2:1-Heimsieg Borussia stoppt Heynckes und die Bayern

Mönchengladbach · Borussia hat dem FC Bayern im zehnten Pflichtspiel unter Jupp Heynckes die erste Niederlage zugefügt. Obwohl der Rekordmeister deutlich mehr vom Spiel hatte, setzte sich Dieter Heckings Mannschaft mit Glück und Geschick durch.

Borussia Mönchengladbach - FC Bayern München: Bilder des Spiels
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Borussia Mönchengladbach hat ein echtes Ausrufezeichen gesetzt: Gegen den deutschen und Rekordmeister Bayern München gab es am Samstag einen 2:1-Erfolg. Damit brachte ausgerechnet sein Ex-Verein Bayern-Trainer Jupp Heynckes im zehnten Pflichtspiel nach seiner Rückkehr die erste Niederlage bei. Thorgan Hazard, der wie vor einer Woche beim 4:2 in Berlin einen Elfmeter verwandelte, und Matthias Ginter schossen die Gladbacher Tore. "Oh, VfL, du schöner VfL", skandierten die Borussen-Fans im ausverkauften Gladbacher Stadion überglücklich, weil die Spieler ihrem sehnlichsten Wunsch nachgekommen waren: "Zieht den Bayern die Lederhosen aus!"

Borussia hat nun 24 Punkte auf dem Konto und ist somit punktgleich mit dem FC Schalke 04, der aufgrund der besseren Tordifferenz Platz drei innehat. Der Zweite RB Leipzig hat zwei Punkte mehr als das West-Duo, der Fünfte Dortmund drei weniger nach dem 4:4 im Derby gegen die Schalker. Das Team von Dieter Hecking ist nun seit fünf Pflichtspielen unbesiegt, vier davon wurden gewonnen. "Europa ist für uns kein Selbstläufer", sagte Hecking vor dem Bayern-Spiel im Gespräch mit unserer Redaktion. Derzeit jedoch ist sein Team auf dem richtigen Weg.

Hermann neu in der Startelf

Dieter Hecking änderte sein Team im Vergleich zum 4:2 in Berlin nur auf einer Position: Für Fabian Johnson kam Patrick Herrmann ins Team. Hazard rückte somit wieder auf die linke Außenbahn, Herrmann sollte über rechts für Gefahr sorgen. Er hatte zuletzt beim 2:0-Heimsieg gegen den VfB Stuttgart zur Startformation gehört. Gegen die Bayern hatte Herrmann am 20. Januar 2012 einen großen Tag, als er beim 3:1-Erfolg zwei Tore erzielte.

Am Samstag jedoch standen zunächst zwei andere Borussen im Mittelpunkt einer kuriosen und für Christoph Kramer folgenschweren Szene. Jannik Vestergaard rauschte von hinten heran und traf Kramer mit der Schulter am Kopf. Er wurde behandelt, doch schnell kam das Zeichen: Wechsel. Kramer wurde von den Sanitätern aus dem Stadion getragen (11.) und ins Krankenhaus gefahren. Hecking musste im Eiltempo umbauen: Für Kramer rückte Matthias Ginter vor auf die Sechs, Nico Elvedi rückte von rechts nach innen und Tony Jantschke, der neu ins Spiel kam, nahm Elvedis Position ein. So war Borussias Stabilisator der letzten beiden Spiele schnell verschwunden — Ginter musste nun gemeinsam mit Denis Zakaria die Mitte dicht machen.

Borussia schirmt den Strafraum ab

Das neue Konstrukt stand im Zentrum der Hecking-Taktik für den Tag: Borussia wollte aus einer stabilen Defensive heraus und tiefer aufgestellt als in sonstigen Heimspielen den Bayern das Gros des Ballbesitzes überlassen und dann mit schnellem Umschaltspiel dem Favoriten beikommen. Ein Beispiel führten Thorgan Hazard, Lars Stindl und Raffael in der 13. Minute vor: Der Belgier bediente den Kapitän, der schickte Raffael, doch der Doppeltorschütze des Berlin-Spiels schoss vorbei. Auf der Gegenseite verfehlte zwei Minuten danach ein Kopfball von Corentin Tolisso das Tor.

Das waren aber die einzigen Torszenen der Anfangsphase. Die Bayern, zumeist am Ball (64 Prozent), ließen ihn zirkulieren, kamen aber nicht in den Strafraum, den Borussia geschickt abschirmte. Auf der anderen Seite war es ähnlich, wenn die Borussen sich nach vorn wagten. Der Ball lief und lief, aber nur horizontal und nicht vertikal. So war der "Klassiker" erst mal ein dahinplätscherndes Etwas, dem Sebastian Rudy nach 29 Minuten aus 18 Metern einen weiteren Torschuss hinzufügte — doch Yann Sommer griff sich problemlos den Ball.

