Beliebtes Mittel im Abstiegskampf Was die Bundesliga-Statistik über späte Trainerwechsel verrät

Analyse | Düsseldorf · Oft wählen Fußballvereine einen Trainerwechsel als letztes Mittel im Abstiegskampf. Es solle ein neuer Impuls gesetzt, neue Motivation geschaffen werden, heißt es dann oft. Aber wie erfolgversprechend ist Austausch des Coaches kurz vor Saisonende eigentlich?

 Der bisherige Torwarttrainer Marco Kostmann (2.v.l) spricht als Hauptverantwortlicher beim Training des abstiegsbedrohten Fußball-Bundesligisten Arminia Bielefeld. Torwart Stefanos Kapino (r) hört zu.

Der bisherige Torwarttrainer Marco Kostmann (2.v.l) spricht als Hauptverantwortlicher beim Training des abstiegsbedrohten Fußball-Bundesligisten Arminia Bielefeld. Torwart Stefanos Kapino (r) hört zu.

Foto: dpa/Friso Gentsch

Arminia Bielefeld ist in den vergangenen Wochen immer mehr in Abstiegsgefahr geraten. Tabellenplatz 17 und drei Punkte Rückstand auf Rang 15 veranlassten den Verein aus Ostwestfalen zum Handeln. Vier Spieltage vor dem Saisonende haben die Bielefelder nun Trainer Frank Kramer entlassen. Im Verein traut man ihm nicht mehr zu, die Wende noch zu schaffen. „Nach vielen intensiven Gesprächen und einer ausführlichen Analyse der aktuellen Situation sind wir nicht mehr überzeugt davon, dies in der bestehenden Konstellation noch einmal zu schaffen. Wir möchten der Mannschaft einen Impuls geben, um den Verbleib in der Bundesliga zu realisieren“, sagte Arminias Sportgeschäftsführer Samir Arabi. Der bisherige Torwarttrainer Marco Kostmann soll nun das schaffen, was Kramer in der vergangenen Saison gelungen war, ihm diese Saison aber nicht mehr zugetraut wird: den Klassenerhalt.

Arminia Bielefeld ist freilich nicht der erste Verein, der im Abstiegskampf kurz vor dem Ende der Saison auf einen Trainerwechsel als ultima ratio setzt und so einen Aufschwung herbeiführen will. Kann sich ein Team einfach nicht aus dem Tabellenkeller befreien oder rutscht kurz vor Ende der Saison gar noch überraschend in die Niederungen der Tabelle, erscheint eine Veränderung auf der Trainerbank als einziger verbliebener Eingriff, der für Linderung sorgen kann. Schließlich ist nicht von der Hand zu weisen, dass so manche Mannschaft durch eine neue Persönlichkeit auf dem Trainerposten beflügelt wurde; dass eine neue Ansprache neue Kräfte freisetzen kann. Doch gilt das auch für eine ohnehin schon verunsicherte Mannschaft im finalen Akt des Abstiegskampfes?

Ein Blick in die Bundesliga-Statistik gibt Aufschluss, wie erfolgreich solche Trainerwechsel in den vergangenen Jahren waren: Nicht besonders, wenn man in die Bundesliga-Statistiken seit der Saison 2011/12 schaut. Nur selten konnte der neue Trainer ein Team im Abwärtsstrudel wirklich wieder so aufbauen, dass es sich auch in der Tabelle noch verbesserte. Dreizehn Mal wechselten Vereine, die in Abstiegsgefahr geraten waren, in den vergangenen elf Saisons noch nach dem 26. Spieltag ihren Trainer. Nur zwei davon schafften es, ihren Spielern so viel neues Selbstvertrauen zu geben, dass sie sich verbesserten und am Ende mindestens 15. in der Tabelle waren. Dreimal schafften es Vereine, die vorher auf einem Abstiegsrang standen, immerhin noch auf den Relegationsplatz. Sechs Trainer standen mit ihrem Team nach dem 34. Spieltag auf dem gleichen Rang wie bei ihrer Amtsübernahme, vier davon stiegen mit ihrem Verein ab.

Zwei Trainer verschlechterten sich sogar mit ihrem Team und stiegen ab.

Trainerwechsel zu einem früheren Zeitpunkt in der Saison oder zum Beginn der Rückrunden brachten in den vergangenen Jahren hingegen den einen oder anderen erstaunlichen Aufschwung. Doch für einige Vereine war auch das kein Allheilmittel.

