Familiäre Gründe Schmadtke kehrt Hannover den Rücken
Hannover · Jörg Schmadtke ist der Baumeister des Erfolges von Hannover 96. Der knurrige Sportdirektor hat mit wenig Geld und viel Kompetenz einen Kader gebastelt, der für Furore sorgt. Jetzt will er Hannover verlassen.
Sportdirektor Jörg Schmadtke hat Hannover 96 von einem Abstiegskandidaten zu einem Klub mit internationalem Anspruch geformt — doch jetzt bereitet der Baumeister des Erfolgs seinen Abschied vor. "Ich habe um Auflösung meines Vertrages gebeten", sagte Schmadtke dem SID und bestätigte damit einen Bericht der "Bild"-Zeitung, "der Grund dafür ist meine familiäre Situation." Schmadtkes Familie lebt in Düsseldorf. Der Aufwand, beides geregelt zu bekommen, sei zu groß. Zudem war der frühere Torhüter wohl zermürbt von den Machtkämpfen mit Trainer Mirko Slomka.
Zuletzt hatte es immer wieder Gerüchte über einen Wechsel zum Ligakonkurrenten 1. FC Köln gegeben. Allerdings versicherte Schmadtke erneut, mit "noch keinem anderen Verein" gesprochen zu haben. Dennoch ist Schmadtke fest entschlossen, die Niedersachsen trotz eines unbefristeten Vertrages nach dreieinhalb Jahren am Saisonende zu verlassen.
Klubboss Kind "will kämpfen"
96-Präsident Martin Kind hofft derweil, seinen erfolgreichen Kadertüftler noch irgendwie umstimmen zu können. Der Unternehmer und Zahlen-Fetischist schätzt Schmadtkes Fähigkeiten, trotz eines konsequenten Sparkurses der Mannschaft ein erfolgsreiches Gesicht zu geben. "Ich will die Zusammenarbeit retten", sagte Kind, "ich werde kämpfen. Aber ich bin auch Realist. Ich gebe zu, es wird nicht einfach."
Denn die Gräben zwischen Schmadtke und seinem Trainer sind anscheinend nicht mehr zuzuschütten. Während seiner Amtszeit in Hannover ist es zwischen dem Sportdirektor und Slomka immer wieder zu atmosphärischen Störungen gekommen. Zwar kam es nie zu einem offenen Zerwürfnis zwischen den beiden sportlichen Alphatieren, doch von einem harmonischen Miteinander konnte auch nie die Rede sein. Über eine Zweckgemeinschaft kam das Duo nie heraus, die jüngsten Erfolge übertünchten ihr problematisches Verhältnis.
Zuletzt soll es bei Transferfragen und der Verpflichtung eines Fitnesstrainers wieder zu größeren Meinungsverschiedenheiten gekommen sein. Darüber sprechen will Schmadtke nicht. Kind zeigte sich enttäuscht über Schmadtkes Schritt. "Ich kann auch nicht jedes Mal meinen Job zur Verfügung stellen, wenn ich mich ärgere", sagte er. Kind muss nun entscheiden, ob und wann er dem Begehren seines Sportdirektors zustimmt.
Mit dem ehemaligen Torhüter, der zwischen 1985 und 1997 insgesamt 375 Ligaspiele für Fortuna Düsseldorf und den SC Freiburg absolvierte, verliert Hannover wohl sein "Mastermind" für die so wichtige Kaderplanung. "Ich habe Spaß daran, Mannschaften zusammenzustellen, zu modellieren, zu verändern", sagte Schmadtke einmal über seine Arbeit, "der Reiz liegt für mich darin, immer wieder Spieler zu finden, die bezahlbar sind und dem Klub eine Zukunftsperspektive eröffnen."
Diese kluge Transferpolitik hat Schmadtke in Hannover fast zur Kunstform erhoben. Mit den Verpflichtungen von Ron-Robert Zieler, Mame Diouf, Lars Stindl, Didier Ya Konan oder Manuel Schmiedebach steigerte der 48-Jährige nicht nur nachhaltig die Qualität des Kaders, sondern auch dessen Wert um mehr als 30 Millionen Euro.
Unter Schmadtke hat sich Hannover vom Image der grauen Maus etwas entfernt. Platz vier in der vergangenen Bundesliga-Saison, Viertelfinale in der Europa League - und in der Liga ist 96 in dieser Saison auch wieder oben mit dabei. "Die Wahrnehmung von 96 ist sowohl national als auch international größer geworden. Wir werden ernst genommen", sagte Schmadtke über die Entwicklung in den vergangenen Jahren, "das haben wir uns hart erarbeitet." Jetzt hat er anscheinend keine Lust mehr, sein Werk fortzusetzen.