Sprungbrett nach Europa Warum viele Bundesligisten auf junge Spieler setzen

Analyse | Düsseldorf · Zahlreiche Klubs haben sich einen Umbruch verordnet – aus sportlichen und finanziellen Gründen. Die Bundesliga ist schon länger ein Sprungbrett für Talente, um sich vor allem für Vereine in England, Spanien und Italien zu empfehlen.

 Stuttgarts Vorstandsvorsitzender Thomas Hitzlsperger.

Stuttgarts Vorstandsvorsitzender Thomas Hitzlsperger.

Foto: dpa/Tom Weller

Es ist die Zeit der großen und kleinen Analysen. Die Intensität der Aufarbeitung orientiert sich in der Regel am Tabellenplatz: Sind die Saisonziele erreicht worden? Wenn die Diskrepanz zwischen Wunsch und Realität zu weit auseinanderklafft, kündigen die Klubs gerne Umbrüche an. Irgendwas muss man ja tun. Und in Zeiten knapper Kassen entdecken immer mehr Vereine Nachwuchsspieler als Arbeitskräfte. „Die gestandenen Topspieler werden wir uns in den nächsten Jahren nicht leisten können. So offen müssen wir sein. Wir müssen auf die jungen Spieler setzen, die aus der Knappenschmiede hervorgehen, aber auch auf jüngere Spieler, die wir dann zum Verein dazuholen“, sagte Schalkes Sportvorstand im „Doppelpass“ von Sport1. „Wie einen Suat Serdar, der vor zwei Jahren kam, oder letzte Saison ein Ozan Kabak, Weston McKennie, der durch die Jugend ging – das sind die Spieler, auf die wir in der Zukunft setzen wollen und setzen müssen.“

Daniel Thioune ist neuer Hoffnungsträger beim Hamburger SV. Der Trainer wurde verpflichtet, weil er offenbar perfekt ins neue Profil der Hanseaten passt. Der Klub will künftig vor allem auf junge Spieler setzen. Rahmenbedingungen, die Thioune schon aus Osnabrück kennt. Neu ist die Strategie nicht. Durch die Corona-Pandemie hat sich die Notwendigkeit an einigen Standorten dramatisch verändert. In Deutschland gibt es durch die Nachwuchsleistungszentren eine Vielzahl von Talenten.

Schon länger ist die Bundesliga in Teilen zu einer Ausbildungsliga geworden. Sie kommen als Talente nach Deutschland, versuchen die Bühne für sich zu nutzen, machen sich in Europa einen Namen und wechseln dann zu den großen Klubs nach Italien, Spanien oder England. Für beide Seiten zahlt sich das aus. Die Investitionen sind für die deutschen Klubs vergleichsweise überschaubar. In der Regel bekommen junge Spieler heutzutage Verträge zwischen vier oder fünf Jahren, die maximal zulässige Vertragslaufzeit.

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Der Plan ist dann recht simpel: In den ersten drei Jahren geht es darum, eine maximale Steigerung des Marktwertes hinzubekommen. Setzt sich ein Spieler nicht gleich durch, wird er zunächst ausgeliehen, mit der Hoffnung, dass er woanders Spielpraxis sammeln kann. Nach drei Jahren wird dann ein Strich unter die Rechnung gemacht. Wenn der Spieler bereit ist, seinen Vertrag vorzeitig zu verlängern, geht es weiter. Gelingt dies nicht, sind beide Seiten erpicht, sich nach einem neuen Betätigungsfeld umzusehen. Was unter allen Umständen vermieden werden soll, dass ein Arbeitnehmer ablösefrei den Verein wechselt. Auf Schalke ist das in den vergangenen Jahren immer wieder passiert, zuletzt wechselte Torwart Alexander Nübel ohne Transfererlös zum FC Bayern München.

Tatsächlich ist der Anteil von jungen Spielern in der Liga noch recht überschaubar. In der abgelaufenen Saison lag der Altersdurchschnitt bei 25,8 Jahren, zwei Jahre zuvor waren es 23,5. Der FC Schalke hat übrigens in der vergangenen Saison bereits die jüngst Startelf mit im Durchschnitt 22,8 Jahren aufs Feld geschickt. Bei der ältesten Startelf liegen gleich ein paar Klubs ziemlich dicht beieinander. Union Berlin führt das Feld mit 29,5 an, der FC Augsburg, Hertha BSC (29,1) und Fortuna Düsseldorf (29,0) folgen – immer bezogen auf die Startelf an einem Spieltag.

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Foto: dpa/Lars Moeller

Auch Bundesliga-Aufsteiger VfB Stuttgart will unter dem Vorstandsvorsitzenden Thomas Hitzlsperger weiter konsequent viele Nachwuchsspieler im Kader einbauen. Sven Mislintat ist der Mann fürs operative Geschäft. Der ehemalige BVB-Chefscout will mit dem VfB Stuttgart einen ähnlichen Weg einschlagen, wie damals in der Ära Jürgen Klopp. „Der VfB hat mich auch ausgewählt, um mit einer ähnlichen Philosophie unsere eigenen Ziele zu erreichen“, sagt Mislintat im Interview mit den „Stuttgarter Nachrichten“. „Mut zu haben, jungen Talenten eine Plattform zu geben, sie weiter zu entwickeln und an sie zu glauben.“

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