Ein Überblick über die späten Trainerwechsel und einige weitere seit der Saison 2011/12:

Saison 2020/21:

Werder Bremen entließ Florian Kohfeldt nach dem vorletzten Spieltag, als man nur auf dem Relegationsplatz lag. Werder-Urgestein Thomas Schaaf sollte für den letzten Spieltag noch mal Kampfgeist erzeugen. Doch am Ende stand gar der direkte Abstieg als 17. der Bundesliga-Tabelle fest.

Augsburg trennte sich von Heiko Herrlich nach dem 2:3 beim 1. FC Köln am 31. Spieltag. Der FCA setzte damit seinen Abwärtstrend fort und hatte nur vier Punkte Vorsprung auf den Relegationsrang - und Hertha BSC auf Rang 17 hatte noch zwei Spiele weniger. Markus Weinzierl übernahm beim FCA. Richtig verbessern konnte er das Team nicht. Aber ein Sieg und zwei Niederlagen reichten, um sich auf Platz 13 zu verbessern und am letzten Spieltag mit dem Abstiegs nichts mehr zu tun zu haben.

Köln entließ Markus Gisdol sechs Spieltage vor Saisonende, als Köln auf einem Abstiegsplatz (17) stand. Friedhelm Funkel kam und führte Köln immerhin noch in die Relegation, die man gegen Holstein Kiel gewann.

Die Trainer-Entlassungen in der Bundesliga 2021/22
20 Bilder

Die Trainerwechsel der Bundesliga-Saison 2021/22

20 Bilder
Foto: dpa/Guido Kirchner

Bei Schalke halfen hingegen alle drei Trainer-Entlassungen 2020/21 nicht, um den klaren Abstieg zu verhindern. Bei Mainz brachte immerhin der dritte Wechsel der Saison die erhoffte Wirkung. Bo Svensson kam zur Rückrunde und führte Mainz von Rang 17 auf Platz zwölf.

Saison 2019/20:

Hertha entließ Alexander Nouri am 8. April während der Corona-Pause. Bruno Labbadia kam und führte Hertha von Rang 13 auf Platz zehn.

Beim FC Augsburg ersetzte Heiko Herrlich Martin Schmidt am 9. März. Augsburg war damals 13., am Ende der Saison 14. Uwe Rösler konnte bei Fortuna Düsseldorf den Abstieg nicht verhindern, obwohl er Funkel schon am 29. Januar beerbte. Damals war Fortuna Letzter, am Ende der Saison 17., aber trotzdem abgestiegen.

Für die Bayern ging es zwar 2019/20 nicht um den Abstieg, aber der Rekordmeister drohte, die eigenen Ziele zu verpassen. Hansi Flick ersetzte Niko Kovac daher bereits am 3. November 2019. Damals waren die Bayern nur Vierter. Am Ende der Saison wurden sie Meister, Pokalsieger und Champions League-Sieger.

Saison 2018/19:

Markus Weinzierl musste beim VfB Stuttgart 2019 nach einer 0:6-Niederlage beim FC Augsburg am 30. Spieltag gehen. Damals stand der VfB auf dem Relegationsrang. Den hatte man auch mit Interimstrainer Nico Willig am Ende der Saison inne. Gegen Union Berlin reichten dann ein 2:2 und 0:0 nicht zum Verbleib in der Ersten Liga.

Augsburg ersetzte schon nach dem 28. Spieltag Manuel Baum durch Martin Schmidt. Damals lag der FCA auf Rang 15 und rutschte dank zweier Siege und einem Unentschieden unter Schmidt nicht weiter ab. Zwischenzeitlich verbesserte sich Augsburg auf Rang 14. Am Saisonende stand man wieder auf Rang 15.

Auch Huub Stevens konnte Schalke zwar vor dem Abstieg retten, war aber am Ende mit dem Team in der Tabelle auch nicht besser als Domenico Tedesco zuvor, der wegen Platz 14 und der nicht erfüllten Erwartungen kurz vor dem 26. Spieltag gehen musste.

