Schwarzer Samstag für früheren Fortuna-Keeper Baum kämpft mit den Tränen – und für Giefer

Augsburgs Keeper Fabian Giefer hat sich gegen Werder Bremen einen entscheidenden Fehler geleistet. Nicht zum ersten Mal. Sein Trainer reagiert erfreulich menschlich. Doch er weiß um die Härten des Geschäfts.

FC Augsburg: Fabian Giefer patzt gegen Werder Bremen
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Fabian Giefer patzt gegen Werder Bremen

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Foto: dpa/Stefan Puchner

Über die Erbarmungslosigkeit des Torhüterberufs ist schon viel geschrieben geschrieben worden. Aber wer will sowas schon lesen, wenn ihm gerade ein Ball durch die Beine geflutscht ist. Wenn er ohne hinzusehen wusste, was Davy Klaassen in seinem Rücken mit dem Ball anstellen würde. Wenn seine Mannschaft wegen dieses Fehlers verloren hat - nachdem ihm unlängst bereits etwas allzu Ähnliches passiert war.

Für Fabian Giefer muss sich seine Tätigkeit als Torhüter des FC Augsburg in diesen Tagen anfühlen wie ein Albtraum in Dauerschleife. Zumindest ist es mal ein ziemlich unerfreuliches Deja-vu, das er am Samstag erleben musste. Es war Giefers Patzer, der Werder Bremen den Treffer zum Endstand von 3:2 ermöglichte und das Spiel damit letztinstanzlich entschied.

Der Pechvogel entschwand nach Schlusspfiff zielgerichtet vom Feld, später schrieb er immerhin geduldig Autogramme. Einfach mal drüber zu reden - danach war ihm auch da noch nicht zumute. Giefer schwieg.

Das Reden übernahm sein Trainer in einem der bemerkenswerteren Interviews der noch jungen Saison. Jener Manuel Baum, der in Augsburg immer eine Handbreit unter dem Radar arbeitet und nur selten als Projektionsfläche für bunte Randgeschichten herhalten muss, spielte die Hauptrolle in frühem Saisonrückblicks-Material. Mit sichtbaren Tränen in den Augen und hörbarem Kloß im Hals hielt der 39-Jährige ein rührendes Plädoyer für seinen Torwart. Dass der frühere Fortuna-Keeper zwischenzeitlich sogar Pfiffen der eigenen Anhänger ausgesetzt war, konnte Baum nicht einfach geschehen lassen. „Das ist halt meine Mannschaft und meine Spieler, da leidet man halt mit“, entgegnete der Trainer dem Sky-Reporter, der wissen wollte, warum er emotional so aufgewühlt sei. „Da steht ein Mensch im Tor, um den es mir unglaublich leid tut“, sagte Baum, beinahe schluchzend. Wer jetzt erst eingeschaltet hatte, musste befürchten, dass etwas Ernstes geschehen war. Zum Glück - das gilt es auch in dieser unerfreulichen Stunde festzuhalten - ging es nach wie vor nur um Sport. Doch auch der setzte Baum mächtig zu. Dieser Samstag sei "mit das Schwierigste“, was er bisher in Augsburg mitgemacht habe.

Diese Einschätzung lässt sich gleichsam auf Giefer anwenden. Nach weitgehend vergnügungssteuerfreien Zeiten und viel Verletzungspech absolvierte er zu Beginn der Saison nach mehr als dreieinhalb Jahren erstmals wieder ein Bundesligaspiel und patzte nun zweimal schwer. Auch aus gänzlich uneigennützigen Motiven wünschten die Teamkollegen ihrem Keeper gänzlich anderes. "Ich möchte nicht in seiner Haut stecken", sagte FCA-Verteidiger Martin Hinteregger zweifellos wahrheitsgemäß. Werder-Trainer Florian Kohfeldt hatte mit seiner Mannschaft zwar maßgeblich von Giefers Blackout profitiert, vermittelte aber nicht minder glaubhaftes Mitgefühl. „Ich war auch Torwart, wenn auch auf einem ganz anderen Niveau, aber das ist brutal. Ich hoffe, dass der Junge den Kopf oben behält.“

Die Torwartdiskussion ist trotz aller Beteuerungen längst im Gange. FCA-Manager Stefan Reuter gab zwar zu bedenken, dass „selbst Manuel Neuer sich schonmal einen reingeschmissen“ habe, doch sogar Baum deutete an, dass man die Leistung bewerten müsse. „Und die war jetzt zweimal schlecht.“

Am Ende weiß auch Baum, dass er bei seinen Personalentscheidungen womöglich gegen den menschlichen Instinkt wird handeln müssen. Giefer, unbestritten hochveranlagt, könnte immerhin vom engen Spielplan in der englischen Woche profitieren. Konkurrent Andreas Luthe ist angeschlagen, Nachwuchskeeper Benjamin Leneis erst 19. Im Zweifelsfall erhält Giefer schon in drei Tagen eine Bewährungschance - dann spielt der FCA beim FC Bayern. Dem ganzen Aberwitz dieses Geschäfts, diesen manchmal schier unmenschlichen Druck vor allen Augen zu erleben, das kostet an Tagen wie diesen Substanz. Mindestens einer von zwei Torhütern, die das letzte Champions-League-Finale bestritten haben, würden das bestätigen. Zur Kernkompetenz von Torhütern gehört aber - auf dem Feld wie nach Niederlagen - blitzschnell wieder aufzustehen.

Der, der sich Giefers Blackout an diesem Samstag zunutze machte, diktierte bereits nüchtern: „Es war sicherlich ein glücklicher Sieg mit dem Torwartfehler. Aber so ist Fußball.“ So ist das wohl tatsächlich manchmal. Und manchmal ist das einfach hart.

(SID)
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