Nettospielzeit, Jugendspieler, Einkick Elf Vorschläge für einen besseren Fußball
Reformwillen kann man dem Fußball nicht wirklich absprechen. Es ist oft aber die Richtung der Reformen, die ihm Kritik einbringt. Wie ganz aktuell die Idee des Weltverbandes Fifa, künftig alle zwei Jahre eine WM zu veranstalten. Doch es gibt viel mehr, was der Fußball verbessern könnte. Verbessern müsste. Auf ganz verschiedenen Ebenen. Unsere Sportredaktion hat deswegen einmal elf Vorschläge für einen besseren Fußball formuliert.
Schützt die Spieler besser bei Kopfverletzungen Als Stefan Ortega am Abend des 28. August im Krankenhaus untersucht wurde, stellen die Ärzte beim Torhüter von Arminia Bielefeld eine Gehirnerschütterung fest. Die hatte er sich am Nachmittag im Bundesligaspiel gegen Frankfurt zugezogen – und trotzdem die Partie zu Ende gespielt, also fürs Weiterspielen das Okay der medizinischen Abteilung der Arminia erhalten. Ortegas Beispiel ist ein Paradebeispiel dafür, was in punkto Kopfverletzungen im Fußball falsch läuft.
Es muss dringend etwas nach dem Beispiel der US-amerikanischen Football-Liga NFL verändert werden. Dort untersucht ein neutraler Neurologe am Spielfeldrand einen Spieler mit einer Kopfverletzung. Und nur der entscheidet, ob der Spieler weitermachen darf oder die Partie beenden muss. Die Reform drängt – aus einem einfachen Grund: mit einer Gehirnerschütterung weiterzuspielen, kann lebensgefährlich sein.
Führt den Profischiedsrichter ein Woche für Woche stehen sie im Fokus. Stehen sie in der Kritik: die Schiedsrichter. Nach der Einführung des Videoassistenten noch einmal mehr. Mit der Technik im Hintergrund werden Unparteiischen noch weniger Fehler verziehen als früher. Dabei gibt es einen Ansatzpunkt jenseits des Kölner Kellers, mit der man die Leistung der Schiedsrichter verbessern könnte. Macht Sie zu Berufsschiedsrichten.
Dabei geht es weniger ums Gehalt, denn schon heute verdienen die Top-Schiedsrichter mehr als 100.000 Euro pro Jahr. Es geht darum, ihnen über das Vollprofitum Trainings- und Weiterbildungsmöglichkeiten zu schaffen, die sie weiterbringen. Tägliches Videostudium, mehr Fitnesstraining, mehr Austausch mit den Vereinen – im Milliardengeschäft Fußball sollten nicht länger Halbprofis über Sieg oder Niederlage entscheiden.
Legt eine Gehaltsobergrenze fest Die Forderung nach einer Gehaltsobergrenze im Fußball ist nicht neu, aber sie ist plausibel, und sie ist vernünftig. Denn nicht zuletzt die Corona-Krise hat gezeigt, wie verwundbar vielerorts die finanzielle Situation manches Vereins ist. Und die über die Jahre in die Höhe geschnellten Gehälter haben als Fixposten ihren maßgeblichen Anteil daran. Warum also nicht europaweit eine Gehaltsobergrenze unter den Klubs vereinbaren oder gleich dem Beispiel aus den US-Profiligen folgen und ein Gesamtbudget festlegen, mit dem jeder Klub in punkto Gehalt auskommen muss? Kein Fußballprofi müsste Hunger leiden und der vielfach propagierte Wille zur Erdung des Fußballs fände öffentlichkeitswirksamen Ausdruck.
Zur Wahrheit dieses Wunsches gehört aber auch: Der Wille der Top-Vereine sowie rechtliche Hürden werden eine solche Veränderung verhindern. Zudem wird sich keine Liga mit der Selbstbegrenzung gegenüber der Konkurrenz ins Hintertreffen bringen wollen.
Führt die Nettospielzeit ein Der Ball rollt im Fußball je nach Spielklasse gut eine Stunde pro Spiel. Die restliche Zeit geht für Spielunterbrechungen drauf, die viele Nerven kosten, wie wenn ein Spieler bei einer Auswechslung im Schneckentempo vom Feld geht. Das ist ebenso unfair wie die Nachspielzeit, bei der der Schiedsrichter ganz alleine bestimmt, wie lange ein Spiel dauert - und keiner weiß, wie lange er denn nun noch Zeit hat, um zum Beispiel den Ausgleich zu erzielen oder wie lange er noch verteidigen muss.
