Bundesliga-Bilanz Teil 1 Immer mehr weibliche Fans

Düsseldorf · Jeder vierte Besucher eines Bundesliga-Spiels ist inzwischen eine Besucherin. Das ist nur ein Trend aus der Saison, die am Wochenende zu Ende geht. Ein anderer: Das Produkt verkauft sich erstklassig, die Schallmauer der zwei Milliarden Euro Umsatz ist fast erreicht.

Bundesliga 11/12: So feiern die BVB-Fans den Titel
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Das Produkt Bundesliga boomt. Zu diesem Schluss kamen die Unternehmensberater "Deloitte" schon im Frühjahr. Die deutsche Fußballliga belegt mit ihrer Wirtschaftskraft international bereits Rang sechs. Vor ihr liegen nur die vier US-Ligen Football (Rang eins), Baseball (Rang zwei), Basketball (Rang drei) und Eishockey (Rang fünf). Die europäische Konkurrenz ist überschaubar. Nur die englische Premier League ist wirtschaftlich erfolgreicher. Die deutschen Profiklubs steigerten in den zurückliegenden vier Jahren ihren Umsatz um 24 Prozent auf fast zwei Milliarden Euro. "Die Liga schreibt eine Erfolgsgeschichte", sagt Christian Seifert, der Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga (DFL). Und sie setzt Zeichen — über die Einnahmen hinaus.

Die Frauenquote

Nicht nur im Deutschen Fußball-Bund sind die Frauen auf dem Vormarsch — im größten Sportverband der Welt (6,8 Millionen Mitglieder) sind inzwischen 734.903 Frauen organisiert. Auch auf den Tribünen der Bundesliga wird der Fußball immer weiblicher. Jeder vierte Besucher der Profispiele ist eine Besucherin. Das liegt an der im internationalen Vergleich einmalig guten Ausstattung der Stadien und der Zusammensetzung des Publikums. Krawalle sind trotz des Hangs der Ultragruppen zur Zündelei in den Arenen eigentlich kein Thema.

Die Popkultur

Zwei große Sportler (Raúl und Michael Ballack) gehen aufs Altenteil. Aber die Bundesliga glitzerte auch in dieser Saison mit ihren Stars. Die Dortmunder Boygroup mit Shinji Kagawa und Mario Götze hat es ebenso wie die Bayern Arjen Robben, Thomas Müller und Toni Kroos auf die bunten Seiten der Gesellschafts-Illustrierten geschafft. Fußballer sind mehr denn je Bestandteil der Popkultur — ebenso bekannt und ebenso gut bezahlt wie die Kollegen aus dem Show-Business. Die Bundesliga ist längst in allen Schichten gesellschaftsfähig und keine Veranstaltung für Sportpuristen.

Die Zuschauerzahlen

Die Besucherquoten bilden das in der Spielzeit 2011/12 ab. Über 42.000 Zuschauer kamen im Schnitt zu den Begegnungen. In Dortmund strömen regelmäßig über 80.000 Fans in das größte Stadion, ausverkauft sind die Spiele der Bayern, in dieser Saison sehr häufig auch die von Borussia Mönchengladbach, der Mannschaft, die den größen Sprung tat. Der Relegationsteilnehmer und Beinahe-Absteiger des vergangenen Sommers spielt künftig im internationalen Fußball mit.

Das Teamwork

Viele Kleine haben es in dieser Saison den vermeintlich Großen gezeigt. Mönchengladbach, Freiburg, Mainz, Augsburg, Nürnberg und Hannover haben mit geringen Budgets überraschend gute Platzierungen erreicht. Sie profitierten von Harmonie im Team, geschlossenen Vorstellungen auf dem Platz, taktischer Klasse und Trainern, die die Bezeichnung Fußballlehrer verdienen.

Das System

"Im modernen Fußball spielst du in einem Spiel mehrere Systeme", sagt Otto Rehhagel (73), der zwar zu den rentenberechtigten Trainern, aber immer noch zu den auskunftsfreudigen Fußballwissenschaftlern zählt. Ein Trend der vergangenen Jahre hat sich allerdings erhärtet. Erfolg hat, wer mit der ganzen Mannschaft verteidigt (im Fachjargon: "gegen den Ball arbeitet") und mit möglichst vielen Spielern angreift. Kompakt agieren, nennen es die Sachverständigen. Dortmund macht es auf ganz hohem Niveau.

Die Laufleistung

Nie wurde so viel gerannt wie heute. An die 120 Kilometer legt ein Team heute zusammen über die 90 Spielminuten zurück, Spieler wie Thomas Müller (Bayern) und Roman Neustädter (Mönchengladbach) bringen es regelmäßig auf zwölf Kilometer.

Die Sechser

Der holländische Konzeptfußball hat sie erfunden, weil die Trainer ihre Spieler nach deren taktischer Aufgabe schon bei den Übungen nummerierten. Die Nummer sechs war zu Beginn so etwas wie der Libero vor der Abwehr, heute ist sie Abfangstation und Spielmacher in einer Person. Weil das allein ganz schwierig zu bewerkstelligen ist, setzt die Bundesliga meist auf das Modell "Doppelsechs".

Die spielenden Torhüter

Auch die wurden für das holländische Spiel erdacht. In der Bundesliga sind sie längst in der Überzahl. Kaum ein Team kommt ohne einen fußballerisch starken Schlussmann aus, der genaue Pässe spielen und Angriffe mit Abwürfen einleiten kann. Die Zeit der zähnefletschenden Athleten, die ihre Linie bewachen und unter dem staunenden Aufschrei der Fans durch ihren Kasten fliegen, ist vorbei. Moderne Torhüter versehen ihren Job sachlich.

Der Verteidiger als Spielmacher

Angefangen hat es mit dem Fußball-Kaiser Franz Beckenbauer. Er nutzte die Position des freien Mannes zur Spielgestaltung in den 60er und 70er Jahren. Heute übernehmen die Innenverteidiger die Aufgabe der Spieleröffnung. Die Besten geben ihren Mannschaften ein fußballerisches Gesicht. Die Nationalspieler Mats Hummels (Dortmund) und Holger Badstuber (Bayern München) sind die Vorzeige-Verteidiger der Saison. Aber die Zeiten der Abwehrriesen, deren Tätigkeitsbeschreibung sich mit Kopfballstärke, Zweikampfhärte und 60-Meter-Befreiungsschlägen erschöpft, sind auch anderswo definitiv vorbei.

(RP)
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