Nürnberg rettet selbst der frühe Wechsel am 12. Februar von Micheal Köllner auf Boris Schommers nicht. Der FCN blieb Tabellenletzter. Und auch Thomas Doll konnte Hannover 96 nicht mehr vor dem Abstieg bewahren. Er hatte am 27. Januar den Tabellen-17. von André Breitenreiter übernommen. Nach 34 Spieltagen war Hannover als 17. abgestiegen.

Kurz vor Weihnachten 2018 entließ Leverkusen Heiko Herrlich, weil man ins Mittelfeld der Tabelle abgerutscht war (Platz neun). Peter Bosz kam und führte Bayer mit Platz vier in die Champions League.

Saison 2017/18:

Nach dem 26. Spieltag zog der Hamburger SV die Reißleine und entließ Bernd Hollerbach, der nicht mal zwei Monate zuvor das Amt von Markus Gisdol übernommen hatte. Der HSV war nach drei Unentschieden, vier Niederlagen und keinem Sieg unter Hollerbach weiterhin akut abstiegsbedroht als 17. der Tabelle. Christian Titz übernahm. Der HSV gewann unter dem neuen Trainer zwar vier der letzten acht Spiele und holte unter Titz 13 Punkte. Das reichte aber nicht mehr für den Klassenerhalt. Der HSV blieb 17. und stieg ab.

Beim VfL Wolfsburg sollte Bruno Labbadia als erprobter Feuerwehrmann die Abstiegsgefahr bannen. Er kam am 19. Februar für Martin Schmidt, mit dem die Wölfe nur 14. waren. Labbadia brachte den VfL aber nicht wieder auf Kurs. Der Verein stürzte gar auf den Relegationsrang ab und musste sich den Klassenerhalt erst dort erkämpfen.

Besser lief es für Tayfun Korkut in Stuttgart. Er kam schon am 28. Januar für Hannes Wolf. Damals lag auch der VfB auf Rang 14. Am Ende der Saison wurde Stuttgart überraschend Siebter.

Die Kölner stiegen 2017/18 hingegen trotz eines frühen Trainerwechsels ab. Stefan Ruthenbeck ersetzte Peter Stöger, der nach einer tollen Vorsaison nun Schlusslicht mit dem FC war. Doch auch am Saisonende war Köln Letzter.

Florian Kohfeldt konnte Weder Bremen hingegen von Platz 17 auf Rang elf am Ender der Saison führen. Er hatte schon am 30. Oktober von Alexander Nouri übernommen – eigentlich nur als Interimstrainer. Doch nach den ersten Erfolgen wurde er zum Cheftrainer befördert.

Saison 2016/17:

Bayer Leverkusen stand Anfang März 2017 nur auf Rang zehn und entließ Roger Schmidt. Tayfun Korkut übernahm für den Rest der Saison interimsmäßg. Am Ende verpasste Bayer das internationale Geschäft mit Rang 12 deutlich.

Valérien Ismael musste beim VfL Wolfsburg gehen, weil man Ende Februar nur 14. und nur vier Punkte von den Abstiegsrängen entfernt war. Andries Jonker übernahm ab dem 23. Spieltag, besser wurde es nicht. Am Ende mussten die Wölfe in die Relegation.

Saison 2015/16:

Hannover entließ nach dem 28. Spieltag Thomas Schaaf, der zum 18. Spieltag übernommen, aber von elf Spielen zehn verloren hatte. Mit Interimstrainer Daniel Stendel gelangen Hannover zwar noch zwei Siege und zwei Remis an den letzten sechs Spieltagen, man blieb aber Letzter.

Bundesliga: Diese Klubs wechselten am häufigsten in einer Saison den Trainer
Infos

Diese Klubs wechselten am häufigsten in einer Saison den Trainer

Infos
Foto: dpa, ahe nic

Auch Niko Kovac konnte bei Eintracht Frankfurt zunächst nur den weiteren Absturz aufhalten. Er übernahm den Tabellen-16. am 6. März von Armin Veh, rutschte zunächst mit der Eintracht sogar auf Rang 17 ab. stabilisierte das Team dann aber etwas. Nach dem letzten Spieltag stand Frankfurt wie bei Kovacs Amtsübernahme auf dem Relegationsrang.

Julian Nagelsmann konnte Hoffenheim in dieser Saison vor dem Abstieg retten. Er kam am 10. Februar für Interimstrainer Stevens und erreicht noch Rang 15. Vorher stand Hoffenheim auf dem 17. Platz.