Der nächste, der den Ball an die Hand bekam, war Bayern-Verteidiger Niklas Süle. Da dies im Strafraum des Rekordmeisters geschah, entschied Schiedsrichter Manuel Gräfe auf Elfmeter. Hazard trat an — und musste erst mal warten. Denn der Videoassistent und Gräfe konferierten kurz, um dann die Ad-hoc-Entscheidung zu bestätigen. So durfte Hazard ausführen und tat das mit Erfolg, auch wenn Bayern-Torwart Sven Ulreich noch am Ball war (39.).

Hazard präzise vom Punkt

Hazard baute damit seinen einsamen Rekord aus: Schon seine zehn Scorerpunkte im zehnten Pflichtspiel in Folge waren Vereinsrekord, nun hat der Belgier elf am Stück beisammen. Es war zudem der fünfte Elfmeter in dieser Saison, den Hazard verwandelte. In der Liga traf er zuvor gegen in Leipzig, gegen Hannover und in Berlin, außerdem erzielte beim Pokalspiel in Düsseldorf vom Punkt das 1:0-Siegtor.

Nach Filip Daems haben die Gladbacher nun wieder einen Belgier, der höchst präzise vom Punkt arbeitet. Daems selbst saß mit seinem Sohn oben auf der Tribüne (neben Roel Brouwers, die Fahrgemeinschaft vergangener Tage wurde offenbar neu belebt). Als Gräfe pfiff, flüsterte der sichtlich Borussia-begeisterte Filius: "Papa, lass' dich einwechseln." Doch letztlich brauchte Hazard keine Hilfe.

Schon als Hazard traf, bebte der Borussia-Park. Drei Minuten später gab es erneut einen Freudentaumel: Ginter nutzte nach einer schönen Kombination über Hazard und Lars Stindl seinen neuen Job, um sich ganz vorn einzubringen und den Ball aus kurzer Distanz freistehend ins Tor zu schieben zum 2:0. Für den Defensivmann war es bereits das dritte Saisontor. Dank dieses Treffers ging Gladbach mit einer verdienten 2:0-Führung in die Pause, denn die Bayern waren weit davon entfernt, zielstrebig zu sein. Entsprechend unzufrieden stapfte Bayern-Coach Heynckes in die Kabine. Der Pfostentreffer seines Stürmers Robert Lewandowski war zu wenig, um die Borussen wirklich in Gefahr zu bringen.

Nach der Pause gab es dann den dritten Gladbacher Rechtsverteidiger des Tages zu besichtigen, da auch Jantschke verletzt raus musste. Nun war Fabian Johnson dran auf der Position, bei der er bei der WM 2014 geglänzt hatte. So recht mag er sie dennoch nicht, doch nun musste der Amerikaner wohl oder übel dort ran.

Mit letzter Kraft

Der personelle Wechsel änderte am Gesamteindruck des Spiels nichts. Die Bayern hatten weiterhin viel Ballbesitz, aber lange wenig gute Ideen. Kingsley Coman, den Heynckes schon vor der Pause gebracht hatte, sorgte für ein paar Hoffnungsschimmer auf den Anschlusstreffer, unter anderem, als er in der 66. Minute den Pfosten traf. Gladbach kam kaum noch zu befreienden Gegenstößen. So war es ein Risiko-Spiel: Gelingt den Bayern der Anschluss, würde es nochmal richtig eng. Dass sogar eine 4:0-Führung zu wenig sein kann, hatte das Derby in Dortmund gezeigt. Und dann passierte es: Arturo Vidal zog aus 25 Metern ab und Sommer kam nicht mehr entscheidend an den Ball heran. 2:1. Nun begann das große Zittern.

Einen der seltenen Gladbacher Konter unterband Mats Hummels, indem er Raffael kurz am Arm zupfte. In den Augen von Gräfe reichte das nicht für einen Pfiff und die damit verbundene Rote Karte wegen einer Notbremse. Raffael kam zwar ins Straucheln, letztlich ging die Entscheidung des Schiedsrichters aber in Ordnung. In der Folge drückten die Bayern nicht mehr so stark wie vor dem Anschlusstreffer - was auch daran lag, dass sich Borussia mit letzter Kraft Momente zum Durchschnaufen verschaffte. Am Ende rettete sie die Führung ins Ziel. Josip Drmic feierte in der Nachspielzeit noch sein Comeback. Um ein Haar wäre ihm noch das 3:1 gelungen.

(kk)
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