Krawalle überschatten Nullnummer Derby in Niedersachsen enttäuscht in jeder Hinsicht

Die Nebengeräusche rund um das Niedersachsen-Derby zwischen Hannover 96 und Eintracht Braunschweig übertönten ein schwaches Duell. Vor und nach dem 1000. torlosen Spiel in der Bundesliga-Historie kam es zu Aussschreitungen.

Krawalle überschatten Nullnummer: Derby in Niedersachsen enttäuscht in jeder Hinsicht
Foto: dpa, Tobias Kleinschmidt

Martin Kind stapfte mit versteinerter Miene durch den Innenraum der Arena. Der mächtige Präsident von Hannover 96 machte keinen Hehl daraus, dass er absolut keine Lust auf Interviews hatte. "Sie erwarten immer gleich Antworten auf alles", sagte Kind, als er dann doch pflichtbewusst vor die Mikrofone trat. Zwei Brennpunkte beim von Fan-Ausschreitungen überschatteten 0:0 im Niedersachsen-Derby gegen Eintracht Braunschweig hatten dem 69-Jährigen so richtig die Laune verhagelt.

Kind brachte der massive Gebrauch von Pyrotechnik im Stadion auf die Palme, er sprach von "beschämenden Verhalten" der 96-Fans, das Konsequenzen haben werde: "Das ist ein Niveau, das wir so nicht akzeptieren können."

Genauso sauer war der Charismatiker ob des erneut enttäuschenden Auftritts seiner Mannschaft. "Wir sind in einer Leistungs-Krise und in einer schwierigen Phase. Sportdirektor und Trainer müssen die Fragen jetzt beantworten."

Chefcoach Mirko Slomka wirkte nach dem ersten torlosen Spiel in der Bundesliga zwischen den ewigen Rivalen bedient wie sein Präsident. "Natürlich wollten wir das Spiel auch für unsere Fans gewinnen", sagte der frühere Schalker: "Es war uns heute nicht vergönnt, auch mal ein glückliches Tor zu machen."

Hannover, das mit dem Schlusspfiff ein gellendes Pfeifkonzert erntete, hinkt seinen Erwartungen mittlerweile deutlich hinterher. Denn das ausgegebene Ziel lautet Europacup. "Wir haben sechs Spiele in der Liga nicht gewonnen. Da kann man schon davon sprechen, dass es momentan nicht läuft", sagte der 46 Jahre alte Slomka und vermied dabei, das Wort "Krise" in den Mund zu nehmen.

Sportdirektor Dirk Dufner hatte damit weitaus weniger Probleme. "Ich denke, wir haben momentan eine kleine Krise, aber ich will sie auch jetzt nicht größer machen, als sie ist", sagte der frühere Freiburger.

Gegen spielerisch biedere, aber aufopferungsvoll kämpfende Braunschweiger gelang es den "Roten" nicht, den Abwehrriegel um die starken Innenverteidiger Ermin Bicakcic und Deniz Dogan entscheidend zu knacken. "Es liegt eine Schwere auf der Mannschaft, es ist keine Leichtigkeit zu erkennen", sagte Dufner. Wenn sich Hannovers gefährlichster Angreifer Mame Diouf doch mal durchgetankt hatte, zielte er zu ungenau oder auf den gut aufgelegten Eintracht-Keeper Daniel Davari.

"Dogan und Bicakcic haben eine Sensationspartie gemacht", sagte Braunschweigs Chefcoach Torsten Lieberknecht in der Pressekonferenz und konnte mit dem Punktgewinn sichtbar besser leben konnte als sein finster dreinblickender Sitznachbar Slomka. "Es war mit Sicherheit kein Leckerbissen, aber das haben wir auch nicht erwartet", fügte der 40-Jährige an.

Lieberknecht freut sich nach dem vierten Auswärtspunkt und dem Sprung vom letzten auf den vorletzten Tabellenplatz über die bevorstehende Länderspielpause, die seine Rekonvaleszenten für die Rückkehr ins Teamtraining nutzen können. Insbesondere der Ausfall von Ideengeber Karim Bellarabi (Leistenzerrung) fiel ins Gewicht, Braunschweig wirkte offensiv uninspiriert. "Wir waren auch etwas mutlos", sagte Sportdirektor Marc Arnold, der die Zündeleien in beiden Fanblöcken "nicht verstehen" konnte.

Damit ging es ihm wie Kind, der eine eingehende Analyse ankündigte: "Es ist eine Frage, wie so viel Pyrotechnik ins Stadion kommen kann", sagte der meinungsstarke Unternehmer, der anschließend gefrustet das Stadion verließ.

Immerhin hatte das maue 0:0 dann doch noch einen positiven Effekt: Nach dem ersten Erstliga-Derby zwischen Hannover und Braunschweig seit 37 Jahren fielen die Auschreitungen geringer aus als befürchtet. Die Bilanz der Polizei: 14 verletzte Beamte, vier Festnahmen. Mehrfach wurden Wasserwerfer, Schlagstöcke und Pfefferspray eingesetzt. "Durch konsequentes Einschreiten war die priorisierte Fantrennung dennoch erfolgreich und die Beamten konnten Schlimmeres verhindern", sagte Einsatzleiter Guido von Cyrson.

So sah es auch sein Vorgesetzter. Innenminister Boris Pistorius (SPD) hatte sich bis kurz vor Spielbeginn im Lagezentrum der Polizeiinspektion West im Stadion aufgehalten und hielt für seine Beamten ein großes Lob parat: "Ich bedanke mich ausdrücklich bei den Polizistinnen und Polizisten für ihren Einsatz, sie haben Außergewöhnliches geleistet."

(sid)
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