Abstiegsangst Die missglückte "Hertha-Story"

Düsseldorf (RPO). Seit dem sechsten Spieltag ist Hertha BSC Berlin Tabellenletzter der Bundesliga. Sieben Punkte beträgt der Rückstand auf den SC Freiburg, der auf dem rettenden 15. Tabellenplatz liegt. Der Frust ist groß bei der Hertha, nur wenige glauben an eine Rettung und einen Verbleib im Fußball-Oberhaus. Die Leistungen in der Hinserie waren miserabel und die Fraktion der Hertha-Optimisten ist kleiner geworden.

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Foto: ddp

In Berlin ist es nicht chic, Hertha-Fan zu sein. Die Demission des Trainers Lucien Favre im Oktober 2009 und der Rücktritt von Manager Dieter Hoeneß trugen nicht gerade zur Bindung zwischen Fans und Verein bei. Friedhelm Funkel übernahm im Herbst eine völlig verunsicherte Mannschaft, Defensiv- und Offensivverhalten waren katastrophal.

Neun Heimspiele ohne Sieg

Sportlich läuft es mit Funkel als Trainer nur bedingt besser, Relegationsplatz 16 ist immer noch eine gefühlte Ewigkeit entfernt. Seit neun Heimspielen ist die Hertha ohne Heimsieg, der Klassenverbleib scheint in weiter Ferne. Immerhin haben die Berliner seit drei Spielen nicht mehr verloren. Kaum vorstellbar, dass die Mannschaft in der vergangenen Saison lange um die deutsche Meisterschaft mitspielte und am Ende noch den vierten Tabellenplatz erreichte.

Neben der sportlichen Krise plagt den Hauptstadt-Klub auch eine lang anhaltende Identitätskrise. Nach der Wiedervereinigung hat es die Hertha als höchstklassiger Fußballklub nicht geschafft, in der Stadt ein nachhaltiges "Wir-Gefühl" zu etablieren. Die Hertha-Fangemeinde ist zwar da, eine gewachsene und authentische Verbundenheit wirkt aber anders.

Die Klub-Verantwortlichen räumen sogar ein, dass der Verein es nach den Bundesliga-Aufstiegen 1990 und 1997 verpasst hat, eine eigene "Hertha-Story" zu etablieren. In sportlichen Krisenzeiten wie diesen werden in anderen Städten altgediente Vereinsidole mobilisiert, um das "Wir-Gefühl" im Umfeld zu reaktivieren und Geschlossenheit zu demonstrieren. Berlin fehlt es einfach an Idolen vom Schlag eines Uwe Seeler oder Günter Netzer.

"Schnöseliger" Westberliner Klub

Hertha hat das Problem der eigenen, zu hohen Ansprüche. Nur ein Viertel der Zuschauer kommen aus den Ost-Berliner Bezirken, bei den Mitgliedern sind es noch weniger. Der Hertha haftet das Image des "schnöseligen" West-Berliner Klubs an, geben selbst Führungspersonen zu.

Union Berlin bietet das stadtinterne Gegenbeispiel. Fest verankert im Ostbezirk Köpenick ist die Verbindung zwischen Anhängern und Verein sehr groß. An der Alten Försterei packt jeder an, so wie beim Stadionumbau in den vergangenen zwei Jahren. Die Identität ist klar definiert, ebenso die sportliche Richtung.

Unions Fans erfreuen sich an der sportlichen Talfahrt der großen Schwester Hertha. Erst am vergangenen Wochenende waren rund 200 Fans des Zweitligisten beim Hertha-Heimspiel gegen den VfL Bochum im Olympiastadion und provozierten die heimischen Anhänger mit Schmährufen. Nur mit Mühe konnten Polizisten auf den Rängen Schlimmeres verhindern.

Nun drohen Herthas Anhänger mit Gegenangriffen beim Union-Heimspiel gegen den Karlsruher SC Anfang April. Sie wollen Karten für die Partie aufkaufen und sich vor der Alten Försterei versammeln. Steigt Hertha BSC wirklich ab, kommt es dann auch auf dem Rasen zum brisanten Stadtduell mit Union.

(rpo)
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