Gegenpressing Warum der Fußball keine Feindbilder mehr braucht

Meinung | Düsseldorf · Die TSG Hoffenheim spielt gegen Bayern. Vor zwei Jahren gab es geschmacklose Kundgebungen gegen Mäzen Hopp. Solche Feindbilder braucht niemand – vor allem in Kriegszeiten nicht.

Bundesliga: Schmäh-Plakate gegen Dietmar Hopp - Bayern-Anhänger sorgen für Unterbrechung
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Bayern-Anhänger sorgern für lange Spielunterbrechung

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Foto: dpa/Tom Weller

Am Samstag spielt die TSG Hoffenheim gegen Bayern München. Es ist das Spitzenspiel der Bundesliga, der Erste gastiert beim Vierten. Vielleicht ist es auch ein bisschen mehr als das. Die Älteren unter uns werden sich schließlich noch an den Februar 2020 erinnern. Corona schien noch weit weg, und im vollen Sinsheimer Stadion pöbelten Bayern-Fans gegen den Hoffenheimer Klubbesitzer Dietmar Hopp. Zum Höhepunkt der Geschmacklosigkeiten präsentierten sie ein Plakat mit Hopps Konterfei in einem Fadenkreuz. Gleichzeitige Aktionen in Berlin, Dortmund und Köln unterstrichen: Die Ultra-Basis in Deutschland hat einen Lieblingsfeind.

Das Hoffenheimer Spiel erlangte regelrecht historische Bedeutung, als sich die Mannschaften zunächst nach einer Unterbrechung der Partie in den letzten 13 Minuten nur noch den Ball hin- und herspielten wie beim Aufwärmen im Training und anschließend gemeinsam mit Hopp vor den Zuschauern eine eigene Demonstration ablieferten. Bayerns Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge hielt den Hoffenheimer Mäzen im Arm. Später hieß es, der Schulterschluss sei abgesprochen gewesen, weil die Vereine von den organisierten Fanprotesten Wind bekommen hätten. Eine Theateraufführung auf zwei Seiten also.

Bundesliga: So protestieren die Fankurven gegen den DFB
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So protestieren die Fankurven gegen den DFB

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Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Die grundsätzlichen Positionen werden sich nicht verändert haben. Für (vor allem) organisierte Fangruppen bleibt Hopp ein Feindbild, weil er für eine Entwicklung steht, die sie nicht tolerieren wollen. Der SAP-Gründer hat nach eigenen Angaben rund 240 Millionen Euro in den Klub gepumpt und ihn damit von der Kreisliga in die Bundesliga gebracht. Der DFB gesteht ihm eine Ausnahme von der 50+1-Regel zu, er darf als langjähriger Sponsor 96 Prozent der Klubanteile besitzen, während anderswo die Klubs in den Fußball-Unternehmen immer noch mindestens eine Stimme Mehrheit haben (50+1). Viele Fußballfans halten die Ausnahmeregelungen, von denen neben Hoffenheim die Werksklubs Bayer Leverkusen und VfL Wolfsburg profitieren, für (vorsichtig ausgedrückt) ungerecht. Sie beklagen das „Finanzdoping“. Das ist verständlich und schwer in Ordnung.

Die Art, wie sie vor zwei Jahren ihren Protest vortrugen, ist das nicht. In ihrer Wut verstiegen sich die Fangruppen zu üblen Geschmacklosigkeiten. Und auch der spätere Hinweis, Proteste gegen die Symbolfigur Hopp seien lediglich Proteste gegen die DFB-Gerichtsbarkeit, die auf Aufruhr in den Kurven mit Kollektivstrafen reagierte, entschuldigt die Form nicht.

Hass-Kundgebungen wie vor zwei Jahren sind am Samstag nicht zu erwarten. Zum einen, weil die Ultras wegen der Corona-Einschränkungen noch immer nicht überall auf ihre Stammplätze in den Stadien zurückgekehrt sind. Zum anderen, weil es zurzeit wahrlich ausreichend andere Sorgen gibt. Niemand muss sich in der heilen Scheinwelt des Profifußballs an Feindbildern abarbeiten, wenn ein paar Flugstunden entfernt Krieg geführt wird. Auch das ist ein Gebot der Stunde.

Bundesliga: Darum braucht der Fußball das Feindbild Hopp nicht mehr
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Die meisten Fans werden das verstehen. Dass die übergroße Mehrzahl der Ultras keine kriminellen Randalierer sind, die am Spieltag in der Kurve ihren rechtsfreien Raum besetzen und mit der Gesellschaft nichts zu tun haben wollen, haben die Fans bewiesen. Viele halfen in der Corona-Krise, und etliche fassen nun bei der Hilfe für Kriegsopfer mit an. Gute Zeichen in schlechten Zeiten.

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