Derby Borussia gegen Köln Mit Weisweiler begann die Rivalität

Mönchengladbach · Der Konflikt zwischen Borussia Mönchengladbach und dem 1. FC Köln hat seine Wurzeln in längst vergangenen Jahren. Seit 2008 ist die Lage eskaliert.

Die Rekord-Trainer im rheinischen Derby
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Rheinisches Derby: die Rekord-Trainer

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Foto: Horstmüller

Man könnte es sich so einfach machen und alles auf Hennes Weisweiler schieben. Und ja, er hat tatsächlich einen entscheidenden Anteil daran, warum sich Gladbacher und Kölner zumindest fußballerisch nicht leiden können. Mönchengladbach war lange nur ein Fleck auf der Landkarte, tiefste Provinz, unbedeutend, sportlich sowieso. Das war jedenfalls die Wahrnehmung vieler Kölner, im Selbstverständnis gefühlte Hauptstädter des Rheinlands. Ausgerechnet einer von ihnen machte sich 1964 auf, Entwicklungshilfe am Niederrhein zu leisten.

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Foto: Dirk Päffgen

Weisweiler war sich der Dimension seines Schrittes vermutlich bewusst. Er lief in den 1950er-Jahren als Trainer des 1. FC Köln seinen Träumen hinterher. In der Oberliga verpasste er mit dem Team stets die Endrunde. Weisweiler verließ 1952 frustriert den Klub, kehrte drei Jahre später wieder zurück, um dann kurz danach erneut neue Wege zu gehen, weil er sich mal wieder mit dem damaligen Klub-Präsidenten Franz Kremer überworfen hatte. Kremer war es übrigens, der bei einer Vereinskarnevalssitzung 1950 von einem Zirkusdirektor einen lebendigen Geißbock als Maskottchen in die Hand gedrückt bekam - und er benannte ihn fast visionär nach dem Mann, der den Verein in glorreiche Zeiten lenken sollte: Hennes Weisweiler.

Legendäre Fohlenelf

Nach einer kurzen Station beim Stadtrivalen Viktoria wechselte Weisweiler 1964 nach Mönchengladbach. Dort veränderte der Trainer die vorherrschenden Gesetzmäßigkeiten des Fußballs. Bei der kleinen Borussia hatte er alle Möglichkeiten, seine Ideen vom perfekten Spiel umzusetzen. Ein Team aus vielen jungen Spielern stürmte von der Regionalliga in die neugegründete Bundesliga. Und in Köln schaute man bedröppelt drein. Die Fohlenelf stand für eine neue Spielkultur und stieg in den 1970er-Jahren zu einem europäischen Spitzenteam auf. Weisweilers Ehrgeiz konzentrierte sich vor allem auf ein Ziel: vor dem 1. FC Köln zu stehen.

Und so waren Spiele gegen den FC, der 1964 als Meister noch die dominierende Mannschaft im deutschen Fußball war, auch nicht einfach nur Spiele. Borussia machte Weisweiler, wie es "11 Freunde" formulierte, zum "Resonanzkörper für seine Abneigung gegen den Ex-Verein". Es gibt etliche Anekdoten, wie Weisweiler versuchte, seine Spieler heiß zu machen, wie er sie mit Nichtbeachtung über eine Woche lang strafte, wenn die Partie nicht nach seinen Wünschen lief. Oder wie es sein einstiger Schüler Jupp Heynckes einmal beschrieb: "Die Luft vor einem Derby war anders."

Dies ist der Zeitpunkt, an dem aus einem normalen Spiel etwas Besonderes wurde. Gladbacher Anhänger wie Lothar Feldberg, Vorsitzender des Fanklubs BFC Wickrath, können sich noch an Zeiten erinnern, als sie sich im alten Müngersdorfer Stadion Seite an Seite mit Kölnern die Partien angesehen haben. "Es war einfach nur ein Fußballspiel, das man besonders gerne gewinnen wollte", sagt der 61-Jährige. "Man hat den anderen auf den Arm genommen, aber nicht gehasst."

