PR-Jubel und Maskottchen-Ärger Eine Liga ergibt sich dem Kommerz

Gelsenkirchen · PR-Maskenjubel und vermeintlicher Maskottchen-Eklat: Im Revierderby zwischen Schalke und Dortmund wird klar, wie die Fußball-Bundesliga tickt: Alles ist erwünscht, was Geld bringt. Alles ist verpönt, was den Geldregen gefährdet.

Pierre-Emerick Aubameyang jubelt mit Nike-Maske
11 Bilder

Aubameyang jubelt mit Nike-Maske

11 Bilder
Foto: dpa, bt lof

Emotionen. Dieses Wort wird gerne in Verbindung mit Fußballspielen verwendet. Von allen Seiten. Fans sehen sich als Hüter der Emotion. Spieler sprechen vor großen Spielen darüber, leben sie dann mitunter auch mal vor. Vereine und Verbände benutzen dieses Wort vor allem, um ihr Produkt zu verkaufen. Das Derby zwischen Schalke und Dortmund (1:1) bot in dieser Hinsicht reichlich Anschauungsmaterial. Dabei wird mal wieder deutlich: Das Kriterium, das über allem steht, ist das Geld.

Ein besonders deutliches Signal für diese Entwicklung sendete Pierre-Emerick Aubameyang. Der Angreifer küsste mit seinem Führungstreffer (53.) ein bis dahin eher langweiliges 150. Pflichtspiel-Revierderby wach. Anschließend nutzte der extrovertierte Gabuner die Aufmerksamkeit beim Torjubel und zog sich eine Maske über. Im Normalfall wäre nun die überflüssige Diskussion geführt worden, ob der Torjäger damit das Schalker Publikum über die Maßen provoziert hat. Und Dortmunds Trainer Thomas Tuchel verteidigte Aubameyang sodann auch gegen den abwegigen Vorwurf der Arroganz. Zu diesem Zeitpunkt wusste Tuchel aber noch nicht, dass der 27Jährige die Maske nur überstreifte, um sich persönlich zu bereichern. Es war eine PR-Aktion für Aubameyangs Sponsor Nike. Er wies damit auf ein Video hin, in dem er mit dieser Maske einen neuen Schuh bewirbt.

FC Schalke 04: "Die vielleicht beste Aktion eines Maskottchens" – Pressestimmen
12 Bilder

26. Spieltag: Pressestimmen

12 Bilder
Foto: dpa, bt pat

Deshalb gibt es nun Ärger von Arbeitgeber Borussia. Nicht aber, weil der Stürmer den Jubel für einen Werbegag missbrauchte und damit dem einen oder anderen BVB-Fan vor den Kopf stieß. Nein, vielmehr weil Borussia von Nike-Konkurrent Puma ausgestattet wird. In dieser Beziehung droht dem Fußball-Wirtschaftsunternehmen also Ungemach. "Wenn der Mitbewerber sonst keine Aufmerksamkeit erregen kann, muss er es eben so machen", sagte BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und machte die Stoßrichtung der anstehenden Aubameyang-Rüge klar.

Wie groß die Rüge für Schalkes Maskottchen Erwin ausfallen wird, ist hingegen noch unklar. Holger Becker, der in Erwins Kostüm steckt, hatte sich nach Spielende einen Scherz erlaubt und dem Unparteiischen Felix Zwayer nach einem nicht gegebenen Handelfmeter in der Nachspielzeit eine Rote Karte unter die Nase gehalten. "Das Maskottchen stellt den Schiedsrichter vor allen Zuschauern bloß. Das geht gar nicht, da muss der Verein Konsequenzen ziehen", sagte der frühere Bundesliga-Referee Thorsten Kinhöfer als "Bild"-Experte und forderte einen Innenraum-Ausschluss für Becker. Das sei "eine Sache für den Kontrollausschuss", meinte Sky-Experte Peter Gagelmann. Der Kontrollausschuss-Vorsitzende Dr. Anton Nachreiner erklärte dann gestern: "Wir überprüfen die Angelegenheit Anfang der Woche." Eine Farce.

Solche Szenen füllten in den 1990er Jahren ganze Jahresrückblicke. Es wurde gelacht, es wurde als Salz in der Suppe Bundesliga angesehen, es wurde weitergemacht. Heute - so die Meinung der angstgesteuerten Experten und Gesetzeshüter - ist kein Platz mehr für diese emotionale Spontaneität im glatt gebügelten Bundesliga-Geschäft. Überall wittern sie Gefahren, die bei Nichtahndung in Zukunft bestimmt zu einer Eskalation führen werden. Oder noch schlimmer: Die dem von Verbänden minutiös durchgetakteten Spielfilm Profifußball einen unerwarteten Dreh geben. Bitte bloß keine Überraschungen. Emotionen bitte nur auf Knopfdruck und an der richtigen Stelle. Es könnte ja sonst der Vermarktung schaden.

Vorausgegangen war dem Schauspiel zwischen Erwin und Zwayer das Handspiel von Dortmunds Marc Bartra im eigenen Strafraum (90.+2). Schalke fühlte sich betrogen. "Ich glaube, diese Szene hätte mit Videobeweis zum Elfmeter geführt", sagte Schalkes Sportvorstand Christian Heidel.

Der Videoassistent wird allerdings erst zur kommenden Bundesliga-Saison eingeführt. Um für noch mehr Professionalität in Deutschlands Eliteklasse zu sorgen. Denn wie heißt es nach Fehlentscheidungen so häufig: Das können wir uns nicht erlauben, im Fußball geht es schließlich um einige Millionen Euro. Und da sind Emotionen eben nur noch Mittel zum Zweck.

(erer)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort