Kolumne Gegenpressing Schock die Fußballfans - lies ein Buch!

Meinung | Düsseldorf · Freiburgs Stürmer Nils Petersen verrät, er verblöde als Fußballprofi. Ist das nun eine sensationelle Enthüllung über die Branche? Nein, eigentlich ist es nur ein Eigentor des 28-Jährigen.

Freiburg-Stürmer Nils Petersen.

Freiburg-Stürmer Nils Petersen.

Foto: dpa, pse nic

Eine große deutsche Boulevard-Zeitung wirbt mit dem Spruch, jede Wahrheit brauche einen Mutigen, der sie ausspricht. Eigentlich braucht es für uns Medien heute aber vor allem jeden Tag einen, der hofft, sich als Absender einer sensationellen Wahrheit platzieren zu können. Mit Mut hat das zwar nichts zu tun, aber es verkauft sich eben. Nils Petersen fiel gestern der Titel "Wahrheitsverkünder des Tages" zu. Der Freiburger Stürmer verriet dem "Focus" schier Unglaubliches: "Die Fußballbranche ist oberflächlich, und wir Fußballer sind nicht so belesen." Ja, er enthüllte sogar noch mehr: "Salopp gesprochen, verblöde ich seit zehn Jahren, halte mich aber über Wasser, weil ich ganz gut kicken kann."

Donnerwetter, mag man nun sagen. Da ist doch mal ein wahres Wort gesprochen. Und hatten wir es nicht immer geahnt, dass unsere kickenden Lieblinge nicht gerade geistige Überflieger sind? Ja, ist ein gewisser Intellekt nicht seit jeher eher hinderlich, wenn man zu den ganz Großen im Fußball zählen will? Weil der Geist ja das Gefühl stört, und Gefühl so wichtig ist, wenn ein Stürmer wissen soll, wo er stehen muss. Wenn einer einfach mal abzieht, ohne nachzudenken. Wenn einer im Eins gegen Eins intuitiv das Richtige tut. Wäre Lukas Podolski auch Deutschlands Liebling gewesen, wenn er vor den TV-Kameras erzählt hätte, er sei Abonnent des Philosophie-Magazins?

Allein, wenn es in den Aussagen von Petersen um eine Wahrheit geht, dann ist es eine sehr traurige. Denn sie betrifft allein den 28-Jährigen. Man kann schon fast Mitleid mit ihm bekommen, wenn er sagt: "Ich habe nichts gelernt, keine Ausbildung gemacht, die anderen Leute können wahrscheinlich viel mehr als ich. Manchmal schäme ich mich, weil ich so wenig Wissen von der Welt besitze." Aus tiefstem Herzen wünscht man Petersen einen guten Freund, der ihm sagt: "Nils, verzage nicht. Dagegen kannst du etwas tun." Vor allem an Tagen, wo du schon nach dem Vormittagstraining frei hast. Es gibt Buchhandlungen, da kannst du Wissen in gedruckter Form kaufen. Oder dieses Internet, in dem man ganz viel nachschauen kann. Es gibt auch im Breisgau Theater, Volkshochschulen, Abendschulen, Weiterbildungseinrichtungen. Im Fernsehen gibt es Kanäle, die nur Dokumentationen zeigen. Die liegen in der Senderliste bestimmt irgendwo hinter Sky und Eurosport. Du musst nur wollen.

Schließlich noch eine bittere Wahrheit für Nils Petersen: Es gibt heutzutage viele Profis, die viel Sinnvolles mit ihrer vielen Freizeit anzufangen wissen. Sogar Intellektuelles. Manche studieren parallel, manche engagieren sich karitativ, und viele schaffen es bestimmt auch, im Freundeskreis über etwas anderes als Fußball zu reden, obwohl viele Freunde mit dem berühmten Fußballprofi nur über Fußball reden wollen.

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(klü)
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