Bayer Leverkusen Holzhäuser: "Ich gebe mir eine Mitschuld"

Leverkusen · Wolfgang Holzhäuser, Geschäftsführer von Bayer Leverkusen, gibt sich im Interviewm it unserer Redaktion eine Mitschuld am Scheitern von Robin Dutt als Trainer beim Werksklub.

Großer Empfang für Holzhäuser zum 60.
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Herr Holzhäuser, was muss ein Trainer anstellen, um bei Bayer Leverkusen erfolgreich zu arbeiten?

Wolfgang Holzhäuser: Das hängt von der jeweiligen Mannschaft ab. Es ist mir zu einfach, zu sagen, es gibt gute und es gibt schlechte Trainer. Es muss ein guter Trainer zum richtigen Zeitpunkt zur richtigen Mannschaft kommen. Deswegen muss man als Verein erst genau analysieren, in welchem Entwicklungsstand sich die Mannschaft gerade befindet und danach den Trainer suchen, der vermeintlich mit dieser Mannschaft am besten zusammenarbeiten kann.

Robin Dutt war offenbar nicht der passende Trainer für die aktuelle Leverkusener Mannschaft.

Holzhäuser: Es hat Dinge gegeben, die uns veranlasst haben, Robin Dutt ein Jahr früher — also 2011 — zu holen als eigentlich geplant. Wir hätten — das ist bekannt — noch gerne mit Jupp Heynckes ein weiteres Jahr zusammengearbeitet.

War Dutts Verpflichtung im Nachhinein ein Fehler?

Holzhäuser: Nein. Robin Dutt ist und bleibt ein guter Trainer. Er muss nur zum richtigen Zeitpunkt bei der richtigen Mannschaft sein. Das war er bei uns nicht. Das muss man zu seiner Ehrenrettung offen sagen.

Ist er gescheitert, weil die Mannschaft über ihren Zenit hinaus ist oder weil Spieler Politik in eigener Sache gemacht haben?

Holzhäuser: Ich glaube, dass die Mannschaft von der Entwicklung her an einem Punkt angelangt ist, an dem man in der Tat davon sprechen kann, dass wohl kaum noch Potenzial vorhanden ist, das man zusätzlich schöpfen kann. Es kommt darauf an, auf hohem Niveau Dinge noch zu optimieren. Das ist etwas, was Jupp Heynckes perfekt konnte.

Man konnte den Eindruck gewinnen, dass es Spieler gibt, die ihre Interessen über die der Mannschaft, des Vereins stellen.

Holzhäuser: Spieler sind grundsätzliche Egoisten. Warum auch nicht? Jeder Mensch ist ein Egoist.

Wenn nicht am Widerstand der Spieler, woran ist Dutt dann gescheitert?

Holzhäuser: Ich glaube, dass zwischen dem Anspruch, den wir als Verein und auch das Umfeld an das Team und an Robin Dutt als Verantwortlichen gestellt haben, und dem, was realistisch möglich war, eine Lücke klaffte. Nach Platz vier und zwei in den Vorjahren haben wir selbst diesen hohen Anspruch nach außen hin artikuliert.

Das klingt nach später Einsicht.

Holzhäuser: Uns war klar, dass schon in der Rückrunde der vergangenen Saison, die bekanntlich mit der Vizemeisterschaft endete, nicht alles Gold war, was glänzte. In der Kenntnis dessen hätte man vielleicht etwas auf die Bremse treten können. Dann wäre Robin Dutt vielleicht vieles leichter gefallen.

Schließen Sie sich in diese Kritik ein?

Holzhäuser: Natürlich. Ich gebe mir eine Mitschuld. Ich habe den Fehler gemacht, nicht deutlich genug gemacht zu haben, dass ein Denken von Platz zwei nach oben letztlich auch ein Wunschdenken ist, das nur dann aufgeht, wenn viele positive Dinge zusammen kommen.

