Leipzig ein ernsthafter Meisterkandidat? Die Psychospiele sind eröffnet

Leverkusen/Dortmund · RB Leipzig ist Tabellenführer. Die Bundesliga-Konkurrenz wird dem Aufsteiger das Leben nun auch neben dem Platz schwermachen.

 Leipzigs Sportdirektor Ralf Rangnick und Trainer Ralph Hasenhüttl sind jetzt die Gejagten der Bundesliga.

Leipzigs Sportdirektor Ralf Rangnick und Trainer Ralph Hasenhüttl sind jetzt die Gejagten der Bundesliga.

Foto: dpa, mb

Es wirkte, als hätte Thomas Tuchel nur auf das Stichwort gewartet. Ein französischer Journalist fragte nach dem Abpfiff des Topspiels zwischen Dortmund und München (1:0), ob die Liga mit dem neuen Tabellenführer Leipzig nun verrückt geworden sei? Dortmunds Trainer nahm die Gelegenheit wahr und antwortete: "Letztes Jahr hatten wir in England das Phänomen Leicester City. Leipzig kann exakt den gleichen Weg gehen. Das ist meine Überzeugung, wenn ich sie spielen sehe. Das ist keine Eintagsfliege." Ein taktischer Schachzug von Tuchel, der damit den Druck auf den Aufsteiger erhöht. Mit solchen Aussagen muss Leipzig in den kommenden Wochen häufiger rechnen. Spannend wird zu beobachten, wie das Team um Trainer Ralph Hasenhüttl mit der neuen Rolle des Gejagten umgehen wird.

Leipzig steht als erster ostdeutscher Klub seit Hansa Rostock 1991 ganz oben. Mit Euphorie wollen sie aber nicht konfrontiert werden. "Natürlich freut es mich und uns alle zusammen. Das ist schon eine besondere Leistung, die wir aber richtig einordnen können", sagte Hasenhüttl: "Es ist auch schön für die Liga, dass die Bayern seit vielen Jahren erstmals als Zweiter zu einem Auswärtsspiel reisen mussten, das tut der Liga gut."

Dem Erfolg von Rasenballsport liegt vor allem Geld zugrunde. Der Vereinsname wurde nur aufgrund des Kürzels RB und der damit entstehenden Assoziation zum Geldgeber und Koffeingetränkehersteller gewählt. Bisher geht das Konzept optimal auf. RB ist in aller Munde. BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke sagte der "Sportbild" in der vergangenen Woche: "Bei Rasenballsport, wie sie ja tatsächlich heißen, haben wir das erste Mal - auch im Gegenteil zu Hoffenheim oder Wolfsburg - den Fall, dass da nichts, aber auch gar nichts historisch gewachsen ist. Da wird Fußball gespielt, um eine Getränkedose zu performen."

Diese Art Lästereien lässt der sächsische Klub derzeit einfach über sich ergehen. "Bisher kam nichts, was außerhalb der Norm war", erklärte Leipzigs Sportdirektor Ralf Rangnick.

"Spiele nicht bei RB um eine Dose zu performen"

Spieler Dominik Kaiser verteidigte sein Team gestern im Sport1-Doppelpass: "Ich spiele nicht bei RB um eine Dose zu performen und stehe auch nicht als Dose auf dem Feld. Und dann hätte ja Dortmund auch gegen elf Dosen verloren", sagte Kaiser und spielte damit auf den 1:0-Sieg am 2. Spieltag an.

Besonders Watzke als selbst ernannter Verfechter der Traditionsvereine hat sich Psychospielchen auf die Fahne geschrieben. Nach dem Sieg gegen Bayern erklärte er mit Blick auf RB: "Wir haben erst elf Spieltage gespielt. Und die müssen in der Rückrunde noch bei uns spielen. Die werden hier was erleben." Und bei der Mitgliederversammlung des BVB gestern spielte er in seiner Rede auf die unter Fans heiß diskutierte RB-Vereinsform mit quasi nicht vorhandenem Mitspracherecht für Mitglieder an. "Alle 150 Mitglieder von Rasenballsport können jetzt beruhigt den Livestream ausmachen, ich werde heute dazu nichts sagen", sagte Watzke und fügte gleich hinzu: "Es gibt jetzt zwei Tage Feuerpause - aber danach geht es weiter."

Nicht nur aus Dortmund, auch aus München wird Leipzig derartige Verbalattacken erwarten müssen. Mit 27 Punkten sind die Sachsen der beste Aufsteiger der Bundesligageschichte seit 1963. In seiner Meistersaison (1997/98) hatte der Aufsteiger 1. FC Kaiserslautern nach den ersten elf Spielen einen Zähler weniger auf dem Konto. "Ich kann mich an die Meisterfeier noch ein ganz bisschen erinnern", sagte der ehemalige Lauterer Willi Orban, damals fünf Jahre jung und nun Abwehrchef in Leipzig, "aber das ist nicht zu vergleichen. Es ist einmalig, was Lautern damals erreicht hat." Diese Hoffnung hegen sie auch in Dortmund und München.

(erer)
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