Zum Karriereende von Bibiana Steinhaus „Der deutsche Fußball verliert eine Pionierin in einer Männerdomäne“

Frankfurt/München · Seit 2017 pfeift Bibiana Steinhaus in der Fußball-Bundesliga und hat sich als erste und einzige Frau in Deutschlands höchster Spielklasse großen Respekt erarbeitet. Jetzt ist Schluss. Der Liga wird sie fehlen. Der Abschied begann und endete jeweils mit einer Überraschung.

 Bibiana Steinhaus in ihrem letzten Spiel als Schiedsrichterin.

Bibiana Steinhaus in ihrem letzten Spiel als Schiedsrichterin.

Foto: AFP/ANDREAS GEBERT

An der Seite von Manuel Neuer und Marco Reus begann der letzte große Fußball-Abend von Bibiana Steinhaus als Schiedsrichterin. Stunden nach dem verkündeten Karriereende stand die 41-Jährige beim Supercup-Duell zwischen dem FC Bayern München und Borussia Dortmund besonders im Fokus. Schon vor der Seitenwahl der Kapitäne war Steinhaus beschenkt worden. Der Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga, Christian Seifert, überreichte ihr einen Blumenstrauß und einen Ball. Steinhaus wirkte am Mittwochabend in der leeren Münchner Arena so, als sei ihr das nicht ganz so recht – der Sport sollte auch diesmal im Vordergrund stehen.

Den Entschluss hatte sie wohlüberlegt und während der langen Zwangspause gefasst. „Wie viele Menschen in der Zeit der Corona-Situation habe ich manches reflektiert und neu bewertet“, sagte die erste Schiedsrichterin in der Geschichte der Fußball-Bundesliga und zog am Mittwoch völlig überraschend den Schlussstrich. Nach „sorgfältiger Abwägung vieler Faktoren“ habe sie sich dazu entschieden, ihre „nationale und internationale Laufbahn als Schiedsrichterin zu beenden“. Der Liga wird sie fehlen.

Erst am Mittwochmorgen hatte der Deutsche Fußball-Bund bestätigt, dass die Unparteiische, die seit 2017 in der Bundesliga pfiff, am Abend erstmals das deutsche Supercup-Finale zwischen dem FC Bayern und Borussia Dortmund leiten wird. Eine Auszeichnung. Und ein würdiger Abschied. „Der deutsche Fußball muss künftig nicht nur auf eine herausragende Schiedsrichterin verzichten, sondern verliert auch eine außergewöhnliche Persönlichkeit und Pionierin in einer Männerdomäne“, würdigte DFB-Präsident Fritz Keller die Polizistin aus Hannover.

Vor drei Jahren war Steinhaus auf den Rasen des Berliner Olympiastadions getreten, „in dem Wissen, Geschichte zu schreiben“, wie sie zuletzt erzählt hatte. Das Debüt der ersten Schiedsrichterin in der Bundesliga wurde weltweit beachtet. „Es war ein langer Weg“, sagte die 41-Jährige rückblickend.

Für das freiwillige Ende der viel beachteten Laufbahn der Schiri-Pionierin sollen private Gründe ausschlaggebend sein. Die Altersgrenze für Bundesliga-Schiedsrichter liegt bei 47 Jahren und spielte ebenso keine Rolle wie ihre Leistungen. „Über die Gründe meines Rückzugs werde ich mich zu gegebener Zeit nochmals etwas ausführlicher äußern“, sagte Steinhaus.

Nach Karriereende als Bundesliga-Schiedsrichterin: Das ist Bibiana Steinhaus
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Das ist Bibiana Steinhaus

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Foto: dpa/Torsten Silz

Doch man kann sie erahnen. Seit vier Jahren ist Steinhaus mit dem ehemaligen englischen Fifa-Referee Howard Webb liiert, der in New York lebt. Die Liebe zu ihrem Partner und die Sehnsucht nach einer eigenen Familie waren wohl stärker als die Passion Fußball, der jahrelang ihr Leben bestimmte.

Sechsmal wurde Steinhaus „Schiedsrichterin des Jahres“, jeweils dreimal vertrat sie Deutschland bei der WM und EM der Frauen. Doch so richtig in den Fokus rückte sie durch ihre Vorreiter-Rolle als erste Schiedsrichterin im Männer-Fußball. Nach ihr schaffte nur noch Riem Hussein diesen Sprung.

„Bibiana Steinhaus hat sich in den vergangenen Jahren fest im Kreise der Bundesliga-Schiedsrichter etabliert und sich mit ihren Leistungen Respekt und Anerkennung verdient“, sagte Christian Seifert, Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga. „Das Ende ihrer Karriere kommt überraschend. Persönlich wünsche ich ihr für die Zukunft alles Gute – und dass ihr der Supercup als würdiger Abschluss ihrer Laufbahn in Erinnerung bleibt.“

Seit 2017 war Steinhaus in der Bundesliga aktiv – bis heute als einzige Frau. „Bibiana ist eine Ausnahme-Erscheinung“, lobte DFB-Schiedsrichterchef Lutz Michael Fröhlich damals und dankte ihr zum Abschied: „Ihr gebühren höchste Anerkennung für das, was sie erreicht hat, höchster Respekt für ihre Entscheidung und auch ein großer Dank von meiner Seite für die absolut vertrauensvolle Zusammenarbeit.“ Steinhaus sei „eine absolute Bereicherung für den Fußball, sowohl von ihrer Art, die Spiele zu leiten, als auch im persönlichen Umgang“.

23 Spiele leitete Steinhaus im Oberhaus und war darüber hinaus regelmäßig als Vierter Offizieller und zuletzt auch als Video-Assistent im Einsatz. Zehn Jahre zuvor hatte sie in der 2. Bundesliga debütiert und dort sukzessive Vorurteile abgebaut.

Ihr Credo: „Auch wenn das jetzt vielleicht platt klingt, aber ich möchte jedes anstehende Spiel gut leiten“, sagte Steinhaus jüngst. „Denn jedes Spiel hat den bestmöglichen Spielleiter verdient. Mein Antrieb ist, sich immer noch weiterentwickeln zu können und die Möglichkeit wird mir in jedem Spiel geboten.“ Damit ist nun Schluss.

Allerdings nicht ganz: Denn Bibiana Steinhaus wird dem Deutschen Fußball-Bund auch nach dem Ende ihrer aktiven Karriere erhalten bleiben. Die 41-Jährige wird als Video Assistant Referee (VAR) in den "Kölner Keller" wechseln. Als Video-Assistentin wird sie ausschließlich für Spiele der Bundesliga und 2. Bundesliga aktiv sein. „Als mich nach meiner Entscheidung das Angebot und die Bitte von Lutz Michael Fröhlich (Schiedsrichter-Chef des Deutschen Fußball-Bundes, d.Red) erreichte, meine Erfahrung weiterhin als regelmäßige Mitarbeiterin im Video Assistant Center in Köln zur Verfügung zu stellen, habe ich diesem Vorschlag mit Freude zugestimmt", sagte Steinhaus. Die erfahrene Unparteiische weiter: „So kann ich meine sportlichen Ambitionen unter anderen Vorzeichen weiterhin unter Beweis stellen. Ich finde das auch insofern eine sehr gute Lösung für mich, weil ich dadurch weiterhin den persönlichen Kontakt zu den Schiedsrichterkolleginnen und -kollegen halten und im fachlichen Gedankenaustausch mit ihnen stehen kann."

(kron/dpa)
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