Kabine als letzte Tabu-Zone Die Bundesliga wehrt sich gegen das Beispiel US-Sport

Düsseldorf · In den USA dürfen Medienvertreter in die Kabinen der Profi-Teams, um mit den Sportlern zu sprechen. Der Fußball ist da noch verschlossener. Manchester City öffnete zwar unlängst seine Kabinentür, aber die Bundesliga bleibt skeptisch.

Antonio Callaways Blick signalisiert pure Angst. Die Angst, dass Manager John Dorsey und Cheftrainer Hue Jackson ihn gleich rauswerfen, weil er den Cleveland Browns nicht mitgeteilt hat, dass die Polizei in seinem Wagen Drogen und Waffenteile gefunden hatte. Es ist einer von unzähligen Blicken, die der TV-Zuschauer in diesem Sommer ins Trainingslager-Innenleben des US-Football-Teams aus Ohio werfen durfte. „Hard Knocks“ heißt die mehrteilige TV-Doku, die der Bezahlsender HBO seit mittlerweile 17 Jahren ausstrahlt. Amazon zog 2016 nach und startete seine Reihe „All or Nothing“, die ein Team aus der Profiliga NFL eine Saison lang hautnah begleitet. Pep Guardiolas Manchester City erweiterte die Reihe nun um den ersten Fußballverein. Netflix begleitete seinerseits Juventus Turin.

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Foto: dpa/Tim Rehbein

Nun sind sich Fans und Journalisten selten einig, ganz sicher aber in dem Wunsch, auch mal in der Fußball-Bundesliga einen Blick hinter die Kabinentür werfen zu können. Dort, wo Interviews nach Spielen in den US-Profiligen seit jeher stattfinden. Stellt sich also die Frage: Öffnen die Clubs sie tatsächlich? Beim Streamingdienst DAZN, der ab dieser Saison Rechte für Champions- Europa-League-Spiele hält, ist man optimistisch. Michael Bracher, Programmverantwortlicher bei DAZN, sagt: „Mit der Film-Doku ,Being Mario Götze’ sind wir einen ersten Schritt in diese Richtung gegangen. Wir denken auch, dass es für viele Fans extrem interessant ist, ähnlich nah an ihren Lieblingsklub heranzukommen. Natürlich verlangt so ein Blick hinter die Kulissen großes Vertrauen von der einen und großes journalistisches Gespür von der anderen Seite. Wenn man diesen Grundsätzen folgt, glauben wir sehr wohl daran, dass solche Inhalte auch in der deutschen Bundesliga ihre Berechtigung haben.“

Im Fall von Borussia Mönchengladbach lässt sich der DAZNsche Optimismus schnell bremsen. Markus Aretz, Direktor Unternehmenskommunikation, sagt: „Es muss irgendwo auch einen Bereich geben, der ein Rückzugsraum für die Spieler ist. Ein privater Bereich, in dem sie sich unbeobachtet bewegen können, in dem sie auch mal das ein oder andere Wort reden können, das nicht jeder mitbekommen soll. Wir sind ein sehr offener, ein sehr nahbarer Verein, aber die Kabine wird bei uns immer ein geschlossener Bereich sein.“

Bei Bayer Leverkusen formuliert man es anders, die Haltung ist aber ähnlich ablehnend. Jochen Rotthaus, Direktor Marketing und Kommunikation, teilt mit: „Ich bin ein wissbegieriger Mensch und stehe grundsätzlich jeder Innovation offen gegenüber, das ist heutzutage im Zeitalter der Digitalisierung und in Fragen der modernen Vermarktung beinahe Pflicht in meiner Position. Aber ich bin auch Fußball-Fan und in gewisser Weise Romantiker. Und deshalb wünsche ich mir, dass die Kabine als einer der letzten ,heiligen‘ Orte im Profifußball bestehen bleibt.“

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Foto: AP/Charlie Riedel

Vonseiten der Deutschen Fußball-Liga (DFL) müssen die 36 Vereine der ersten und zweiten Liga keine Vorgaben in gegensätzlicher Richtung befürchten. Die DFL überlässt die Entscheidung einfach ihren Mitgliedern. „Ob und inwieweit künftig vermehrt Bilder aus den sportlichen Bereichen wie etwa der Kabine gezeigt werden, hängt maßgeblich davon ab, ob die Klubs den Zugang gestatten und die DFL die für eine Verwertung der Bilder erforderlichen Rechte einräumt. In der Bundesliga ist dies unverändert eine gemeinschaftliche Entscheidung der Clubs und der DFL, um sportliche Interessen und ein interessantes Bildangebot für Fans und Zuschauer in Ausgleich zu bringen“, lässt der Ligaverband wissen.

Wo die Bundesligavereine am ehesten einen Blick in die Kabine zulassen, ist naturgemäß bei den eigenen TV-Angeboten. Aber auch da gibt es Grenzen. Von der in dieser Woche in gesagtem und geschriebenem Wort oft gepriesenen Halbzeitansprache von Lars Bender, die Bayer Leverkusen im Spiel in Düsseldorf wachrüttelte, muss sich jeder sein eigenes Bild machen. Videobilder gibt es jedenfalls keine.

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