Duell der Besten Selbst schwächelnde Bayern sind dem BVB enteilt

Analyse | Müchen · Der FC Bayern kann sich im Spitzenspiel gegen Borussia Dortmund die zehnte Meisterschaft in Folge sichern. Doch trotzdem schauen die Münchner jetzt schon mit Sorge auf die neue Spielzeit – genauso wie der BVB.

 BVB-Stürmer  
 Erling Haaland (l.) und Münchens Lucas Hernandez kämpfen um den Ball. Das bessere Ende hatten in der Hinrunde die Bayern für sich, sie gewannen  
 das Duell in Dortmund  
 mit 3:2.

BVB-Stürmer Erling Haaland (l.) und Münchens Lucas Hernandez kämpfen um den Ball. Das bessere Ende hatten in der Hinrunde die Bayern für sich, sie gewannen das Duell in Dortmund mit 3:2.

Foto: dpa/Bernd Thissen

Man muss ja nicht unbedingt in das Geschrei um den „deutschen Clasico“ einstimmen. Es reicht die Feststellung, dass die Bundesliga seit mehr als einem Jahrzehnt ein eindeutiges Topspiel hat. Am Samstag treten in München die beiden besten deutschen Mannschaften an. Bayern München spielt gegen Borussia Dortmund. Das heißt: Es kommt zum Aufeinandertreffen der beiden Teams, die seit 2010 die Meisterschaft unter sich ausmachen. Der Tabellenerste der Bundesliga empfängt den Tabellenzweiten. Der Klub mit den meisten Mitgliedern (293.000) spielt gegen den mit den zweitmeisten (157.000), der Rekordmeister (31 Titel) gegen den Dritten dieser Rangliste (acht Titel), der umsatzstärkste Klub (611 Millionen Euro pro Jahr) gegen den zweitstärksten (338 Millionen).

Diese Zahlen zeigen aber auch, wie die Gewichte verteilt sind in Deutschlands erster Liga. Die Bayern haben selbst ihren natürlichen Verfolger klar distanziert, der 2011 und 2012 mit seinem in aller Welt bewunderten Tempo-Fußball den Titel gewann. Seit 2013 aber haben die Münchner in jedem Jahr die Meisterschaft gefeiert, ihr zehnter Titel in Folge ist bei neun Punkten Vorsprung auf die Dortmunder und einer dramatisch besseren Tordifferenz eigentlich nicht mehr zu verhindern, es werden schließlich nur noch vier Spiele ausgetragen. Am Samstag können die Bayern im direkten Duell mit einem Sieg bereits uneinholbar davonlaufen. Der BVB wird sich erneut auf die nächste Saison vertrösten lassen müssen.

Der BVB-Trainer Marco Rose ahnte das vermutlich schon beim Hinspiel, das nach einigem Theater um den Videoschiedsrichter, einem umstrittenen Elfmeter für die Bayern und einem nicht verhängten Strafstoß für die Dortmunder mit 2:3 verloren ging. „Wir müssen besser werden, um den Bayern auf Dauer gefährlich zu werden“, urteilte der Coach.

Sein Team hat weder die Konstanz noch die in jedem Mannschaftsteil erforderliche Klasse, die Bayern herauszufordern. Der amtierende und designierte Titelträger dagegen muss in der nationalen Liga zumindest in diesem Jahr keine Angriffe fürchten. Das ist umso bemerkenswerter, als die Bayern sicher nicht die beste Saison ihrer Vereinsgeschichte abliefern. Vor allem in der Rückrunde mehren sich unrunde Auftritte, aus den für die Kasse und das Selbstwertgefühl des Klubs sehr wichtigen Pokalwettbewerben sind die Münchner bereits ausgeschieden. Und deshalb wird an vielen Ecken des Vereins mal wieder voller Hingabe diskutiert.

Trainer Julian Nagelsmann, der den endgültigen Nachweis seines Genies noch schuldig ist, schaut ebenso wie die Vereinsführung in die nähere Zukunft und über das Spieljahr hinaus. Er hatte eben das Bundesligaspiel bei Arminia Bielefeld mit einem lockeren 3:0 hinter sich gebracht, als er auf die europäischen Gipfel sah. „Die Frage ist: Wo willst du hin, wenn du zur Top Vier gehören willst?“ Eine ahnungsvolle Antwort gab er: „Vielleicht müssen wir alternative Wege gehen und nicht nur Kohle reinbuttern.“ Das könnte bedeuten: „Wege gehen, die sich am Ende meiner Amtszeit auszahlen.“ Das ist in vier Jahren und wäre sehr bescheiden.

Bis dahin wird das Gebäude Bayern München umgebaut sein. Viele erwarten grundlegende Arbeiten bereits im Sommer. Nicht erst seit polnische Medien über einen Wechsel von Torjäger Robert Lewandowski (Vertrag bis 2023) zum FC Barcelona spekulieren, wird über Transfers im Juli gesprochen. Sollte Lewandowski wirklich gehen, gibt es noch mal Kohle, die der Verein reinbuttern könnte, wie Nagelsmann so schön sagt. Schon ist die Rede vom Leipziger Stürmer Christopher Nkunku. Aber auch wenn Bayerns Topangreifer bleibt, muss auf jeden Fall im weiteren Abwehrbereich nachgebessert werden. Weil Niklas Süle ohne Ablöse zum BVB zieht, ist eine Innenverteidiger-Position frei. Die Bayern könnten sie durch die Versetzung von Benjamin Pavard von außen nach innen belegen, weil sie offenbar vor der Verpflichtung von Noussair Mazraoui (Ajax Amsterdam) stehen. Der ablösefreie Außenverteidiger wäre gewissermaßen ein Beifang zum Transfer seines Teamkollegen Ryan Gravenberch. Der 19-Jährige ist eines der größten Mittelfeldtalente in den Niederlanden, und er soll Corentin Tolisso ersetzen.

Ob das reicht, Bayerns Vormachtstellung zu halten, ist eine offene Frage, selbst wenn Mittelfeldspieler Joshua Kimmich verspricht, „dass wir wieder angreifen werden“.

Will Dortmund mehr als ein artiger Zweiter werden, muss es sein Mannschaftsgefüge viel harmonischer machen. Dabei könnten die Millionen helfen, die ein Transfer von Erling Haaland zu Manchester City bringen würden. Ein Teil scheint in weiser Voraussicht bereits in Gehalt für Süle und nach Medien-Berichten in den Wechsel des Nationalverteidigers Nico Schlotterbeck vom SC Freiburg (angeblich für 25 Millionen Euro) investiert zu sein. Spieler, die Dortmund sicher stabiler machen würden. Nachteil bei einem Abgang von Haaland: Der Norweger trifft nach Berechnungen des „Kicker“ im Schnitt alle 87 Minuten ins gegnerische Tor. So einen muss der BVB erst mal finden. Und an Schlotterbeck sind auch die Bayern interessiert. Es ist also alles nicht so einfach.

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