"Was dich nicht umbringt, macht dich härter" Jermaine Jones — der Bad-Boy aus Bonames

Hamburg · Auf seinen Armen und seinem Oberkörper muss man suchen, um noch ein freies Stück Haut zu finden. Seine Unterarme zieren die Namen und Bilder seiner Kinder, den Oberkörper Drachen, Kreuze und Lebensweisheiten. "Was dich nicht umbringt, macht dich härter", steht dort unter anderem.

DFB-Pokal 11/12: Fiese Attacke von Jones gegen Reus
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Jones liebt solche Sprüche. Er pflegt sein Image als Ghetto-Fußballer, der es von der Straße nach ganz oben geschafft hat. Immer musste er kämpfen - zur Not auch mit schmutzigen Tricks. Das ist seine Geschichte. "Ich bin im Leben nichts anderes gewohnt", hat der Schalker Mittelfeldspieler einmal gesagt, "man braucht ein Arschloch auf dem Platz".

Jones hat diesen Part in seiner Karriere oft und gerne übernommen. Nach seinem hinterhältigen Tritt gegen Borussia Mönchengladbachs Marco Reus im DFB-Pokal (1:3) steht er wieder einmal am Pranger. Wer es jetzt immer noch gut mit ihm meint, rühmt seine unbedingte Entschlossenheit, um jeden Ball zu kämpfen. Für die meisten ist er ein knallharter Zerstörer, der am Mittwoch endgültig die Grenze zur Brutalität überschritten hat.

Zwischen schäbigem Beton gelten andere Regeln

Den Grund für seine schmutzige Spielweise präsentiert Jones auf seiner Internetseite, und er ist stolz darauf. "Geprägt ist Jermaines Spiel durch die härteste Fußballschule überhaupt: Die Straße", steht dort geschrieben. Der Sohn eines amerikanischen Soldaten und einer deutschen Mutter wuchs im Frankfurter Brennpunkt Bonames auf. Zwischen schäbigem Beton gelten andere Regeln als in der Glitzerwelt des Profi-Fußballs. Hier hat er gelernt, sich zu behaupten, sich mit allen Mitteln durchzusetzen. 1999 hat er es geschafft. Mit 18 unterschreibt er bei Eintracht Frankfurt seinen ersten Profivertrag.

Doch seine Ghetto-Attitüde legt Jones nicht ab. Mit seinem Zweikampfverhalten und Sprüchen, die die die Grenzen des guten Geschmacks häufig überschreiten, kultiviert er auch als Profi sein Image als Straßenkämpfer. Auch neben dem Platz findet er nicht das richtige Maß, kauft sich die dicksten Autos und lässt sich vor Bundesliga-Spielen in Frankfurter Diskotheken von seinen Kumpels feiern. Er drängt ins Rampenlicht und ist dabei ganz schlecht ausgeleuchtet.

Den Stempel des Stinkstiefels wird er nicht mehr los. Jones fühlt sich missverstanden und ist tief gekränkt, als ihn auch noch Bundestrainer Joachim Löw in der Nationalmannschaft trotz guter Leistungen im Klub links liegenlässt. 2009 entscheidet er sich, in Zukunft für das Land seines Vaters die Knochen hinzuhalten - und gibt der New York Times ein unglückliches Interview. "In Deutschland sind Menschen wie ich unbeliebt. Man muss mich nur anschauen, ich bin nicht der perfekte Deutsche. Ich habe Tattoos, das mögen die Deutschen nicht. Die Menschen in den Staaten sehen eher aus wie ich." Hinterher relativiert Jones zwar seine latenten Rassismusvorwürfe - doch das nimmt kaum noch jemand wahr. Zu gut passen die Aussagen zum Bild des unbeherrschten Skandalkickers.

Stevens braucht Jones

Seine erneute Entgleisung im Pokal-Spiel am Mittwoch kommt für Jones zur Unzeit. Dem 30-Jährigen droht ein empfindlicher Karriere-Einschnitt und eine Sperre von bis zu sechs Monaten. Dabei hatte er sich auf Schalke gerade erst wieder als Stammkraft etabliert. Wurde er von Felix Magath noch aussortiert und zu den Blackburn Rovers abgeschoben, spielte er auch unter Ralf Rangnick keine Rolle. Erst Huub Stevens beorderte Jones wieder als Abräumer vor die Abwehr. Der Niederländer braucht für sein System einen Spieler, der weder sich noch den Gegner schont. Der nicht zurückzieht, wenn es wehtut.

Diese Rolle füllte Jones in den vergangenen Spielen perfekt aus, Schalke ist auch dank ihm auf den dritten Rang der Tabelle geklettert. Er hielt sich in der Öffentlichkeit zurück und gab kaum noch Interviews. "Er ist ein Führungsspieler", hatte Schalkes Sportdirektor Horst Heldt vor dem Gladbach-Spiel gesagt, "ich bin sicher, dass er sich das jetzt durch seine Leistung und sein Verhalten nicht mehr nehmen lässt".

Nach dem Spiel in Gladbach flüchtete Jones aus dem Stadion. Kopfhörer auf, kein Kommentar, kein Blick zurück, ab zum Bus und in den Urlaub. Nach Los Angeles.

(sid)
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