Fan-Initiative "50+1 bleibt!" "Es lohnt sich, sich einzumischen"

Frankfurt am Main · Manuel Gaber hat als Sprecher einer Fan-Initiative für den Erhalt der 50+1-Regel im deutschen Profifußball gekämpft. Am Donnerstag haben die Profiklubs überraschend genau dies beschlossen. Wir haben mit Gaber über die Entscheidung und die Beweggründe der Initiative gesprochen.

Fans von Hannover 96 protestieren gegen Martin Kind
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Hannover-Fans protestieren gegen Martin Kind

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Foto: dpa, pst pat

Am Donnerstag haben Vereinsvertreter in Frankfurt entschieden, dass die 50+1-Regel unverändert bestehen bleibt. Ein Erfolg Ihrer Initiative?

Manuel Gaber Ja, auf ganzer Linie. Wir haben Präsident Reinhard Rauball vor der Sitzung nochmal verdeutlicht, dass die Fanbasis den Erhalt von 50+1 fordert. Die Vereine haben dieser klaren Forderung heute Rechnung getragen und sich richtig entschieden. Das ist nicht nur eine elementare Entscheidung für den deutschen Fußball, sondern auch eine klare Botschaft an alle Fans, dass es sich lohnt sich einzumischen, die Stimme zu erheben und klare Positionen zu vertreten.

Wer bildet denn diese Fanbasis?

Gaber Zunächst gab es eine kleine Gruppe aus Hannover, Freiburg, Köln und Dortmund. Wir haben zusammen eine Erklärung verfasst, sind damit unter dem Titel "50+1 bleibt!" an die Öffentlichkeit gegangen und haben Unterstützer gesucht. Wir wollten ein klares Zeichen setzen, dass die Fans hinter dieser Regelung stehen. Das ist uns gelungen, bis heute haben über 3000 Fanclubs und Organisationen aus nahezu allen Vereinen und Ligen des Landes die Erklärung unterzeichnet. Das zeigt auch, dass das Thema nicht nur Ultras oder aktive Fans betrifft, sondern wirklich die breite Fanbasis.

Wie war die Stimmung unter den Vereinsvertretern vor Beginn der Sitzung?

Gaber Das kann ich gar nicht sagen. Wir durften nicht im Saal dabei sein, als die Vertreter kamen. Aber wir haben im Vorfeld auf jeden Platz eine Mappe mit unserer Erklärung und der Unterschriftenliste auslegen lassen.

Die Vorstände von Schalke 04 oder auch Bayern München hatten im Vorfeld für eine Modifizierung der Regelung plädiert. Wieso haben sich Ihre Forderungen letztlich doch durchgesetzt?

Gaber Letztlich hat jeder Verein das gleiche Stimmrecht. Das Stimmungsbild war im Vorfeld sehr unterschiedlich. Bis vor zwei Wochen waren vor allem die Gegner der jetzigen Regelung in der Öffentlichkeit. Aber in den letzten Tagen haben sich extrem viele Vereine wie Duisburg, Bielefeld, St. Pauli, Freiburg oder Dortmund für 50+1 ausgesprochen. Es war klar, dass es eine enge Entscheidung werden würde. Umso wichtiger war, dass wir Fans eine klare Botschaft gesendet haben.

Vereine wie Hamburg, Bochum oder Köln haben ihre Mitglieder befragt, ob ihr Verein ausgelagert und Anteile verkauft werden dürfen – ein Großteil der Fans hat diesen Plänen zugestimmt. Sprechen Sie wirklich für die Mehrheit der Fans?

Gaber Zunächst ist wichtig, dass eine solche Entscheidung überhaupt von der Mitgliederversammlung getroffen werden konnte. Fällt die 50+1-Regel, müssen die Vereine nicht mehr die Mehrheit an den Anteilen halten und eine Mitgliederversammlung wäre bei einem kompletten Verkauf der Anteile an einen Investor de facto machtlos. Deshalb muss man auch trennen: Diese Entscheidungen waren keine Wahlen darüber, wie die Mitglieder zu 50+1 stehen, sondern nur, ob Investoren gewisse Anteile kaufen können, ohne dass der Verein die Mehrheit verliert oder sogar komplett verkauft wird.

Dennoch entsteht der Eindruck: Vielen Fans ist sportlicher Erfolg wichtiger als Mitbestimmung.

Gaber Unsere Rückmeldungen sprechen da eine andere Sprache. Klar, sportlicher Erfolg ist wichtig. Aber es gibt genug Fans, die diesen Erfolg nicht um jeden Preis wollen. Die stört es, dass der Sport immer mehr in den Hintergrund rückt und wirtschaftliche Interessen entscheiden.

Aber die Bundesliga fällt im Wettbewerb mit anderen Ligen aktuell zurück. Gefährdet der Bestand der 50+1-Regel nicht den sportlichen Erfolg?

Gaber Der Einstieg eines Investors beim HSV zeigt ja, dass mehr Geld nicht automatisch sportlichen Erfolg bedeutet. Gleichzeitig beweisen Vereine wie Real Madrid oder der FC Barcelona, dass man auch ohne einen einzelnen Geldgeber extrem viel Geld umsetzen und Titel holen kann.

Von Fanseite wurde 50+1 im Vorfeld als "nicht verhandelbar" bezeichnet. Eine sehr radikale Herangehensweise.

Gaber Das finde ich nicht. Diese Regelung ist für uns etwas Grundlegendes. Es geht darum, dass einzelne Menschen die Macht in unseren Vereinen übernehmen wollen. Das ist für viele Fans eben nicht hinnehmbar. Deshalb war eine Modifizierung oder ein kompletter Wegfall der Regel für uns eben nicht verhandelbar.

Aber ist 50+1 durch Ausnahmeregeln für Klubs wie Leipzig oder Hoffenheim nicht längst wirkungslos?

Gaber Natürlich werden diese Fälle kontrovers und kritisch diskutiert. RB Leipzig hätte diese Genehmigung von der DFL aber nicht bekommen, deshalb sind sie den Umweg über die unteren Ligen gegangen und haben es so mit Hilfe des Deutschen Fußball-Bunds letztlich in die Bundesliga geschafft. Der Fall Hannover 96 und Martin Kind ist ein anderes Beispiel. Nur wegen der klaren Vorschriften durch die 50+1-Regel hat Herr Kind bislang keine Genehmigung für eine Übernahme des Vereins bekommen.

Jener Martin Kind droht seit Jahren, gegen die Regel vor dem Europäischen Gerichtshof zu klagen. Ist diese Gefahr jetzt noch größer geworden?

Gaber Wir halten seine Erfolgsaussichten mit einer solchen Klage längst nicht für so erfolgsversprechend, wie mancher Gegner von 50+1. Es gibt immer noch die Verbandsautonomie, mit der kann die Regel geschützt werden.

Das Gespräch führte Clemens Boisserée

(cbo)
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