Fans freuen sich auf Start der Rückrunde Die Bundesliga fasziniert Millionen

Düsseldorf · Am Freitag startet die Bundesliga in die Rückrunde. Borussia Mönchengladbach trifft auf Bayern München.

 Mit dem Klassiker zwischen Borussia Mönchengladbach und Bayern München startet die Bundesliga am Freitag in de Rückrunde.

Mit dem Klassiker zwischen Borussia Mönchengladbach und Bayern München startet die Bundesliga am Freitag in de Rückrunde.

Foto: dpa, Andreas Gebert

Nächste Woche wird Christian Seifert einen neuen Umsatzrekord verkünden. Zum neunten Mal in Folge übertrifft sich die Bundesliga selbst, zuletzt lag ihr Umsatz schon über zwei Milliarden Euro. Der Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga (DFL) wird die Gelegenheit allerdings auch dazu nutzen, ein angemessen ernstes Wort zum Wachstumswahnsinn zu sprechen. "Tatsache ist: Die Klubs haben eine Milliarde mehr zur Verfügung als noch vor zehn Jahren — trotzdem reicht das Geld manchmal nicht", sagte er gestern beim Neujahrsempfang des Verbands — drei Tage vor dem Rückrundenauftakt mit dem Spitzenspiel Borussia Mönchengladbach - Bayern München (20.30 Uhr/Live-Ticker).

Nie war die Bundesliga so wichtig wie heute. Sie bewegt Milliarden, sie zieht Woche für Woche Hunderttausende in die modernsten Stadien der Welt, ihre Sicherheitsstandards sind unvergleichlich, ihre Hauptdarsteller sind längst überlebensgroße Popstars. Die Bundesliga ist ein florierender Teil der Unterhaltungsindustrie, sie bedient die Medien prima mit bunten Geschichten, sie steht auch im Mittelpunkt, wenn gar kein Spieltag ist.

Das hat sich vor über 52 Jahren niemand vorstellen können. Natürlich waren die Funktionäre des Deutschen Fußball-Bundes, die im Goldsaal der Dortmunder Westfalenhalle tapfer durch dicke Zigarrenrauch-Schwaden miteinander verhandelten, von der geschichtlichen Bedeutung des Tages durchdrungen. Sie wussten, dass die Gründung einer deutschen Profiliga zumindest den Abstand zu den damals in Europa führenden Klubs aus Spanien, Italien und von den britischen Inseln verkürzen würde. Dass die Bundesliga eine derartige Erfolgsgeschichte würde, konnte niemand ahnen.

Dennoch ist es vom Start weg eine Geschichte der Faszination. Bei den ersten Spielen der anfangs nur mit 16 Mannschaften antretenden Klasse waren die Stadien sehr gern ausverkauft. Es war im Unterschied zu heute jedoch eine reine Männergesellschaft. Frauen waren allenfalls als Servicekräfte an den Wurstbuden zugegen. Und auf den Rängen blickten ernste Männer mit Hüten aufs Feld. Verrücktheiten wie bunte Fanklamotten oder Fahnen entstanden erst später. Die Spieler sahen noch ein wenig so aus wie die hageren Helden von Bern, die 1954 den Fußball bereits ein Stück tiefer in die Gesellschaft getragen hatten. Und es war kein Zufall, dass ihrem großen Lehrmeister, Bundestrainer Sepp Herberger, durch die Gründung der Profiliga ein Herzenswunsch erfüllt wurde.

Seine Trainingspläne, seine Vorstellung von Disziplin, seine Idee vom Spiel, seine Methoden prägten diese Gründerzeit des deutschen Fußballs. Von Leistungsdiagnostik, von Ärzteteams hinter den Mannschaften, von Lauf-, Torwart-, Techniktrainern war keine Rede. Rudi Gutendorf, der den Meidericher Spielverein (heute MSV Duisburg) sensationell zum Vizemeister der ersten Saison machte, galt als Revolutionär, weil er seine Spieler zum Aufwärmen nicht auf die Aschenbahn schickte und weil er ihnen in Übungsspielen ohne Tore das heute so selbstverständliche kompakte Spiel beibrachte. Einer der Helden von Bern wirkte da noch mit. Helmut Rahn schleppte sich deutlich gerundeter durch seine erste und vorletzte Bundesligasaison.