Die Netto-Spielzeit, bei der die Uhr steht wenn der Ball nicht rollt, könnte all das auf einen Schlag verändern. Es gäbe kein Zeitspiel mehr durch „Krämpfe“ kurz vor Schluss und keine Diskussionen über die Nachspielzeit. Sie schafft Fairness. In so ziemlich allen Sportarten gibt es sie schon. Rationale Argumente, dass die Netto-Spielzeit im Fußball fehlt, gibt es keine.
Setzt Ex-Profis im Kölner Keller ein Es ist inzwischen ein wöchentliches Mantra geworden: Videobeweis-Entscheidungen, die von Schiedsrichtern im Kölner Keller gefällt werden, sorgen für hitzige Diskussionen. Vor allem im Graubereich urteilen verschiedene Video-Schiedsrichter häufig unterschiedlich, was zu Ungerechtigkeiten führt. An dieser Stelle soll aber nicht über Sinn und Unsinn des Videobeweises diskutiert werden, sondern über Verbesserungsmöglichkeiten.
Eine liegt auf der Hand: Ex-Spieler müssen in den Entscheidungsprozess mit eingebunden werden. Sie wissen, wie es auf dem Platz zu geht, wie Bewegungsabläufe vonstattengehen, sich einzelne Situation anfühlen. Kurzum: Sie haben durch ihre Vergangenheit eine ganz andere Sichtweise auf das Spiel als Schiedsrichter. Der DFB wollte ehemalige Profis sogar schon für Schulungen der Schiedsrichter gewinnen. Er muss aber noch einen Schritt weitergehen: Schickt sie in den Keller!
Verlangt eine Pflichtquote von Jugendspielern im Spieltagskader Die Verantwortlichen um DFB-Direktor Oliver Bierhoff kommen aus dem Mahnen nicht mehr heraus: Es wird auf absehbare Zeit in Deutschland an hochklassigen Talenten fehlen. „Der deutsche Nachwuchs erhält zu wenig Spielpraxis“, sagte Bierhoff mal. Wenn der DFB zukunftsorientiert weiterarbeiten will, muss er dafür sorgen, dass junge Spieler wirkliche eine Chance auf Einsatzzeiten auf höchstem Niveau bekommen. Davon profitieren alle Seiten: der Spieler, der Klub, die Nationalmannschaft. Diese wäre schlussendlich auch in Zukunft auf höchstem Niveau konkurrenzfähig.
Die Deutsche Fußball-Liga probiert es bekanntlich schon mit Anreizen. Für die Einsätze von „Local Playern“ (mind. drei Jahre in der Jugend im Verein) gibt es Geld. Nun muss die nächste Stufe her: eine Pflichtquote von Talenten im Spieltagskader. Einsatzchancen würden sich drastisch erhöhen, was der Qualität der Ausbildung zu Gute kommen würde.
Lasst Fanvertreter in Verbänden mitbestimmen Jeder, der schon einmal ein Fußballstadion betreten hat, wird die Gesänge kennen. „Ihr macht unsern Sport kaputt“, schallt es regelmäßig aus den Fankurven. Gerichtet ist dieser Satz an Verbände und Funktionäre, die über die Köpfe von Fußball-Fans hinweg zum vermeintlichen Wohl aller entscheiden. Sei es die Einführung des Videobeweises – oder wie aktuell diskutiert – die Verkürzung des WM-Zyklus auf zwei Jahre. Viel zu häufig geht es um Geld und Posten – und nicht um das Beste für den Volkssport Fußball.
Immer weiter entfernt er sich von der sogenannten Basis. Die Fans sind es, die den wichtigen Gegenpart zu den Entscheidungsträgern im Fußball bilden und genauer hinschauen. Fans in den Gremien der Verbände sind zwingend notwendig, um schon in Beratungs- und Entscheidungsprozessen die Bedenken gründlich darzulegen und gegensteuern zu können. Es reicht nicht, sie nur beratend mal als externe Sprecher anzuhören.
