Vier Keeper aus dem Nachbarland Schweizer Torhüter erobern die Bundesliga

Frankfurt/Main · Man spricht Schwyzerdütsch: Bei gleich vier Bundesliga-Klubs steht ein "Goalie" im Tor. Zu Zeiten von Jörg Stiel (2001 bis 2004 in Mönchengladbach) war das noch anders. Früher, erinnert er sich, dachten die Deutschen, die Schweizer spielen mit Steinen Fußball.

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Pierluigui Tami, einst sein Trainer in der U 21-Nationalmannschaft der Schweiz, sagte mal in blumigen Worten über Yann Sommer: "Sommer im Tor, das ist wie wenn man im tiefsten Winter einen Mantel trägt und es einem trotzdem immer warm ums Herz ist."

Der Torhüter ist jedenfalls schon im Frühherbst angekommen bei Borussia Mönchengladbach und im deutschen Fußball. Und Sommer verkörpert zugleich einen Trend: Mit ihm, Diego Benaglio vom VfL Wolfsburg, Roman Bürki vom SC Freiburg und Marwin Hitz vom FC Augsburg stehen inzwischen gleich vier "Goalies" in der Bundesliga zwischen den Pfosten — und halten oft wie der Teufel.

Am vergangenen Wochenende gab es neben dem Quartett aus der Schweiz nur noch einen ausländischen Schlussmann bei Erstliga-Spielen: Jaroslav Drobny vom Hamburger SV. "Ihr Deutschen müsst euch langsam mal etwas überlegen, wenn von 18 Bundesliga-Torhütern gleich vier aus der Schweiz kommen", flachste der frühere Gladbacher Schlussmann Jörg Stiel kürzlich in einem "Kicker"-Interview. "Tja, das spricht für die Klasse unserer Leute."

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Foto: dpa/Hendrik Schmidt

Sommer, Bürki und Hitz sind - in dieser Rangfolge - auch die Keeper der aktuellen "Nati". Der WM-Achtelfinalist (0:1 gegen Argentinien) muss sich nach dem Brasilien-Abenteuer derzeit im Qualifikationsalltag für die EM 2016 wieder strecken. Die Partie gegen England ging mit 0:2 verloren, obwohl Sommer als neuer Stammkeeper in seiner alten Wirkungsstätte in Basel geglänzt hatte.

Benaglio, die bisherige Nummer 1 bei den Schweizern, war nach der Weltmeisterschaft und 61 Länderspielen zurückgetreten. Der Wolfsburger Kapitän will sich "noch stärker auf meine Aufgabe beim Verein fokussieren" und "mehr Zeit mit meiner Familie verbringen". Er lasse, so Benaglio mit Hinweis auf die Stärken seiner Nachfolger sein Team nicht im Stich.

Die Mannschaft des neuen Nationaltrainers Vladimir Petkovic, Nachfolger von Ottmar Hitzfeld, steht schon unter großem Druck: Einen weiteren Ausrutscher am Donnerstag in Slowenien und am kommenden Dienstag in San Marino kann sich die Schweiz nicht leisten.

So steht auch Sommer wieder im Fokus, der schon bei seinem neuen Arbeitgeber in Gladbach gemerkt hat: "Man schaut in der Bundesliga viel genauer hin, da sind viel mehr Kameras, die einen im Blick haben." Der Hobby-Gitarrist war im Sommer vom FC Basel für satte acht Millionen Euro Ablöse gekommen - als Nachfolger für den zum FC Barcelona abgewanderten Marc-André ter Stegen. "Eine tolle Herausforderung, die ich angenommen habe, als ich mich für die Borussia entschieden habe. Ich will ein guter Torhüter für die Borussia sein, aber nicht Marc-André ter Stegen vergessen machen", betonte Sommer.

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Christian Gross, der langjährige Baseler Trainer, hat über den 25-Jährigen mal gesagt: "Yann Sommer im Tor rettet jedem Verein pro Saison mindestens zehn Punkte." Die "Neue Zürcher Zeitung" schrieb über den nur 1,82 Meter großen Schlussmann: "Andere Goalies lassen sich manchmal aufreizend langsam wie Bahnschranken zu Boden fallen, aber er hat dieses unglaubliche Talent, wie ein Froschmann nach den Bällen zu tauchen."

Ebenso wie Sommer bei der Borussia sind Benaglio in Wolfsburg, Hitz in Augsburg und Bürki in Freiburg die unumstrittene Nummer 1. Bürki ist nach dem Abgang von Oliver Baumann, der fast 14 Jahre in Freiburg spielte, schnell zum Publikumsliebling bei jenem Bundesliga-Club geworden, der der Schweizer Grenze am nächsten liegt. Kürzlich rettete er dem Sportclub ein 0:0 gegen Leverkusen und hatte dabei sagenhafte 87 Ballkontakte - die meisten aller Feldspieler.

"Auf der Torhüter-Position verfügt das Schweizer Team über sehr viel Qualität und Potenzial", urteilt der langjährige Nationalkeeper Benaglio, "Das zeigt allein die Tatsache, dass in dieser Saison zwei weitere Goalies den Sprung in die Bundesliga geschafft haben." Für Stiel schlägt sich die hervorragende Fußball-Ausbildung in der Schweiz auch bei den Torhütern nieder. "Früher dachten die Deutschen ja, wir Schweizer spielen mit Steinen und nicht mit Bällen Fußball", meinte der 46-Jährige.

(dpa)
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