Wie seine Kollegen wird er von den heutigen Gehältern nicht einmal geträumt haben. Selbst Spitzenkräfte verdienten nicht mehr als 1000 Mark (500 Euro) im Monat. Und vom Fußball allein konnte noch keiner leben.

Legenden wie Uwe Seeler, den noch die heutige Generation aus rührend amateurhaften Werbefilmchen kennt, arbeiteten bis zum Ende ihrer Laufbahn mindestens halbtags in einem richtigen Beruf. Seeler fuhr als Handlungsreisender für den Sportausrüster Adidas durch die Lande.

Von Berufskollegen unterschied er sich aber schon im Dienstfahrzeug. Uns Uwe steuerte einen dicken Mercedes. Da deutete sich schon an, dass die Industrie den Fußball in ihr großes werbendes Herz schließen würde. Sie erkannte den Wert der Sportler, aus denen ganz langsam Stars wurden, die jeden Samstag in der Sportschau und im ZDF-Sportstudio zu den liebsten Gästen in deutschen Wohnzimmern wurden.

Fußball ist überall

Mit der wachsenden Popularität der Hauptdarsteller wuchs das Spiel über sich selbst hinaus. Herbergers berühmter Satz, "ein Spiel dauert 90 Minuten", ist inzwischen widerlegt. Das Spiel bekommt eine Nachbetrachtung in den elektronischen Medien, es beschäftigt die Zeitungen noch Tage danach, es befeuert die Analyse im Fernsehen, an den Stammtischen, am Arbeitsplatz. Es ist Thema von Talkshows, es dauert wochenlang — ganz sicher bis zum nächsten Spiel.

Fußballer erfahren eine Aufmerksamkeit wie Politiker, berühmte Schauspieler und Musiker. Sie werden zu Idolen, unwirklichen Wesen. Der Lebenswelt ihrer Fans sind sie entrückt. Und weil ihre spielerischen Fähigkeiten in besten Momenten ebenfalls etwas Unwirkliches, fast Übernatürliches haben, dient ihr ganzes bewundernswertes Leben den treuen Fans als Projektionsfläche ihrer Träume. Für die 90 Minuten des Spiels, für die Stunden von Nach- und Vorbereitung holen sie den Fußballfreund aus dem Alltag. Wer Fußball erlebt, der erlebt Fußball ganz. Er denkt nicht an seinen Beruf, an die Autowäsche oder den nächsten Restaurantbesuch. Er ist im Spiel und gerät ganz folgerichtig auch schon mal außer sich.

Völlig unabhängig von Bildungsgrad oder Einkommen ist der Fußballfan ein Bestandteil einer eigenen Welt, das Bewusstsein darüber ist ausgeschaltet. Die Bundesliga saugt den Zuschauer geradezu in dieses Parallel-Universum. Sie fasziniert, weil das Spiel auch in Zeiten seiner hochwissenschaftlichen Begleitung immer noch nicht zu berechnen ist. Weil der Kleine (seltener als früher) den Großen an einem besonders guten Tag schlagen kann, weil Außenseiter gegen Giganten eine Chance haben, und weil in der Überraschung eine wunderbare gesellschaftliche Utopie lebt.

Im Stadion versorgt die Bundesliga ihren Gast mit einem Gemeinschaftsgefühl, nach dem die Gesellschaft der Vereinzelten so giert. Die Bundesliga ist deshalb auch ziemlich romantisch.

Sie inszeniert sich auch als Ort der Fußball-Romantik. Nostalgische Vereinsfahnen werden feierlich vor dem Spiel auf den Rasen getragen, auf Schalke beispielsweise erklingt das Steigerlied, und auf der Tribüne wird so manches Auge feucht, weil das harte Leben zwischen Bergbau und Fußball besungen wird.

Nostalgie gehört zum Rahmenprogramm wie die allgegenwärtigen Maskottchen und ein Stadionansager, der als Animateur der Stehplatz-Kurve auf dem Rasen steht und das Publikum zum wilden Geschrei aufruft. Sobald der Ball aber mal rollt, sind derartige Animationsversuche überflüssig. Die Fans, namentlich die in den Kurven, übernehmen die Inszenierung des Spiels auf den Rängen. Sie sind ein Teil des Spektakels, und sie verschaffen dem Publikum auf den besonders teuren Plätzen einen Mehrwert. Die wiederum zahlen dafür kräftig und halten auf ihre Art das Milliardenspiel am Leben.

(RP)
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