Dortmund gegen Leipzig Echte Liebe und echtes Geschäft

Dortmund · Das Spitzenspiel zwischen Borussia Dortmund und RB Leipzig führt nur scheinbar zwei gegensätzliche Teams zusammen. Für beide geht es vor allem um das echte Geschäft.

 Neben Zweikämpfen gibt es am Samstag in Dortmund einen vermeintlichen Kampf der Kulturen.

Neben Zweikämpfen gibt es am Samstag in Dortmund einen vermeintlichen Kampf der Kulturen.

Foto: afp

Wer über einschlägige Internetforen oder durch die Kommentarspalten wandert, der darf sicher sein: Am Samstag gibt es in Dortmund einen Kampf der Kulturen. Da trifft große Tradition auf neureiche Retorte, echte Liebe auf kühles Kalkül, erdiger Fußball auf Plastik-Design und demokratisches Vereinswesen auf die Abteilung Fußball eines Konzerns. Offenbar geht es um die Verteidigung der letzten sportlichen Werte des Abendlandes.

So würde Borussia Dortmund das Bundesligaspitzenspiel gegen RB Leipzig sicher auch ganz gern verkaufen. Und der BVB hat für sich natürlich die Rolle des überaus sympathischen Verteidigers dieser Werte reserviert.

Daraus hat der Vizemeister der vergangenen Saison längst sein eigenes Geschäftsmodell entwickelt. Er weiß eine riesige, hochemotionale Anhängerschaft hinter sich. 108 Jahre Fußballgeschichte haben den größten Klub Dortmunds zum Sinnstifter für eine ganze Stadt, für eine ganze Region gemacht. Nicht nur an Spieltagen sind Kreuzviertel und Vororte gelb-schwarz, und auf der Südtribüne stehen Woche für Woche 25.000 Menschen, die vermutlich ihr letztes Hemd für den Klub geben würden. Ihre Zuneigung zum BVB erfüllt alle Kriterien echter Liebe.

Und genau hier kommt das Geschäft ins Spiel. Vor fast zehn Jahren machte der Verein die "Echte Liebe" zu einer Marketing-Kampagne, der BVB und "Echte Liebe" wurden zu einer Marke wie Tempo und die Papiertaschentücher. Die Feststellung, der Klub mache aus echter Liebe Geld, ist nicht übertrieben. Die Werbewirtschaft fand das so gut, dass sie Borussia Dortmund 2014 zum deutschen Markenmeister kürte - doch, ja, so was gibt's.

Mit gewachsener Liebe hat RB Leipzig gar nichts am Hut. Der Getränkehersteller Red Bull hat sich eine Lizenz zum Mitspielen im deutschen Fußball gesucht und in Leipzig gefunden. Das Unternehmen Bundesligasport ist ein Teil des Konzerns, und das Projekt "Rasenballsport" erblickte allein deshalb 2009 das Licht der Welt, um für Red Bull zu werben. Das Fußballteam funktioniert nicht anders als der Formel-1-Rennstall oder der österreichische Extremsportler Felix Baumgartner, der den Ruhm der klebrigen Brause und ihres Herstellers mehrte, indem er aus dem Weltall zur Erde sprang.

Die Fußballer aus Leipzig sind zwar keine außerirdischen Wesen, aber auch sie steigern den Bekanntheitsgrad des Produkts, für das sie spielen. Sie sind nämlich so gut, dass sie die Dortmunder einstweilen als erster Verfolger von Bayern München abgelöst haben. Und der kühle Wirtschaftsplan ihrer Firmenleitung sieht ausdrücklich vor, "auf Dauer regelmäßig international zu spielen und natürlich auch deutscher Meister zu werden". Das erklärte der Vorstandschef Oliver Mintzlaff noch in dieser Woche beim Düsseldorfer Kongress SpoBis.

Rangnick verteidigt das Leipziger Mitglieder-Modell

Damit möglichst niemand dazwischenredet, wenn die Manager derartige Planspielchen betreiben, ist der Einfluss der Mitglieder in der Red-Bull-Sparte Fußball ausgeschlossen. Es sind ohnehin nur 750, und sie haben nichts zu sagen. Das vor allem finden Anhänger einer traditionellen Vereinskultur besonders schlimm, und das begründet den Kulturkampf auf Rängen und Internetseiten.

Leipzigs Sportdirektor Ralf Rangnick hat das Modell gerade wieder verteidigt. "Ich denke, die Zahl der Mitglieder ist irrelevant", sagte er bei einem Medientreffen, "das Konzept ist altmodisch und überholt. Borussia Dortmund hat 150.000 Mitglieder, aber auf die strategische Ausrichtung des Klubs haben sie keinerlei Einfluss. Denken Sie etwa, Porsche, Mercedes oder DHL würden ihre Anteilseigner vor jeder Entscheidung nach ihrer Meinung fragen? Dasselbe gilt für den Fußball." Tradition, hat er dann noch gesagt, bedeute ihm "nichts, wenn man nur die Asche der vergangenen Erfolge feiert".

Solche Bemerkungen bringen den größten Teil der Dortmunder "Süd" zuverlässig auf die Palme. Und so mancher übersieht dann, dass die Manager des eigenen Vereins aus traditionellem Fahnenschwenken, echter Liebe und eiskaltem Management ein Wirtschaftsunternehmen mit fast 400 Millionen Euro Umsatz gemacht haben, das nur am Spieltag für 90 Minuten so aussieht wie ein Fußballverein. Morgen übrigens wieder.

(pet)
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