Neustart nicht vor Ende Mai Bundesliga gerät allmählich unter Zeitdruck

Frankfurt · Mit dem 30. April hatte der Profifußball große Hoffnungen verbunden. Offiziell wird die Erlaubnis für den Neustart am Donnerstag vonseiten der Politik aber voraussichtlich noch nicht erteilt. Der Zeitdruck nimmt zu.

 BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke.

BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke.

Foto: dpa/Bernd Thissen

Natürlich werden die Fußball-Bosse trotz allem mit größter Neugier nach Berlin schauen. Der ersehnte Startschuss für die "Bundesliga reloaded" fällt vermutlich zwar noch nicht, vielleicht geben Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten am Donnerstag aber zwischen den Zeilen wichtige Hinweise für die Saisonfortsetzung. Im Spiel auf Zeit wäre das von immenser Bedeutung - und hätte jede Menge Symbolcharakter.

"Das wäre ein Qualitätszeugnis für das, was die Deutschen in dieser Krise erreicht haben", sagte Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke dem Nachrichtenmagazin Spiegel und forderte: "Wir müssen so schnell wie möglich wieder spielen. Jede Woche später macht es kritischer."

Mit jedem Tag ohne die Erlaubnis von höchster Stelle wachsen nämlich Ungewissheit und Zweifel, bis zum 30. Juni tatsächlich alle Partien über die Bühne zu bringen. Das zweite Mai-Wochenende ist als möglicher Zeitpunkt für den Neustart angesichts der Entscheidung über neue Lockerungen am 6. Mai praktisch nicht zu halten, Spiele eine Woche später sind wegen der geringen Vorbereitungszeit unwahrscheinlich. Der 23. Mai könnte es nun also werden - so sehen es auch die Sportminister der Länder.

"Ab Mitte oder Ende Mai", sagte Anja Stahmann (Grüne) als Vorsitzende der Sportministerkonferenz (SMK), seien Begegnungen "vertretbar". Mit dem entsprechenden Umlaufbeschluss, der bis Dienstagabend finalisiert und dann im Bundeskanzleramt vorgelegt wird, "will die SMK einen Rahmen aufzeigen, innerhalb dessen die Länder die Erkenntnisse der ersten Lockerungsstufe auswerten und dann weitere Schritte beschließen können", sagte die Bremer Sportsenatorin Stahmann weiter.

Unter der Voraussetzung einer positiven Entscheidung, die angesichts des großen Lagers von Skeptikern noch gar nicht garantiert ist, stünde bei einem Wiederbeginn am 23. Mai selbst im Idealfall ein enormer Sprint bevor. Bis zum 30. Juni als anvisierten Endpunkt könnte an sechs Wochenenden sowie fünfmal unter der Woche gespielt werden. Neun volle Spieltage und das Nachholspiel zwischen Werder Bremen und Eintracht Frankfurt stehen noch an, theoretisch auch Halbfinals und Finale im DFB-Pokal.

Ein Terminchaos und Überbelastung der Profis sind angesichts des straffen Zeitplans so oder so programmiert. "Wir werden in der Schlussphase eines Spiels nicht die Dynamik haben, wie wir sie uns eigentlich wünschen würden", prophezeite Professor Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule in Köln im SID-Interview. Er hält es zudem für "hoch problematisch", müssten die Spieler direkt in den Wettkampfmodus wechseln.

Eine Alternative oder die Forderung nach Sonderwünschen wird es aber garantiert nicht geben, DFL-Boss Christian Seifert hatte bereits "Flexibilität der Vereine" angemahnt. Der Profifußball ist schließlich nur Bittsteller, Ansprüche könnten die Befürworter unter Umständen verärgern und ihre Unterstützung aufs Spiel setzen.

Das wäre fatal, denn auf politischer Ebene ist längst ein hitziger Richtungsstreit entbrannt. So halten beispielsweise die Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU/Nordrhein-Westfalen) und Markus Söder (CSU/Bayern) Geisterspiele im Mai für denkbar, weil das erarbeitete DFL-Strategiepapier ihrer Ansicht nach überzeugt. Grünen-Chefin Annalena Baerbock hingegen sieht in Bundesligaspielen jede Menge Konfliktpotenzial.

"Wir verspielen damit in unserer Gesellschaft einen sozialen Zusammenhalt, weil das zutiefst ungerecht ist für diejenigen Bereiche, wo ein Kind noch nicht mal auf eine einsame Schaukel darf", sagte Baerbock im ARD-Talk Anne Will. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach pflichtete ihr bei und sagte: "Das Konzept widerspricht allem, was wir demnächst umsetzen wollen."

Angesichts der nach wie vor unübersichtlichen Lage wäre es daher eigentlich unvernünftig, den Fußball als eine Art "Versuchskaninchen" zu sehen. Diese Idee hatte Bruno Labbadia, neue Trainer von Hertha BSC, bei Nitro vorgebracht. "Da würde man sehen, ob auch andere Firmen oder Konzerne nachziehen können", sagte Labbadia.

(ako/sid)
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