Bundesliga-Abstiegskampf Gladbach wirkt hilflos

Mönchengladbach (RP). Die Situation wird für Borussia in der Fußball-Bundesliga immer bedrohlicher. Die geschwächte Mannschaft findet keine Mittel, ihr Trainer auch nicht. Und im Hintergrund tobt ein Streit der Legenden.

Michael Frontzeck – Ur-Mönchengladbacher auf Wanderschaft
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Das ist Michael Frontzeck

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In einer Welt, die schöner ist und weniger trist und grau, da könnte es Michael Frontzeck machen, wie der Held in Jakob Arjounis Detektivroman: Er könnte sich seine Borussia erträumen: "Ich saß am Schreibtisch, kritzelte meine Gladbacher Mannschaftsaufstellung im Jenseits in den Kalender: Kleff — Vogts, Hannes, Frontzeck — Bonhof, Stielike, Simonsen — Netzer — Heynckes, Jensen, Laumen." Im Diesseits würde dieses Team, das ein hübscher Querschnitt der schöneren Episoden der Gladbacher Vereinsgeschichte ist, sicher nicht Letzter sein, schon gar nicht mit zehn Punkten. Und da sich auf dem Fußballplatz die Dinge ganz leicht regeln lassen, sportlich und fair, würden vier Mitglieder der Arjouni-Elf auch nicht im Clinch liegen wegen der ungewissen Zukunft des Vereins, der ihnen wohl allen am Herzen liegt: Bonhof und Frontzeck gegen Vogts und Netzer, der Vizepräsident und Trainer gegen zwei Ikonen der Vergangenheit, Netzer und Vogts.

Das vergangene Wochenende war wohl eines der düstersten in der Geschichte Borussias. Vor allem war es ein schwarzer Sonntag. Dieser begann mit Netzers Einlassungen zur Talfahrt der Borussen und den Repliken von Sportdirektor Eberl auf Berti Vogts' kritische Anmerkungen. Es folgte ein abermals bundesligauntauglicher Auftritt der Mannschaft, die 0:3 in Freiburg verlor und damit der Wahrscheinlichkeit des dritten Abstiegs mehr als ein paar Prozentpunkte hinzufügte. Die Après-Katastrophe für die Borussen war dann der öffentliche Disput zwischen Bonhof und Netzer beim Bezahlsender Sky.

Es hatte was von einem Fernsehduell Made in USA, und man war geneigt, am Ende einen Punktsieger ausmachen zu müssen. Der war, da gab es fast eine 100-prozentige Übereinstimmung, Netzer. Der schlug nicht nur Bonhofs Einladung zu Kuchen und Kaffee aus, sondern sagte: "Wenn du einen Tipp willst, ruf mich an, ich komme nicht." Eine Aussage, die etwa so schneidend war, wie einst Netzers Pässe aus der Tiefe des Raumes. Bonhof hatte den früheren Teamkameraden, mit dem er Meister und Pokalsieger wurde, zuvor gebeten, nicht öffentlich zu schimpfen, sondern sich genauer und direkt zu informieren. Netzer und Vogts bilden eine verbale Allianz gegen Bonhof, dem die sportliche Situation kaum Argumente lässt bei diesem "Streit der Legenden".

Dass sie alle nur das Beste wollen für den Verein, der zu ihrer Zeit eine große Nummer war im deutschen und europäischen Fußball, ist außer Frage. Doch die Denkansätze sind verschieden, und dem Klub steht eine Zerreißprobe bevor. Es gibt Reformer, die Strukturen ändern wollen, die Initiative Borussia, und deren Argumente sind die, die auch Vogts und Netzer anführen. Seit 15 Jahren habe Borussia keine Erfolge vorzuweisen, das ist das Hauptargument für die These, der Klub müsse verändert werden.

Frontzeck kann dem derzeit nicht viel entgegensetzen. Seine Botschaft kommt zwar, das beteuern die Spieler, zwischen ihren Ohren an, doch die Weitergabe an die Beine, die scheint blockiert. "Wir haben in Freiburg in den letzten 20 Minuten fast keinen Ball mehr gehabt", sagte Kapitän Filip Daems und schaute, als könne er das, was er da sagte, selbst nicht glauben. Doch es war so. Kein Aufbäumen, wieder klappte das fragile Gebilde Borussia nach dem ersten Gegentor zusammen. Und wenn ein Team hilflos wirkt, dann wirkt auch der Trainer hilflos. Freitag gegen Hamburg wird Frontzeck weiter in der Verantwortung sein. Ob es nun ein Endspiel für ihn ist oder nicht, darüber werden sich die Bosse Borussias, die gestern turnusmäßig mit Eberl und Frontzeck tagten, Gedanken machen.

"Bis zur Winterpause wird sich nichts ändern", weiß Frontzeck indes, meint aber weniger seinen Job als die Personalsituation — die sich nun weiter verschärft hat: Roel Brouwers fällt wieder aus, er zog sich in Freiburg eine Gehirnerschütterung und einen Kapsel- und Außenbandriss im linken Sprunggelenk zu. Dass Tobias Levels gesperrt ist, lässt die Lage tatsächlich "skurril" erscheinen, wie Frontzeck sagt. Eine Lösung für die Defensive? "Wahrscheinlich Berti Vogts", sagte Frontzeck. In einer Welt, die schöner ist und weniger trist und grau, wäre das kein bissiger Zynismus gewesen, sondern eine echte Option.

(RP)
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