Schlechte Quote, lahme Spiele Das 15.30-Uhr-Problem der Bundesliga

Analyse | Düsseldorf · Die frühere Kernanstoßzeit am Samstag um 15.30 Uhr wurde in der Fußball-Bundesliga immer weiter entwertet, das belegt die Statistik deutlich. Fans kritisieren den eingeschlagenen Weg und auch die Macher der ARD-Sportschau fordern einen Kurswechsel.

 Spielten nur selten zur Kernanstoßzeit: Borussia Dortmund und Borussia Mönchengladbach.

Spielten nur selten zur Kernanstoßzeit: Borussia Dortmund und Borussia Mönchengladbach.

Foto: dpa/Bernd Thissen

Es ist noch gar nicht so lange her, da herrschte in Deutschland wieder so etwas wie Lagerfeuerstimmung vor den Fernsehbildschirmen. In der Hochphase der Corona-Pandemie gab es für viele Menschen einen Pflichttermin: Samstag, 18 Uhr, Sportschau. Man hatte ja nichts, könnte man sagen. Und doch war das Interesse an der Fußball-Bundesliga groß, als die ersten Zusammenfassungen der Kernanstoßzeit um 15.30 Uhr im frei empfangbaren Fernsehen ausgestrahlt wurden. Jeder wollte sehen, wie der FC Bayern und Borussia Dortmund einen vermeintlichen Meisterkampf, oder der FC Schalke und Werder Bremen den Abstiegskampf, ausfochten. Ein Jahr später ist davon deutlich weniger übrig geblieben. Axel Balkausky, Sportkoordinator der ARD, verkündete kurz nach Saisonende schwache Zahlen. Rund 950.000 Menschen weniger hätten im Schnitt die Sportschau am Samstagabend gesehen als in der Vorsaison.

Gründe dafür mag es einige geben: generell weniger TV-Zuschauer als noch in den Shutdown-Zeiten oder andere, wichtigere Themen auf der Welt. Auch bot die Bundesliga weniger Spannung. Doch das größte Problem dürfte gewesen sein, dass die frühere Kernanstoßzeit Samstag, 15.30 Uhr immer weiter entwertet wurde. An über einem Viertel aller Spieltage gab es gerade einmal vier Begegnungen und am 26. Spieltag sogar nur drei. Hinzu kommen nach einer Datenauswertung der Rheinischen Post die Spielansetzungen generell.

Von den neun Vereinen mit dem geringsten Zuschauerschnitt in den Stadien spielten acht am häufigsten zur Kernanstoßzeit. Unangefochtener Spitzenreiter: der SC Freiburg mit 26 Partien an einem Samstagnachmittag (in der Saison 2020/2021 noch 20), gefolgt von der TSG Hoffenheim und dem VfL Wolfsburg (je 23 Mal/ in der Vorsaison 15 bzw. 16). Spitzenvereine, die Zuschauer ins Stadion und vor den Fernseher locken, durften nicht einmal die Hälfte aller Spieltage am Samstagnachmittag austragen. Borussia Mönchengladbach und der FC Bayern spielten nur 13 Mal (Vorsaison je 15), der BVB und der 1. FC Köln nur 14 Mal (Vorsaison 17 bzw. 18). Immerhin: Gladbach, Dortmund und München bestritten jeweils acht Topspiele am Samstagabend um 18.30 Uhr. Allerdings mussten die Fohlen auch sieben Mal an einem Sonntag antreten, zudem einmal am Montag. Unangefochtener Spitzenreiter bei den Sonntagsspielen: Eintracht Frankfurt, die durch ihre erfolgreiche Europa-League-Saison eine Art Sonntagsabo mit 14 Partien hatten. Seltsam wirkt hingegen, dass der 1. FC Köln, der nicht international spielte, auch auf zehn Sonntagsspiele kommt. Zudem gab es einen Spieltag unter der Woche.

Diese Entwicklung der Spieltagszerstückelung kritisieren die Fans schon lange. „Sie ist der Ausdruck einer fortschreitenden Kommerzialisierung schlechthin“, sagte Markus Sotirianos von der Interessenvertretung Unsere Kurve der Rheinischen Post. „Der Kernspieltag symbolisiert einen wesentlichen Wert des Fußballs, den wir schützen wollen. Es soll immer vorrangig um das Spiel, den Sport gehen. Fester Bestandteil hiervon sind die Menschen in den Stadien – das hat man bei den Geisterspielen sehr deutlich gesehen. Nur in dieser Kombination funktioniert Fußball als Publikumssport. Deswegen sind alle Verantwortlichen gut beraten, nicht immer der vermeintlichen Gewinnmaximierung hinterherzurennen, sondern vor allem darauf zu blicken, wie Fußball langfristig und nachhaltig attraktiv bleibt. Die Kernanstoßzeit am Samstag um 15.30 Uhr ist ein wesentlicher Teil davon.“

Dass das Rad überdreht wurde, hat man inzwischen wohl auch bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL) festgestellt. Vor einigen Wochen wurde berichtet, dass man künftig wieder mehr Fußball im Free-TV zeigen wolle. Konkrete Pläne dafür gäbe es zwar nicht, aber die Rechtevergabe könnte in Zukunft noch einmal überdacht werden. Aktuell dürfen Sky und der Streaming-Anbieter Dazn an bis zu sechs verschiedenen Anstoßzeiten Spiele übertragen. Die Pickrechte für die Partien haben sie sich im TV-Vertrag zusichern lassen, wenngleich auch die Polizei und andere Stellen bei den genauen Ansetzungen mitsprechen.

Die Sportschau hingegen, die die Erstverwertung der Zusammenfassung am Samstagabend hat, hat kaum Mitspracherechte, weshalb sie auch kaum entgegenwirken kann, um die Attraktivität zu steigern, wie Balkausky der Rheinischen Post sagte. Man versuche, in Gesprächen mit der DFL auf „verschiedene aus unserer Sicht problematische Themen hinzuweisen und diese im Sinne der Bundesliga-Sportschau zu verbessern“.

Dass es was bringt, bezweifelt Sig Zelt von der Fan-Interessenvertretung Pro Fans gegenüber der RP. „Man muss leider konstatieren, dass es der DFL und auch dem DFB herzlich wenig wert ist, dass alle zur selben Zeit spielen“, sagte er. „Wir denken, es macht den Wettbewerb interessanter, wenn alle zur selben Zeit spielen und wenn nach jedem Spiel die Tabelle aktuell ist und nicht mehr unter dem Vorbehalt der noch ausstehenden Spiele gelesen werden muss. Wir verstehen es nicht und wir haben auch nichts davon, dass der Fußball durch die Spieltagszersplitterung die Attraktivität des Wettbewerbs mutwillig beschädigt, mit dem Ziel, so mehr Geld von den TV-Sendern einzunehmen.“

In die gleiche Kerbe schlägt auch Sotirianos: „Die DFL muss bei der nächsten Rechte-Vergabe eben genau so ein Paket zum Angebot machen und bei den aktuellen Ansetzungen auf eine gleichmäßigere Verteilung achten. Unsere Position ist ganz klar: So wenig Spieltagszerstückelung wie möglich.“

Ab der Saison 2025/26 werden die TV-Rechte neu vergeben. Bis dahin hat Balkausky einen Wunsch, der natürlich auch das Interesse an der Sportschau wieder steigern würde: „Das Ziel sollte sein, den Kernspieltag dadurch zu stärken, dass wieder mehr sportlich wichtige, entscheidende oder besonders brisante Partien auch am Samstag um 15.30 Uhr stattfinden.“

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