Führt die Zeitstrafen ein Die Gelb-Rote Karte für Borussia Dortmunds Mahmoud Dahoud im Spiel gegen Mönchengladbach hat einmal mehr die Diskussion über die Härte von Platzverweisen angefeuert. Schiedsrichter Deniz Aytekin zeigte Dahoud wegen Abwinkens Gelb. In Kombination mit der vorigen Gelben Karte musste der Dortmunder aber vom Platz. Aytekin gab die Karte als eine Art erzieherische Maßnahme, wie er später sagte. Zeitstrafen könnten da Abhilfe schaffen. Statt einen Spieler mit Gelb-Rot ganz vom Platz zu stellen, könnte der Schiedsrichter begrenzte Platzverweise aussprechen – für fünf, zehn oder fünfzehn Minuten, je nach schwere der Vergehens.
Das wäre weiterhin ein Nachteil für das Team und den Spieler, aber eben kein so großer Einfluss auf den Spielverlauf wie bei einem kompletten Platzverweis. Diese Option bliebe dann für wirklich harte Fouls und Vergehen bestehen.
Investiert mehr in den Frauenfußball Der Frauenfußball darf in Deutschland nicht weiter als ganz nettes Nebenprodukt des Fußballs behandelt werden. Wer von den Frauen gleiche Erfolge erwartet wie von ihren männlichen Kollegen, muss auch gleiche Bedingungen schaffen. Dass in der Bundesliga ein Großteil der Vereine nicht unter professionellen Bedingungen trainiert, Spielerinnen ihren Sport im Nebenberuf betreiben, ist den Ansprüchen an internationale Weltklasse unwürdig. Die Frauen-Bundesliga muss professionalisiert werden. Dazu gehören höhere Gehälter, aber auch bessere Trainingsbedingungen und -anforderungen.
Ob die Liga dafür aus dem DFB ausgegliedert wird, die Teams querfinanziert oder die Zusammenarbeit mit der Herren-Bundesliga verstärkt wird – das Ziel muss sein, mehr Geld und mehr Fachleute für bessere Bedingungen zu generieren. Nur so kann der Fußball in der Liga attraktiver werden.
Verbietet den Rückpass zum Torwart Ein Torwart ist heutzutage nicht nur Torwart, sondern Torwart und Feldspieler zugleich. Von einem Keeper wird mittlerweile erwartet, dass er mitspielt, indem er weite Pässe des Gegners abläuft und eine Anspielstation für das eigene Team nach hinten ist. Doch genau da liegt das Problem. Die endlosen Quer- und Rückpässe machen das Spiel langsam, sind risikofrei – und werden zu häufig zum Zeitspiel „missbraucht“. Ein Verbot, den Torwart anzuspielen, zwingt die Spieler, andere Optionen zu suchen.
Ein Rückpass-Verbot macht den Akteuren Druck, dass sie Lösungen finden, und den Mitspielern, dass sie Angebote machen müssen. Der Blick der ballbesitzenden Mannschaft wäre vielmehr nach vorne gerichtet, nicht nach hinten. Das würde den Angriffsfußball beleben. Das Spiel würde offensiver, kreativer und schneller werden.
Ersetzt den Einwurf durch einen Einkick Oft sieht man ihn, selten beachtet man ihn wirklich: den Einwurf. Das hat seine Gründe. Ballbesitz ist im Fußball nicht immer entscheidend, zum Nachteil sollte er aber keineswegs werden. Bei einem Einwurf sind die Nachteile für die ausführende Mannschaft jedoch so eklatant, dass über eine Regeländerung nachgedacht werden muss. Denn egal, ob schnell ausgeführt, weit, kurz oder präzise geworfen: Ein Erfolg ist es nach einem Einwurf schon, wenn man den Ball trotz Gegnerdruck in den eigenen Reihen behält.
Selbst in der gegnerischen Hälfte, öffnet der Einwurf nicht die gewünschten Möglichkeiten. Geht der Ball ins Seitenaus, sollte der Ball künftig daher mit dem Fuß zurück ins Feld gespielt werden dürfen. Dadurch wird der Einwurf wie ein Eckball oder Freistoß zum Tor. So ergeben sich mehr Torchancen. Die verteidigende Mannschaft müsste zudem geschickter agieren, auch würde das eigentliche Ziel des Verteidigens wieder in den Fokus gerückt werden: der Ballgewinn.