Trainer-Karussell in der Bundesliga Immer schneller, schneller und schneller

Düsseldorf · Es ist ein begehrter Arbeitsplatz, im Durchschnitt allerdings bleiben Bundesliga-Trainer weniger als 15 Monate im Amt. Der Bund deutscher Fußball-Lehrer ist quasi machtlos.

 Trainer Domenico Tedesco mit dem Koffer in der Hand: Er musste auf Schalke vorzeitig gehen.

Trainer Domenico Tedesco mit dem Koffer in der Hand: Er musste auf Schalke vorzeitig gehen.

Foto: dpa/Ina Fassbender

Für Tayfun Korkut war die Bundesligasaison bereits nach dem siebten Spieltag beendet. Der 45-Jährige wurde beim VfB Stuttgart nach einem Fehlstart mit nur fünf Punkten und zwölf Gegentoren entlassen. Korkut war der erste Cheftrainer, der in der laufenden Serie der höchsten deutschen Spielklasse vorzeitig gehen musste. Bislang ereilte noch sieben weitere Fußball-Lehrer dieses Schicksal. Darunter auch Markus Weinzierl, der ebenfalls vom VfB entlassen wurde. Wer in der Bundesliga als Trainer arbeitet, muss mit einer kurzen Halbwertszeit rechnen.

Es gibt da eine Ausnahme: Christian Streich. Sieben Jahre, vier Monate und zwei Tage ist er bereits im Breisgau engagiert. Aktuell dauert eine Amtszeit im Schnitt unter 15 Monate – Tendenz stark fallend. Nach Streich folgen Pal Dardai (4 Jahre, zwei Monate, 26 Tage bei Hertha) und Julian Nagelsmann (3 Jahre, zwei Monate und 20 Tage bei Hoffenheim) – beide hören am Saisonende bei ihren Klubs auf. Nur Fortuna Düsseldorfs Friedhelm Funkel ist dann noch länger als zwei Jahre beim selben Arbeitgeber. 

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Foto: dpa/Jürgen Kessler

„Es bricht viel zu schnell Panik aus bei den Klubs“, sagt Lutz Hangartner, Präsident des Bundes Deutscher Fußball-Lehrer (BDFL) im Gespräch mit unserer Redaktion. „Ich würde mir wünschen, dass deutlichere Signale von den Klubs kommen. Etwa im Falle des Misserfolgs auch die Mannschaft zu sanktionieren, ihr auch an den Geldbeutel zu gehen, statt den Trainer zum alleinigen Sündenbock zu machen. Auch die Manager müssen Verantwortung übernehmen. Sie sind mitverantwortlich für die Kaderzusammenstellung. Häufig werden Millionen in neue Spieler investiert, aber es wird nicht geprüft, ob die Spieler auch charakterlich passen. Da werden viele Probleme eingekauft.“

Möglichkeiten, die Vereine stärker zu reglementieren oder gar zu bestrafen, sieht Hangartner, 75, nicht. Über Gedankenspiele zur Einführung einer Regel, die den Klubs nur eine bestimmte Zahl von Trainerwechseln pro Saison gestattet, sagt er: „Das wäre natürlich in unserem Sinne, rechtlich gibt es dafür aber keinerlei Handhabe. Die Vereine sanktionieren kann man einfach nicht.“

Für Hangartner, der mehr als 40 Jahre am Institut für Sport und Sportwissenschaft als Dozent an der Universität in Freiburg lehrte, ist es manchmal nicht leicht, sich als Gewerkschafter vor Vertreter seiner Zunft zu stellen. Auch er erfährt vieles nur aus den Medien. Die Trainer als Ich-AGs klären Probleme häufig lieber im Alleingang. Um gemeinsame Lösungen zu finden, lädt der BDFL die Trainer aus der 1. und 2. Liga zwei Mal im Jahr zu einer Tagung ein. Der BDFL wurde 1957 von 129 Profitrainern gegründet – darunter Sepp Herberger und Dettmar Cramer. Mittlerweile sind rund 4900 Mitglieder im Verband organisiert. Davon sind 0,7 Prozent Frauen.

Es gibt sehr viele Gründe, warum sich heutzutage Klubs von ihren Trainern trennen – überwiegend aus der Angst, kurzfristig sportliche Ziele nicht mehr zu erreichen. Es geht aber auch immer mehr um das Geplänkel drumherum. Wer verkauft sich wie in der Öffentlichkeit? Welches Verhältnis hat er zur Mannschaft? Was für eine Beziehung zu den Fans? Was sagen die Medien? Markus Anfang ist beim 1. FC Köln als Spitzenreiter in der 2. Liga drei Spieltage vor dem fast sicheren Aufstieg rausgeschmissen worden. Selbst der Erfolg konnte nicht mehr übertünchen, dass es größere Disharmonien gab. Der Trainer ist das schwächste Glied in der Kette. Dieter Hecking wird in Mönchengladbach ab Juli durch Marco Rose ersetzt, weil man sich bei der Borussia einen „strategischen Neuanfang“ erhofft. Und dazu braucht es eben unter anderem einen neuen Trainer. Die Ansprüche sind gestiegen.

Funkel hat die Mechanismen des Geschäfts Anfang des Jahres kurzerhand stillgelegt. Im Trainingslager in Marbella sollte eigentlich sein Abschied zum Saisonende verkündet werden. Der Verein wollte nicht über die Saison hinaus mit ihm planen. Nach nur einem Tag vollzog der Klub eine formidable Rolle rückwärts und bot Funkel einen neuen Vertrag an.

In Krefeld haben es Trainer aktuell besonders schwer. „Wenn es nötig ist und uns an unser Ziel bringt, hole ich 18 Trainer“, sagt Mikhail Ponomarev, Präsident des KFC Uerdingen, bei der Vorstellung des neuen Trainers Heiko Vogel – er ist bereits der vierte Trainer in dieser Saison beim Drittligisten.

(sef/gic)
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