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Foto: Herbert Berger

Und auch Horst Köppel, von 1968 bis 1979, unterbrochen von einem Abstecher zum VfB Stuttgart (1971 bis 1973) bei Borussia, erinnert sich an harmonische Derbys. "Wenn wir mit dem Bus ins Stadion gefahren sind, standen Fans an den Zäunen und wollten Autogramme von uns - darunter viele Kölner. Es war eine ganz andere Atmosphäre", sagt der 67-Jährige. "Es hat sich weniger das Derby verändert, die Gesellschaft ist eine andere geworden."

Ende der 1970er bis Mitte der 1980er-Jahre ist die dunkle Zeit des Fußballs. Hooligans haben den Sport im Griff und sorgen für Angst und Schrecken. Es knallt fast an jedem Spieltag - ganz unabhängig von der Spielpaarung. "Es gehörte einfach dazu", erzählt Holger Spiecker, langjähriger Fanbeauftragter von Borussia Mönchengladbach. "Damals gab es aber noch kein Internet und soziale Medien, in denen man sich seiner Taten gerühmt hat und sie so schnell verbreiten konnte. Da traf man sich in der Kneipe und in der nächsten Woche ging alles normal weiter."

Das ist heute anders. Alle Beteiligten haben in den vergangenen Jahrzehnten kräftig aufgerüstet. Zuvorderst die sogenannten Ultras, eine neue Fankultur, die für sich seit dem Beginn des neuen Jahrtausends die Stimmungshoheit im Stadion beansprucht. In die Phase dieses aufkommenden Phänomens fällt auch die nächste Eskalationsstufe. 2008 sind Kölner ins Gladbacher Stadion eingebrochen und haben dort eine Fahne gestohlen. "Beim nächsten Derby skandierte dann das Kölner Stadion ,Wir wollen die Fahne sehen' - damit solidarisierten sich weite Teile der Kölner Fanszene mit Kriminellen", urteilt Thomas "Tower" Weinmann vom Gladbacher Fanprojekt. "Das war der Startpunkt. Seitdem ist alles total aus dem Ruder gelaufen." Zur traurigen Realität zählt seither, dass selbst nicht zur organisierten Szene gehörende Fans des jeweilig anderen Vereins angegriffen werden - ein Wettbewerb der Straftaten.

Das kollektive Aufbäumen gegen diese Entwicklung könnte ausgeprägter sein. Von vielen Beteiligten. Die Polizei, die mit Großaufgeboten versucht, die Sicherheit herzustellen - und damit neue Konflikte beschwört -, konnte bislang nicht nachhaltig für eine Beruhigung sorgen. Die Vereine, die viel zu lange nicht konsequent genug gegen Straftäter in ihren Reihen vorgegangen sind. Selbst ein paar von jenen Chaoten, die im Februar 2015 beim Platzsturm im Borussia-Park nachweislich mitgemacht haben, wurden vom FC schon nach kurzer Verbannung wieder begnadigt. Die "normalen" Fans, bei denen die Distanzierung von den Krawallmachern in weiten Teilen noch auf sich warten lässt. Und auch freilich die Medien, die allzu oft in die Falle treten, jenen Unruhestiftern eine zu große Bühne zu bieten, die man eigentlich konsequent ausgrenzen sollte - ein Balanceakt in der Abwägung des öffentlichen Interesses. Denn wie am Samstag bei der Demonstration von etwa tausend Kölner Fans im Mönchengladbacher Stadtteil Rheydt - das Derby spielt sich längst nicht mehr nur rund um das Stadion ab. "Es sind sich wohl die meisten einig darüber, dass es so nicht weitergehen kann", sagt Weinmann.

Das wäre ein Anfang - immerhin.

(gic)
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