Die Krux mit dem 33. Spieltag „Die Spannung geht verloren – und es entstehen unfaire Rahmenbedingungen“

Düsseldorf · Am 33. Spieltag finden die neun Partien erstmals seit Jahrzehnten nicht zeitgleich statt. Für Traditionalisten ein Graus. Reporter-Legende Werner Hansch fordert deshalb sogar, dass bereits der 32. Spieltag parallel ausgespielt werden sollte.

 Reporter-Legende Werner Hansch sieht die Zerstückelung des 33. Spieltags kritisch.

Reporter-Legende Werner Hansch sieht die Zerstückelung des 33. Spieltags kritisch.

Foto: dpa/Henning Kaiser

Es gibt in Fußball-Deutschland einige Konstanten: Der FC Bayern München gewinnt am Saisonende regelmäßig die Deutsche Meisterschaft, Bayer Leverkusen schafft es schlussendlich, doch keinen Titel zu gewinnen und Arminia Bielefeld ist die Fahrstuhlmannschaft zwischen Bundesliga und Zweiter Liga.

Noch so eine Konstante: die jeweils neun Partien der letzten beiden Spieltage einer jeden Saison finden parallel statt. So sollten mögliche Absprachen vermieden werden – und ganz nebenbei wurde Spannung pur produziert. Fans der Bundesliga-Konferenz kamen voll auf ihre Kosten, es fielen Tore ohne Ende. Das ist in dieser Saison erstmals vorbei. Die Deutsche Fußball-Liga entschied sich vor der Saison, den 33. Spieltag an diesem Wochenende wie jeden anderen auch auszuspielen.

Kein Problem, sagen Sie? Nun, ausgerechnet an diesem Wochenende kann die neue Spielordnung sowohl den Aufstiegskampf in der Zweiten Liga als auch den Abstiegskampf in der Bundesliga stark beeinflussen. Am Freitagabend spielte beispielsweise schon Arminia Bielefeld, sodass der VfB Stuttgart am Sonntag längst weiß, ob man sich beim FC Bayern zur Not eine weitere Niederlage erlauben kann oder nicht. Sieht zum Beispiel auch Hertha-Trainer Felix Magath so: „Wir haben jetzt eine Situation, in der die einen am Freitag spielen, die anderen am Sonntag und wir am Samstag. Wir stecken mittendrin. Da kann gemutmaßt werden, das kann für Probleme sorgen.“

Oder Beispiel Zweite Liga: Der FC Schalke 04 legt gegenüber Aufstiegskonkurrent Werder Bremen am Samstagabend vor, weiß aber selbst schon das Ergebnis von Darmstadt 98, die am Freitag gegen Fortuna Düsseldorf spielten. Möglichen Wettbewerbsverzerrungen sind so zumindest Tür und Tor geöffnet. Zumindest aus mentaler Sicht. Denn je nach Ausgang der Spiele steigt der Druck auf jeden einzelnen Spieler. Auch muss der FC Bayern seine Meisterfeier auf einem Sonntagabend austragen, statt Samstagnachmittag. Alles maximal unglücklich.

„Die Spannung geht verloren – und es entstehen unfaire Rahmenbedingungen“, sagt Reporter-Legender Werner Hansch, der in seiner Karriere als Radio- und Fernsehkommentator legendäre Schlusskonferenzen erlebt hat. Zum Beispiel im Jahr 2000, als er in Unterhaching die Partie zwischen der SpVgg gegen Bayer Leverkusen kommentierte und das gesamte Sendekonzept auf den ersten Titel der Werkself ausgelegt war. „Und dann schießt Michael Ballack das Eigentor. Wir mussten damals in der Livesendung das gesamte Konzept auf den Kopf stellen“, erzählt Hansch. „Aber das war spannend! Das geht verloren, je mehr man den Spieltag aufspaltet.“

Zudem bleibt die Emotionalität auf der Strecke. „Die Spannung in den Schlusskonferenzen war immer herausragend. Es war stets beste Unterhaltung für die Fans – aber auch für uns Kommentatoren“, sagte Hansch im Gespräch mit dieser Redaktion. Verständlich ist die Aufsplittung der Anstoßzeiten für ihn daher nicht. „Es ist für mich ein Widerspruch, dass die sportliche Attraktivität durch diese Parallelansetzungen an den letzten Spieltagen für die bessere Vermarktung der Spiele aufgelöst wird.“

Tatsächlich entschied sich die DFL vor der Saison dafür, den 33. Spieltag nicht mehr parallel auszutragen, weil so mehr Spiele einzeln ausgetragen werden können. In Deutschland profitiert die Streaming-Plattform Dazn davon, die am 33. Spieltag insgesamt vier Spiele live zeigen wird (eins am Freitagabend, drei am Sonntag). „Das spiegelt die Kapitalisierung des Fußballs wieder“, sagt Hansch, der inzwischen in seinem Podcast Hanschspiel das Fußball-Geschehen regelmäßig einordnet.

Die über Jahre feststehende Regel wurde allerdings schon in den vergangenen beiden Jahren aufgeweicht. In der Saison 2018/2019 wurde die Partie zwischen Eintracht Frankfurt und Mainz 05 von Samstag auf Sonntag verlegt, weil die Eintracht sich für das Halbfinale der Europa League qualifiziert hatte und einen Tag länger zur Regeneration bekommen sollte. In der Vorsaison wurden gleich zwei Spiele verschoben, weil aufgrund des straffen Terminplans das DFB-Pokalfinale zwischen Borussia Dortmund und RB Leipzig an einem Donnerstag stattfand. Damit beide Mannschaften genug Zeit zur Regeneration bekommen konnten, wurden die Spiele gegen Mainz (BVB-Gegner) und Wolfsburg (Leipzig-Gegner) auf Sonntag verschoben. In dieser Saison dann die komplette Aufsplittung, von der kurioserweise wieder Frankfurt und Leipzig profitieren, die am Donnerstag noch in der Europa League spielten.

Die DFL hat aber scheinbar erkannt, dass die Kommerzialisierungsschraube nicht unendlich weitergedreht werden kann. Unter der Woche gab es Berichte, wonach der Liga-Verband bei der nächsten Rechte-Ausschreibung ab der Saison 2025/26 mehr Partien im Free-TV ausstrahlen will. Zu viele Abos seien derzeit nötig, zu stark scheint das Interesse am Bundesliga-Fußball zu schwinden. Für Hansch ist daher klar, dass auch die Parallelansetzungen in den kommenden Jahren wieder zwingend dazugehören – und sogar ausgeweitet werden sollten. „Die parallelen Ansetzungen waren immer eine Art Kulturgut. Wenn man nun in ein paar Jahren auch die Parallelansetzungen am 34. Spieltag aufweicht, würde man einen riesigen Fehler begehen. Das darf es niemals geben. Ich bin aufgrund der möglichen Entscheidungen an den letzten Spieltagen der Meinung, dass die Liga sogar schon mindestens den 32. Spieltag parallel ansetzen müsste.“

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