Schwächen des Rekordmeisters Darum können die Bayern-Jäger noch auf den Titel hoffen
Analyse | Düsseldorf · Die Münchener scheinen auf dem Weg zur nächsten Meisterschaft zu sein. Doch es läuft nicht alles rund beim Rekordmeister. Warum die Konkurrenz sich noch Hoffnungen auf den Meister-Titel machen könnte.
Zehnjährige Kinder kennen keine Telefone mit Wahlscheiben, keinen Wackeldackel auf der sogenannten Hutablage im Auto, kein Testbild im Fernsehen, keine Prilblumen auf den Küchenfliesen und keinen anderen deutschen Fußballmeister als Bayern München. Seit 2013 laufen die Münchner am Saisonende ohne Unterbrechung auf Platz eins der Bundesliga ein. Und es sieht vor der Wiederaufnahme des Spielbetriebs am Freitag (Leipzig – Bayern, 20.30 Uhr/Sat1) so aus, als werde dieses Naturgesetz Bestand haben. Denn Tabellenführer nach 15 Spielen sind erneut die Münchner. Vielleicht sieht es aber nur so aus, als habe das Gesetz Bestand. Schließlich gibt es doch mindestens sieben Dinge, die den viele Jahre nur vermeintlichen Verfolgern unbedingt Mut machen sollten bei der Jagd auf den Abomeister.
Der Spielplan Schon im ersten Spiel nach der WM-Pause muss der Meister Farbe bekennen. Der Tabellendritte Leipzig kann mit einem Sieg den eigenen Rückstand auf drei Punkte verringern. Deshalb hat RB ausnahmsweise auch mal Fans außerhalb der sächsischen Großstadt, und das Tempo der Red-Bull-Firmenmannschaft kann den Münchnern durchaus gefährlich werden. Das 3:2 im Hinspiel zu Beginn der Meisterschaft war keine einseitige Angelegenheit.
Das letzte Testspiel Bayerns letzter Test war gleichzeitig der einzige vor dem ersten Pflichtspiel des neuen Jahres. Und der spiegelte Qualitäten und Problemfelder des Titelverteidigers. Beim 4:4 gegen ein weiteres Red-Bull-Filialteam (Salzburg) schenkte die muntere Münchner Offensive tüchtig ein, in ihrem Rücken ließ sie allerdings auch ordentlich Platz. Vier Treffer sind eine nette Ausbeute, vier Gegentreffer kein Grund für lässiges Zurücklehnen. „Wir haben noch ein bisschen was zu tun“, stellte Trainer Julian Nagelsmann fest.
Ordnung Zu tun hat Nagelsmann auf jeden Fall bei der vielgerühmten Abstimmung zwischen den Mannschaftsteilen. Die Bayern neigen zu defensiver Großzügigkeit, weil ihr Interesse vor allen Dingen dem Angriff gilt. 49 Tore in 15 Bundesligaspielen sind eine bezaubernde Marke. Die 13 Gegentreffer zeigen aber nicht das ganze Ausmaß an Sorglosigkeit beim Verteidigen. Es hätte deutlich mehr Gegentore geben können. Das wissen die Konkurrenten, und sie werden sich auf schnelle Gegenstöße vorbereiten.
Die Abwehr Defensivarbeit, das lehren die großen Denker, wird von der ganzen Mannschaft verrichtet. Dennoch gibt es die Spezialisten. Und da sieht es dünn aus bei den Münchnern. Innenverteidiger Lucas Hernández ist mit einem Kreuzbandriss ausgefallen, Matthijs de Ligt offenbart gelegentlich erstaunliche Unbeweglichkeit, Außenverteidiger Noussair Mazraoui muss wegen einer Herzmuskelentzündung aussetzen, und Benjamin Pavard hat nach der für ihn unbefriedigenden WM schlechte Laune. Außer Dayot Upamecano verbreitet keiner beim Gegner Angst und Schrecken oder im eigenen Verein Zuversicht. Auch nicht Neuzugang Daley Blind.
Nagelsmann Der Trainer neigt zu gezielter Überforderung. Wilde Trainingsübungen sollen die kognitive Leistungsfähigkeit steigern, am liebsten würde er innerhalb eines Spiels vier verschiedene Grundordnungen und fünf verschiedene taktische Modelle spielen lassen. Das führt schon mal zu Verständnisschwierigkeiten und in der Konsequenz zu guten Gelegenheiten für die Gegner, obwohl der Münchner Trainer beteuert, Mannschaft und Coach hätten sich in diesen Fragen längst angenähert. Abwarten.

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Offensiver Luxus Um die Offensive werden die Bayern mit Recht beneidet. Selbst wenn der Ausfall von Sadio Mané schmerzt, ist in Leroy Sané, Jamal Musiala, Kingsley Coman, Serge Gnabry, Thomas Müller und Eric Maxim Choupo-Moting große Klasse am Start. Das allerdings hat zwei Probleme zur Folge: Erstens gibt es nur einen richtigen Mittelstürmer, zweitens nur drei Plätze dahinter. Das kann für innerbetrieblichen Verdruss sorgen, wenn einer der vermeintlichen Stars auch mal zwei, drei Spiele nicht von Beginn an bestreiten darf.
Das alles sind keine Geheimnisse, und es gab in den zurückliegenden Jahren ähnliche Ansatzpunkte. Es liegt an den zuletzt vermeintlichen Konkurrenten selbst, ob sie diesmal ernsthafte Bayern-Jäger werden.