Saison 2014/15:

Hannover 96 ersetzte Tayfun Korkut fünf Spieltag vor Saisonende durch Michael Frontzeck. Obwohl das Team unter Frontzeck aus den nächsten drei Spielen nur zwei Punkte holte und sogar auf Platz 17 abrutschte, verbessert man sich mit zwei Siegen im Schlussspurt noch auf Platz 13.

Bruno Labbadia konnte den HSV vor dem direkten Abstieg retten und führte das Team in die Relegation. Er hatte zum 29. Spieltag von Interimstrainer Peter Knäbel übernommen. Der HSV war inzwischen auf den letzten Rang abgestürzt. Knäbel hatte am 22. März Josef Zinnbauer abgelöst, weil der HSV nur noch 16. war.

Martin Schmidt entledigte die Mainzer schnell aller Abstiegssorgen. Er kam am 17. Februar, als Mainz nach 21 Spieltagen auf Rang 14 stand, für Kasper Hjulmand. Mit Schmidt wurde Mainz Elfter.

Pal Dardai brachte Hertha zurück in die Spur. Er übernahm die Berliner schon am 5. Februar auf Rang 17. Am 27. Spieltag schien die Mannschaft als Tabellen-Elfter außer Gefahr zu sein, gewann dann aber kein Spiel mehr und vermied auf Platz 15 und nur wegen des besseren Torverhältnisses so gerade die Relegation. Huub Stevens hatte bereits ab Ende November Zeit, Stuttgart zu verbessern. Unter Armin Veh lag man da nur auf Platz 18. Am Ende der Saison reichte es für Rang 14.

Robin Dutt musste bei Werder schon früh in der Saison gehen, weil man am 25. Oktober Letzter der Liga war. Unter Viktor Skripnik kam der Aufschwung und man wurde Zehnter.

Saison 2013/14:

Nürnberg stieg trotz der Entlassung von Gertja Verbeek nach dem 31. Spieltag ab. Interimstrainer Roger Prinzen konnte an den letzten drei Spieltagen für keine Verbesserung mehr sorgen. Mirko Slomka rettet den HSV immerhin noch in die Relegation. Er hatte schon am 15. Februar für Bert van Marwijk bei den Hamburgern übernommen. Damals war der HSV Vorletzter der Bundesliga. Unter Slomka gelangen in 15 Spielen immerhin drei Siege und vier Unentschieden bei acht Niederlagen. Vom Punkteschnitt war der HSV unter Slomka (0,87 Punkte pro Spiel) geringfügig schlechter als unter van Marwijk (0,88 Punkte).

Saison 2012/13:

Thomas Schaaf hatte mit Werder Bremen einen Spieltag vor Saisonende den Klassenerhalt geschafft. Werder stand auf Rang 14. Als Resultat aus den Trainerdiskussionen und der schlechten Saison trennten sich Trainer und Verein aber dennoch vor dem 34. Spieltag. Schaaf war bis dahin 14 Jahre und fünf Tage Trainer bei Werder Bremen. Hoffenheim stand Anfang April auf einem Abstiegsrang. Marco Kurz musste gehen, Markus Gisdol schaffte es mit der TSG durch drei Siege und zwei Remis in den letzten sieben Partien noch in die Relegation. In der gelang den Hoffenheimern der Klassenerhalt.

Saison 2011/12:

Die abstiegsbedrohten Kölner entließen Stale Solbakken am 12. April 2012. Der FC hatte gerade 4:0 bei Mainz 05 verloren (30. Spieltag) und lag nun seit drei Spieltagen auf Rang 16. Frank Schaefer sollte die Mannschaft neu motivieren und noch auf einen Nichtabstiegsrang führen. Doch in den letzten vier Spielen gelang lediglich ein Unentschieden und es ging als Vorletzter direkt in die Zweite Liga.

Der 1. FC Kaiserslautern stieg in der gleichen Saison trotz mehrer Trainerwechseln ab und blieb Letzter. Hertha BSC verschlechtert sich auf den Relegationsrang, nachdem Otto Rehhagel zum 27. Spieltag als Feuerwehrmann geholt worden war, weil man nur auf Rang 15 stand. Unter dem Trainer-Altmeister verbesserte sich das Team aber nicht. Am Ende standen in Rehhagels Bilanz bei 14 Spielen mit den Berlinern acht Niederlagen und je drei Siege und Unentschieden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort