Streich gegen Nagelsmann Die Liga freut sich auf das Duell der besonderen Kerle

Freiburg · Christian Streich ist kaum anderswo als im Breisgau vorstellbar, Julian Nagelsmann wechselt am Saisonende von Hoffenheim nach Leipzig. Am Samstag treffen die beiden unterschiedlichen Typen an der Seitenlinie aufeinander.

 Ruht im Hier und Jetzt: Freiburgs Trainer Christian Streich.

Ruht im Hier und Jetzt: Freiburgs Trainer Christian Streich.

Foto: dpa/Patrick Seeger

Christian Streichs öffentliche Anfälle von Demut können ganz schön anstrengend sein. Für die Sportstudio-Moderatorin Kathrin Müller-Hohenstein zum Beispiel. Sie lief am vergangenen Samstag mit mehreren Ansätzen, Streich so etwas wie Zustimmung zu der These zu entlocken, er sei ein Mensch von herausragender Bedeutung für den SC Freiburg im Allgemeinen und den Fußballsport im Besonderen (oder umgekehrt), vor eine Mauer von Bescheidenheit. Die Erfolge des SC Freiburg, seine Bodenständigkeit, seine Beliebtheit, das sei doch der Trainer Streich, fragte Müller-Hohenstein. Streichs Antwort: „Nein, das bin nicht ich. Es geht nicht um mich.“ Es half auch nicht, dass Bundestrainer Joachim Löw im zugespielten Filmchen zur ultimativen Lobhudelei aufbrach: „Die Mannschaft lebt so, wie der Trainer das vorlebt, emotional, voller Einsatz, Spielfreude, Leidenschaft. Das strahlt der Christian aus. Das macht Freiburg so stark.“ Streich schaute verlegen herum und druckste: „Nett, der Jogi.“

Da steht einer auf der Bühne des Unterhaltungsgeschäfts und verweigert sich der Selbstdarstellung. Ihm scheint es zu genügen, als Lehrer, der er ist, zu wirken. Dem Theater drumherum kann er nichts abgewinnen, nicht mal dem Versuch, ihm in diesem Theater die Rolle des schrulligen Pädagogen zuzuschreiben. Vielleicht könnte er nirgendwo anders als in Freiburg seinen Job so glaubwürdig erledigen. Teils, weil Freiburg mit seiner seit vielen Jahren erfolgreichen Fußballschule, mit den geringen finanziellen Möglichkeiten und als kleine Universitätsstadt ohnehin anders ist. Teils, weil Streichs badisches Idiom in anderen Landstrichen ohne Untertitel schlicht nicht zu verstehen wäre.

Ob er es will oder nicht, der Freiburger Trainer ist ein besonderer Kerl in diesem Geschäft. Am Samstag trifft er auf einen anderen besonderen Kerl. Julian Nagelsmann reist mit der TSG Hoffenheim zum Bundesliga-Spiel an. Und er wird weder vorher noch nachher Schwierigkeiten haben, sich verständlich zu machen. Er spricht nämlich keinen Dialekt.

Auch deshalb ist Nagelsmann sehr gut überall vorstellbar. Der einst jüngste Bundesliga-Trainer aller Zeiten – mit 28 war er bereits Chefcoach der Hoffenheimer – besticht nicht nur durch Bestmarken, die der Kalender vorgibt. Er hat auch nachgewiesen, dass er Mannschaften besser machen kann, in denen so mancher Spieler deutlich älter ist als der Trainer. Autoritätsprobleme hat er nicht. Wenn sie überhaupt einmal drohten, dann hat er sie mit verblüffendem Selbstbewusstsein und Sachkenntnis aus dem Weg geräumt. Mit den Hoffenheimern kam er in die Champions League, und das zurückliegende Jahr war das beste der Klub-Geschichte. Pep Guardiola, der Kollege von Manchester City, erklärte: „Nagelsmann ist ein Toptrainer. Ich bin sicher, dass er eine lange Karriere mit viel Erfolg haben wird.“

Das glaubt Nagelsmann auch. Den nächsten Schritt auf der Karriereleiter geht er im Sommer. Es steht schon fest, dass er zu RB Leipzig wechseln wird. Und nicht nur Guardiola erwartet, „dass er dort um die deutsche Meisterschaft mitspielen wird“.

Nagelsmanns Weg zeigt derart deutlich in Richtung Fußball-Himmel, dass sich sogar Real Madrid mit sehr konkreten Verpflichtungsgedanken gemeldet hat. Der immer noch erst 31-Jährige sagte ab. Auch das ist Ausdruck einer unerschütterlichen Grundüberzeugung.„Wenn meine Trainerkarriere einigermaßen weiterläuft, bietet sich vielleicht später noch einmal die Gelegenheit, einen Verein in dieser Kategorie zu übernehmen“, sagte er, „ich will logisch wachsen.“

Überdreht kann man Nagelsmann selbst beim schlechtesten Willen nicht finden. Es ist viel Abgeklärtheit in diesem jungen Mann. Aber auch der Ehrgeiz, nach den Sternen des Sports zu greifen.

Streich reicht es, in Freiburg jedes Jahr aufs Neue die Herausforderung zu bestehen, aus wenig ein taugliches Bundesliga-Team zu machen. Er weiß, dass die Besten in jeder Saison von den Größeren (das sind fast alle in der Bundesliga) weggekauft werden. Und er fühlt sich bereits nah den sportlichen Sternen, wenn er den Kreislauf ständiger Erneuerung mit seiner Mannschaft besteht. Deshalb besteht sein Glück in diesem Beruf. Auf die Frage, wie er dazu gekommen sei, antwortete Streich: „Ich habe keine Ahnung, was ich sonst hätte machen sollen.“

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