Hätte die Öffentlichkeit Platz fünf bis sechs als Ziel akzeptiert?

Holzhäuser: Ich habe ein bisschen Angst davor gehabt, dass die Leute kommen und sagen: Der ist mit Vizekusen zufrieden, der freut sich sogar darüber. Ich habe mich da beeinflussen lassen von der öffentlichen Meinung.

Ist Bayer ein Europa-League-Verein, der in einer guten Saison mal Champions-League spielt oder ein Champions-League-Klub, der in einer schlechten Saison mal Europa League spielt?

Holzhäuser: Wir sind ein Verein, der von seinen finanziellen Möglichkeiten her unter die ersten Sechs der Bundesliga gehört. Wir sind ein Verein, der, wenn es gut läuft, Champions League spielt, und wenn es nicht so gut läuft, Europa League spielen muss.

Leverkusen ist aber eben auch ein Verein, der sich mit Kontinuität auf der Trainerposition schwer tut.

Holzhäuser: Ich glaube, dass man Kontinuität schon als wichtigen Faktor berücksichtigen sollte. Es gibt allerdings Positionen, die sind kurzfristig angelegt — wie die Trainerposition. Warum? Weil man von einer Mannschaft und einem Trainer nun mal erwartet, dass kurzfristiger Erfolg eintritt. Grundsätzlich gilt mein bekannter Spruch: Der Trainer ist eine temporäre Erscheinung. Einer aktuellen Erhebung zufolge beträgt die durchschnittliche Verweildauer eines Bundesligatrainers übrigens 18 Monate. Für die langfristige Planung im sportlichen Bereich sind Rudi Völler und sein Stab verantwortlich.

Dass Dutts Verweildauer nur neun Monate betrug, lag sicherlich auch an der Antipathie großer Teile des Umfelds.

Holzhäuser: Es herrschte sicherlich eine Enttäuschung über das Gezeigte vor. Und Enttäuschung äußert sich in Missfallenskundgebungen. Die sind bis zu einer bestimmten Grenze auch nachvollziehbar. Die Grenze liegt für mich da, wo man Menschen abstraft in einer Art und Weise, die die Menschenwürde berührt.

Wurde diese Grenze für Sie in Dutts letztem Spiel gegen Freiburg überschritten?

Holzhäuser: So wie Robin Dutt da behandelt wurde, das kann man einem Menschen nicht mehr zumuten. Man kann einen Menschen nicht zum Schafott führen. Mir war klar nach der Reaktion des Publikums in der zweiten Halbzeit, wenn Robin Dutt nicht selbst sagt: Ich kann nicht mehr, dass ich dann sage: Du kannst nicht mehr. Da ist ein einzelner Mensch von zigtausenden Menschen verhöhnt und verlacht worden. Das ist menschenunwürdig.

Dutts Auftritt tags drauf auf der Pressekonferenz, auf der sein Abgang verkündet wurde, erhielt viel Lob.

Holzhäuser: Ich fand ihn auch beeindruckend. Ich hätte das auch so gemacht. Ich werde mich auch in absehbarer Zeit mit ihm treffen. Ich will auch von ihm wissen, was aus seiner Sicht nicht richtig gelaufen ist. Allerdings werde ich ihm auch sagen, was er nach meiner Meinung falsch gemacht hat.

Bleibt als Lehre, dass es bei Bayer nur ein respektierter Ex-Profi wie Sami Hyypiä oder ein alter Hase wie Jupp Heynckes richten kann?

Holzhäuser: Ich weiß es noch nicht. Das muss ich mit Rudi Völler analysieren. Im Moment haben wir die Lösung des akribischen Sascha Lewandowski und der Autoritätsfigur Sami Hyypiä. Wir gehen davon aus, dass diese Konstellation funktioniert. Und dann kann sie auch eine Dauerlösung sein.

Stefan Klüttermann führte das Gespräch

(RP/seeg/csi)
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