bund über einen Einsatz der Technik im DFB-Pokal an. "Wir werden uns an einen Tisch setzen und schauen, dass wir eine vernünftige Lösung hinbekommen", versprach er.

Chronologie zur Diskussion über die Torlinientechnik
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Foto: Screenshot ZDF

In der dreistündigen Sitzung in einem Frankfurter Hotel ließen sich auch einige Wackelkandidaten von den Vorzügen der Technik überzeugen. "Anders als beim ersten Anlauf kennen wir jetzt die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Das war ein Aspekt. Ich glaube auch, dass das ein erster Schritt sein kann, um den Videobeweis noch einzuführen", erklärte Klaus Allofs, Sportdirektor des VfL Wolfsburg.

Ein weiteres überzeugendes Argument der System-Befürworter war die Toleranz des Anbieters von weniger als einem Zentimeter. Der Weltverband Fifa, der die Torlinientechnik (GoalControl) bereits bei der Fußball-WM in Brasilien eingesetzt hatte, erlaubt derzeit noch eine Toleranz von 1,5 Zentimetern.

"Die Messgenauigkeit wurde anders bewertet als damals", sagte Rettig und stellte zufrieden fest: "Wir freuen uns über diese klare Entscheidung, weil wir anders als im März dieses Mal eine Empfehlung für die Einführung abgegeben haben."

Fragen und Antworten zur Abstimmung über die Torlinientechnik
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Im Frühjahr war der erste Anlauf von den 36 Profivereinen noch abgeschmettert worden. Nach dem Pokalfinale hatte Rekordmeister Bayern München erneut einen Antrag eingebracht, der nun eine breite Mehrheit fand. "Das Ganze wurde sehr professionell von der Geschäftsführung der DFL vorbereitet. Ich glaube, das hat ein Umdenken bewirkt. Damals bei der ersten Abstimmung war das mit den Kosten nicht so konkret", sagte Bayern-Präsident Karl Hopfner.

Gegen die Torlinientechnologie stimmten wohl nur noch Eintracht Frankfurt, der FC Augsburg und Aufsteiger SC Paderborn. "Das ist Unfug, weil es zu kurz gedacht ist. Ich bin ein Befürworter des Video-Beweises", sagte der neue Augsburger Clubchef Klaus Hofmann.
"Es ist ein klares Votum der Bundesliga. Und diesem Votum hat man sich zu beugen", meinte indes Eintracht-Vorstandschef Heribert Bruchhagen.

Der Eintracht-Boss war von Beginn an gegen die Technik-Revolution und konnte sich einen Seitenhieb nicht verkneifen: "Es wird dadurch sicher keine entscheidenden Veränderungen im Fußball geben. Wenn wir bei der Eintracht vor zehn Jahren die Torlinientechnologie eingeführt hätten, hätten wir sie zehn Jahre lang gehabt - ohne sie einmal zu nutzen."

(dpa)
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